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Als Legolas nach einiger Zeit erneut vor dem Zimmer stand, klopfte er leicht an. Lùana öffnete ihm. 

"Ich bin fertig." Sie lächelte leicht. Offenbar ging es ihr schon wieder besser und sie hatte die Tränenspuren in ihrem Gesicht weggewischt. Sie trug eine Leggins, wie die sie Waldelben trugen und darüber eine leichte Tunika in den Farben des Waldes. An ihren Füßen trug sie schmale Lederstiefel und ihre hellen Haare fielen ihr leicht über die Schultern.

Der Prinz erwiderte das Lächeln ehlich und meinte: "Gehen wir!" Die Elbin nickte und nahm dankbar den Arm, den er ihr anbot, um sich darauf zu stützen. Sie schien keine großen Schmerzen mehr zu haben, doch sie war noch schwach. Vorsichtig führte Legolas die Elbin in Richtung Thronsaal, während sie staunend die mit Ästen und Blättern gesäumten Gänge und Räumlichkeiten des Palastes ansah.

Schließlich kamen sie vor der großen Tür an, die den Eingang zum Thronsaal bildete. "Warte hier, ich bin gleich wieder da.", bat Legolas die Elbin. Sie nickte und er betrat den Thronsaal.

Thranduil saß wie üblich auf seinem Thron und sah auf, als er seinen Sohn eintreten hörte. Legolas nickte kurz zur Begrüßung, dann sah er seinen Vater an. "Sie ist bereit, Vater." Kurz musterte der Elbenkönig seinen Sohn, dann lehnte er sich nach hinten und sagte mich gleichgültiger Stimme. "Lass sie reinkommen."

Einen Moment schien Legolas noch etwas sagen zu wollen, doch dann nickte er und lief zu der großen Tür. "Öffnet die Tür.", befahl er den Wachen, die eilig seinem Befehl nachkamen und die Tür dieses Mal in ihrer ganzen eindrucksvollen Größe weit öffneten. Legolas erblickte die Elbin, die unschlüssig dort stand, sie war ganz offentsichtlich nervös und der Prinz konnte es ihr nicht verdenken. Mit einigen Schritten war er bei ihr und nahm sie sanft am Arm. "Kommt." Er schenkte ihr ein ermutigendes Lächen, das sie nervös erwiderte und führte sie in den großen Thronsaal.

Sobald sie in den Raum eintraten veränderte sich der Ausdruck in dem Gesicht der Elbin. Sie schien ihre Nervösität vergessen zu haben, stattdessen weiteten sich ihre blauen Augen angesichts des Bildes, das sich ihr bot. Der Thronsaal war ohne Frage prächtig, geschwungene Äste wanden sich durch den Raum, in den leichtes Sonnenlicht fiel. Lùana merkte garnicht, wie Legolas sie weiterführte, während ihre Augen staunend an den prachtvoll verzierten Wänden und den goldenen Blättern vorbeistrichen, bis sie ihren Blick nach vorne richtete und scharf die Luft einzog.

Der Thron des Elbenkönigs war... ihr fiel kein passendes Wort ein um zu beschreiben, was sie sah. Gleichzeitig strahlten die fein geschwungenen Äste eine unbestreitbare Eleganz  und eine Erhabenheit aus, was von der Höhe des Throns noch untermalt wurde. Der Elbenkönig schien perfekt mit diesem Bild zu harmonieren, die Schönheit und Eleganz, die seine leuchtenden Gewänder und sein ebenmäßiges Gesicht mit den seidigen Haaren ausstrahlten, aber auch die Kälte seiner blauen Augen und die Arroganz, die er zeigte, als er ausdruckslos auf die Elbin herunterblickte.

Die pure Erhabenheit. Thranduil ließ keinen Zweifel, wer er war und welche Rolle er spielte. Gefesselt von den eisblauen Augen des Königs und dem erschaudernden Gefühl, das sie durchspülte, merkte Lùana erst viel zu spät, dass sie den Elbenkönig ungeniert anstarrte. Sie senkte eilig die Augen, konnte seinen Blick nicht länger aushalten, ihre Wangen färbten sich langsam rot und eine heiße Welle der Verlegenheit erfasste sie.

Thranduil musste seine Wirkung auf die junge Elbin bemerkt haben, doch er sagte nichts dazu. Einen Moment noch ließ er sie zappeln unter dem stechenden Blick, den sie auf sich spürte, dann durchbrach Legolas Stimme die Stille.

"Vater, das ist Lùana." Die Elbin hatte ganz vergessen, dass der Prinz immer noch neben ihn stand und blickte ihn nun dankbar an. Der Elbenkönig musterte sie nochmal kurz, dann meinte er: "Nun Lùana, was mit eurer Familie passiert ist, tut mir sehr leid." Einen Moment fragte sich die Elbin, woher er das wusste, kam aber zu dem Schluss, dass Legolas es ihm erzählt haben musste. Sie nickte leise, die sanfte und dennoch kalte Stimme des Königs jagte erneut ein Schaudern durch ihren Körper. Sie sah auf, doch der Blick Thranduils ließ sie schnell wieder den Kopf senken.

Kein Mitleid lag in seinem Blick, nicht mal ein wenig Anteilnahme. Seine Augen waren kalt und ausdruckslos und unwillkürlich schluckte die Elbin hart. Was hatte sie erwartet? Erneut riss die Stimme des Königs die Lùana aus ihren Gedanken. "Ihr dürft hier solange verweilen, wie ihr wollt." Erleichterung durchfuhr die Elbin und sie sah zu Legolas, der ihr ebenfalls ein Lächeln schenkte.

"Danke." Sie blickte auf, in ihrem Blick spiegelte sich die Wärme und Dankbarkeit, die sie in diesem Moment verspürte. Thranduil erwiderte ihren Blick und plötzlich sah er fast nachdenklich aus. Er nickte kurz, dann befahl er Legolas: "Führe sie auf ihr Zimmer." Der Elb nickte und nahm Lùana am Arm aus dem Thronsaal. Diese warf noch einen letzten Blick auf den König, der auf seinem Thron saß und leicht an einem Glas mit Wein nippte. Sein Blick war durchdringend und durchzuckte sie wie ein Blitz, sodass sie sich schnell abwandte.

Legolas führte die Elbin mehrere gewundene Treppen hinauf, bis sie vor einer schlichten Tür standen. "Das ist euer Zimmer.", der Elb zeigte auf die Tür. "Wenn ihr etwas braucht, fragt einfach. Ich hole euch zum Mittagessen wieder ab." Er lächelte freundlich und Lùana erwiderte das Lächeln. "Danke. Für alles." Ein warmes Gefühl erfüllte sie, ein Hauch Geborgenheit, den sie in den letzten Tagen schmerzlich vermisst hatte. Sie wusste, in Legolas hatte sie den treusten Freund gewonnen, den sie nur finden konnte. Der Elb nickte nur lächelnd, ehe er sie alleine ließ.

Als die Elbin die Tür auf machte, weiteten sich ihre Augen erneut in Staunen. Das Zimmer war geräumig, mit einem großen Himmelbett in der Mitte, dessen Laken mit goldenen Verzierungen geschmückt waren. An der Wand stand ein großer Wandschrank sowie eine kleine Kommode aus wunderschön gemasertem Holz und ein dünner Teppich, der mit Stickmustern übersäht war, bedeckte den Boden. Von den Fenstern aus hatte man einen wundervollen Ausblick auf den Wald und ein kleiner Balkon mit verschlungenem Geländer ermöglichte nachts einen Blick auf den Sternenhimmel.

Lùana entdeckte eine weitere Tür, die in ein großes Badezimmer führte. Es war kein gewöhnliches Badezimmer, auch wenn es viele Schränke und Ablagen besaß, die mit Hygieneartikeln bestückt waren. Doch in der Mitte des Raumes befand sich ein großes Becken mit Wasser. Es war angenehm warm und klar und um das Becken herum befanden sich Pflanzen, Gräser und Blumen, sodass es beinahe aussah, als wäre es ein kleiner See.

Staunend verließ die Elbin das Badezimmer und setzte sich auf große Bett. Was waren das für Räumlichkeiten? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass hier alle Zimmer so aussahen. Es war ein Gemach, einer Königin würdig. Warum hatte sie es bekommen? Viele Fragen schwirrten durch ihren Kopf, doch sie fand keine Antworten. Sie ließ sich in das weiche Kissen sinken und schloss erschöpft die Augen. Ihr Körper war immer noch schwach, das spürte sie, doch sie konnte einfach nicht zur Ruhe kommen. Wenn sie die Augen schloss, sah sie den durchdringenden Blick Thranduils, seine eisblauen Augen, die sie musterten. Und sie hörte die Schreie der Elben, die in ihrer Heimat getötet worden waren. Langsam kamen die Erinnerungen wieder in ihr hoch und mit ihr eine Gewissheit, die sie wie ein scharfer Schwertstich traf. Sie würde nie wieder im Lichttal leben. Nie wieder ihre Freunde treffen und vor allem würde sie nie wieder ihren Vater sehen. 

Abermals übermannte sie die Trauer, die sie am Tag verdrängt hatte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie war dem Schmerz, der sie innerlich zerriss hilflos ausgeliefert und im Schatten der Dunkelheit schienen die düsteren Erinnerungen alle auf sie einzuströmen. Sie schlang ihre Arme um das Kissen und weinte hinein, sie fühlte sich so einsam wie noch nie in ihrem Leben. Ihr leises Schluchzen erfüllte den Raum, während die Sterne sanft am Himmel funkelten, ein Trost in der Dunkelheit, den sie jedoch nicht zu bemerken schien. Irgendwann übermannte sie dann doch die Erschöpfung und sie schlief auf ihrem tränennassen Kissen ein.


Ein Herz aus EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt