13. Kapitel

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Ich starrte die Decke an. Je länger ich lag, desto mehr krochen die Schuldgefühle die Parasiten durch meinen Körper und bissen sich an jedem positiven Gefühl fest, dass bis eben noch in meinem Körper gewesen war. Die Finger meiner rechten Hand ertasteten das kühle Metall des Rings. Ich hatte nicht einmal den Anstand gehabt ihn abzulegen. Ich bemerkte, dass Steves Blick auf meine Finger fiel.
"Ich bin ein schlechter Mensch", brach es aus mir heraus. Der blonde Mann neben mir drehte den Kopf in meine Richtung.
"Du bist kein schlechter Mensch", seufzte er. "Und wenn doch, dann bin ich auch einer."
"Fein, dann sind wir beide furchtbare Menschen", ich erwiderte seinen Blick.
"Na schön, wir sind beide furchtbare Menschen, fühlst du dich jetzt besser?", er zog eine Augenbraue nach oben.
"Ein bisschen", gab ich zu. Ich wusste noch nicht einmal, warum ich mir Vorwürfe machte, die Wahrscheinlichkeit, dass ich Bucky jemals hiervon erzählen, geschweige denn mich rechtfertigen musste war verschwindend gering und was war eine Nacht im Vergleich zu fünf Jahren? "Warum muss inzwischen alles so verwirrend sein? Wo sind die Zeiten hin, als alles noch einfach war?"
"Es gab mal Zeiten, als Dinge einfach waren?", schmunzelte Steve.
"Ach sei bloß ruhig, du bist furchtbar demotivierend", lächelte ich und schüttelte den Kopf. Steve setzte sich und streckte sich, dann erhob er sich und zog seine Jogginghose wieder an. "Was...?"
"Wie gesagt, das Bett gehört dir", meinte er. Ich verstand. Wir hatten uns geholfen für einen Moment den Schmerz zu vergessen und nun gingen wir wieder dazu über nur Freunde zu sein. Für mich war es in Ordnung, ich war sogar froh, dass wir nicht weiter darüber sprechen mussten. "Ich frage mich manchmal..." Er lehnte im Türrahmen und blickte aus dem Fenster. "...was passiert wäre, hätte ich dir vor Bucky gesagt, dass ich dich toll fand." Ich hatte mich aufgesetzt und mir ein Shirt übergezogen.
"Ich weiß es nicht", meinte ich. "Vielleicht hättest du seinen Platz bei HYDRA eingenommen. Wer weiß das schon?" Ich zog die Knie an den Körper und musterte ihn nachdenklich. Steve hatte sich damals mir gegenüber niemals anmerken lassen, dass er mich gut fand und auch nie versucht zu flirten, weswegen mich dieses Geständnis unvorbereitet traf. "Wusste Bucky es?" Er schüttelte den Kopf.
"Ich wollte es ihm sagen und dann habe ich gesehen, wie er dich angeschaut hat. Er war völlig ausgewechselt. Nach ein paar Wochen habe ich verstanden, dass ihr beide zusammengehört, und am Ende war es gut so. Ich hätte Peggy niemals getroffen."
"Ich bin froh, dass du mein Freund geworden bist, Steve. Ich könnte mir keinen Besseren wünschen", er nickte mir zu.
"Gute Nacht, Lyla", er verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich, während ich mich in das Kissen zurücksinken ließ. Meine Finger drehten den Ring sanft hin und her, während ich in Gedanken verfiel. Mein Körper fühlte sich noch immer ein wenig betäubt und kribbelig an, auf eine gute Art. Es hatte seinen Zweck erfüllt. Zu meiner Schande kam ich nicht darum herum zu vergleichen. So gut mich Steve auch kannte, auf die Art, aus die Bucky mich gekannt hatte, würde er mich nie kennen.
Er war sanft, aber bestimmt, wusste genau, was er tun musste, um mich an den Punkt zu bringen, an dem er mich wollte. Bucky kannte mich beinah besser als ich mich selbst, wenn er bei mir gelegen hatte, dann waren mir Minuten wie Sekunden vorgekommen. Er genoss die Kontrolle ebenso wie diese abzugeben, dabei vertrauten wie einander kompromisslos.
Mit Steve war es lockerer, aber auch weniger intensiv, die meiste Zeit hatte irgendwas einen von uns Beiden zum Lachen gebracht. Wir waren eben Freunde, wir vertrauten und schätzen uns, aber da war nicht die Komponente der Liebe, des Drangs der anderen Person unbedingt nah sein zu wollen. Hätte Bucky es gewagt mich noch mitten in der Nacht so sitzen zu lassen, wäre ich beleidigt gewesen.
Seufzend rollte ich mich auf die Seite und versuchte mir von der leisen Stimme, die, die noch immer daran glaubte, dass er zurückkommen könnte, nicht einreden zu lassen, dass ich ein schlechtes Gewissen haben musste.
Es waren fünf Jahre vergangen und Bucky war tot.

Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück brachen wir zur Basis auf, dabei unterhielten wir uns über die Morgennachrichten, die wir während des Frühstücks hatten laufen lassen. Nach dem Aufstehen hatte ich befürchtet, dass sich etwas zwischen uns verändert haben könnte aber die Stimmung war entspannt und unverändert. Wir waren beide bereit den Vorfall zu akzeptieren aber hatten nicht das Bedürfnis darüber zu sprechen. Ohnehin war alles gesagt. Vor der Basis parkten wir uns stiegen aus.
"Besuchst du Natasha oft?", fragte ich, während ich meine Tasche aus dem Kofferraum holte.
"Wenn ich es schaffe, aber das ist nicht oft. Ich mache mir Sorgen, dass sie nicht loslassen kann", antwortete er.
"Nun, immerhin ähneln wir Drei uns zumindest darin", ich schulterte die Tasche und lief neben ihm die Treppe nach oben. Natasha fanden wir im Konferenzraum. Es schien ihr wirklich nicht gut zu gehen, jedenfalls hatte ich die sonst so taffe Frau noch nie so am Boden gesehen.
"Hey Nat, ich habe dir jemanden mitgebracht", Steve lehnte sich an das Bücherregal und lockte Natashas Aufmerksamkeit auf mich. Sie erhob sich und kam auf mich zu. Vor fünf Jahren hatte sie ihre Haare noch kurz und blond getragen, inzwischen waren sie wieder richtig lang geworden und hatten ihre ursprüngliche rote Farbe wieder angenommen.
"Lyla! Wie lange ist es her?", sie zog mich in eine Umarmung. Ich erwiderte sie und überlegte.
"Die Krönung. Das müsste jetzt fast fünf Jahre her sein", meinte ich und wollte aus der Macht der Gewohnheit heraus den Stirnreif zurechtrücken, eh mir einfiel, dass ich ihn nach dem Duschen in meine Tasche gelegt hatte. "Tut mir leid, dass ich es nicht eher geschafft habe. Wie geht es dir."
"Man hält so durch", sie zuckte mit den Achseln, dabei war es offensichtlich, dass es ihr nicht gut ging, während Steve und ich an dem Tisch Platz nahmen. "Wann bist du angekommen?"
"Gestern. Ich bin die Nacht bei Steve untergekommen", erklärte ich und plötzlich huschte Erkenntnis über Natashas Gesicht.
"Ah ich verstehe", ihre Mundwinkel wanderten wissend nach oben, während sie zwischen uns hin und her sah. Ein Teil von mir wollte sich rechtfertigen und erklären, dass das nicht so war, wie sie dachte. "Hey, ich mache keinen Vorwurf, fünf Jahre sind eine echt lange Zeit."
"Wir sind nur Freunde", erhob der Blonde nun endlich das Wort und ich war ihm dankbar dafür.
"Ich verstehe", meinte Natasha wieder und ich glaubte tatsächlich, dass sie das tat.
"Was tust du hier? Ich meine, es ist ja nicht viel los auf der Welt", wechselte ich das Thema.
"Tja irgendjemand muss ja ein Auge auf das Ganze haben. Wenn die Welt uns doch braucht, dann muss jemand da sein", sie zuckte mit den Achseln.
"Nat...", ich schluckte schwer. "Was ist, wenn die Welt die Avengers nicht mehr braucht?" Meine Stimme war leise, sanft. Ich wollte sie nicht verletzen und schon gar nicht versuchen ihr einzureden, ein neues Leben anzufangen, nicht wo ich selbst noch immer in der Vergangenheit festhing.
"Es ist nur...ich hatte nichts und dann bekam ich die Avengers, diese Aufgabe, diese Familie", erklärte sie leise. "Sie machte mich zu einem besseren Menschen und obwohl so viele Tod sind, bemühe ich mich weiter darum." Ich sah eine Träne über ihrer Wange rollen und bereute meine Worte. Langsam streckte ich meine Hand aus und drückte ihre vorsichtig.
"Ich bleibe ein paar Tage hier, wenn es für dich in Ordnung ist", ich sah sie an. Natasha wischte sich schnell die Träne von der Wange. Ich hatte sie noch nie weinen sehen. Sie wirkte wie die Art von Mensch, die alle Schrecken der Welt bereits gesehen und alle Übel erkannt hatte.
"Natürlich, du bist hier zuhause", antwortete sie und erwiderte den Druck für einen Moment. Ich lächelte, brachte es aber nicht über das Herz ihr zu erklären, dass ich mich seit dem Snap nirgends mehr richtig zuhause fühlte. Ich erhob mich und nahm meine Tasche.
"Ich bin gleich wieder da und dann erzählst du mir, was ich die letzten fünf Jahre verpasst habe", lächelte ich und Natasha nickte. Ich lief den Gang entlang und öffnete keine Zimmertür. Der Raum war noch genauso, wie ich ihn verlassen hatte nur staubiger. Ich warf die Tasche auf mein Bett und zog die Tür im Gang wieder zu. Erst wollte ich direkt zurück zu Steve und Natasha zurück, dann bewegten sich meine Füße allerdings von selbst weiter den Gang entlang. Bevor ich mich zurückhalten konnte, hatte ich eine andere Tür geöffnet. Ein vertrauter Geruch hüllte mich ein und ich merkte, wie meine Hände zu zittern begann. Ich trat weiter in den Raum hinein und ließ meinen Blick über die Möbel wandern, während die Erinnerungen auf mich hereinstürzten und mich in die Knie zwangen. Ich lehnte mich an das Fußende des Bettes und legte den Kopf in den Nacken, bis ich die Matratze an meinem Hinterkopf spürte. Für den Moment schloss ich die Augen und ließ zum ersten Mal seit fünf Jahren all die Gefühle zu, die ich tief in mir begraben hatte. Es nahm mir die Luft und ich glaubte, zu spüren, wie mir das Herz in der Brust zersprang.

»The unbroken girl« // Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt