12. Kapitel

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"Hast du Hunger?", fragte Steve, als ich gerade meine Tasche in das Schlafzimmer räumte.
"Ein bisschen", ich trat in die offene Küche.
"Irgendwelche Vorschläge?", meinte er, während er den Kühlschrank durchsuchte.
"Es ist lange her, aber ich kann mich noch an Richards Lasagne-Rezept erinnern", ich lehnte mich an die Theken.
"Ich bin dabei", er schloss den Kühlschrank und musterte mich für einen Augenblick. "Schreib mir auf was du brauchst, dann laufe ich nochmal schnell zu dem Laden um die Ecke." Er reichte mir Zettel und Stift. Ich machte mich daran die Küche nach den Zutaten abzusuchen und schrieb auf, was fehlte, dann drückte ich Steve den Zettel in die Hand. "Ich bin gleich wieder da. Lass nur meine Wohnung stehen."
"Witzig", entgegnete ich und warf den Stift in seine Richtung, doch er fing ihn einfach aus der Luft, eh er sich seine Jacke griff und die Wohnung verließ. Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und beschloss mich für den Moment ein wenig umzusehen. Der Raum wurde durch ein Regal getrennt, auf der einen Seite war die Küche und ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Im Regal selbst fand ich alle Arten von Büchern aber auch ein paar DVDs, Schallplatten und Bilder. Es waren zumeist Bilder aus unserer Zeit, aus der Zeit der Howling Commandos. Sie erinnerten mich an die Bilder, die in Buckys Hütte gehangen hatten. Nach seinem Verschwinden hatte ich Okoye gebeten die Sachen in meiner ehemaligen Unterkunft unterzubringen, damit sie keinen Schaden erlitten, besonders die uralte Zeichnung. Ich entdeckte aber auch Bilder der Avengers und ein Bild von Peggy Carter. Ich erkannte sie nur, weil sie aussah, wie die Frau in der Illusion. Ich wusste nicht, wie die Asterianerin damals gewusst hatte, wie Peggy aussah, vielleicht hatte sie es auf Buckys Erinnerungen gezogen. Langsam schritt ich um das Regal herum und sah mir den Wohnbereich an. Das Sofa schloss den Bereich visuell ab, ansonsten stand dort noch ein Fernseher und ein kleiner Kaffeetisch. Auf einem Tischchen in der Ecke entdeckte ich den Plattenspieler. Ein warmes Gefühl ergriff mich, das Gefühl von Erinnerungen und dem zarten Schmerz des Abschieds. Ich musste daran denken, wie wir getanzt hatten, bevor er nach Übersee gefahren war, noch bevor es mit meinem Leben endgültig bergab ging. Ich betrachtete die Schallplatte, die auf dem Gerät lag. Der Titel lautete „It's been a long, long time" und bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, setzte ich die Nadel auf das Vinyl. Eine ruhige Melodie erfüllte den Raum und ich machte mich daran die Zutaten vorzubereiten, die ich bereits zur Verfügung hatte. Nach ein paar Minuten hörte ich, wie die Tür aufgeschlossen wurde.
"Hey", ich blickte über meine Schulter und entdeckte Steve, der in der Tür stand. Er wirkte erstarrt oder fasziniert, während er mich betrachtete. Etwas Merkwürdiges lag in seinem Blick und in der Luft zwischen uns.
"Hey, hast du alles bekommen?", fragte ich, um die Stille zu brechen. Es schien ihn aus seiner Starre befreien.
"Ja", nickte er und stellte die Papiertüte auf die Theke, dann verschwand er kurz im Schlafzimmer und kam umgezogen in Jogginghose und T-Shirt zurück. "Kann ich dir behilflich sein?"
"Das restliche Gemüse muss geschnitten werden, ich brate in der Zeit das Fleisch an", nickte ich und Steve nahm meinen Platz am Schneidebrett ein, während ich mich an den Herd stellte. Während des Kochens sprachen wir über leichte Themen oder schwiegen. Es lag noch immer etwas in der Luft, dass ich nicht zu benennen wusste, eine Anspannung, die ich nicht erklären konnte. Sie war nicht unangenehm, ließ mich aber unruhig werden und ich bemerkte nicht nur einmal, wie Steve mich betrachtete. Vielleicht lag es schlichtweg an der Zeit, die wir uns nicht gesehen hatten.
Als das Essen fertig war, deckte ich den Tisch, während Steve eine Weinflasche entkorkte. "Hey, mit Gefühl!" Ich lachte, als ich bemerkte, wie er ein wenig mit dem Korken kämpfte.
"Ich wusste, ich hätte eine Flasche mit Schraubverschluss nehmen sollen", seufzte er. "Aber ich dachte um der guten, alten Zeiten Willen..." Er reichte die Flasche an mich weiter.
"Netter Gedanke, dir fehlt nur die Übung", grinste ich und entfernte den Korken mit einem ploppenden Geräusch.
"Ich kenne mich eher mit Bier aus oder Whiskey", gab er zu.
"Männer", amüsiert schüttelte ich den Kopf und schenkte ein. "Du musst mehr ausgehen, Steve. Wann war dein letztes Date?"
"Ich hatte 1945 eins, aber das habe ich verpasst", meinte er betont nachdenklich. "Ich habe die Welt gerettet und bin dabei im Eis stecken geblieben."
"Natürlich", ich schüttelte den Kopf. "Aber mal im Ernst. Du bist im neuen Jahrhundert nie auf einem Date gewesen?"
"Oh Gott, du hörst dich schon wie Natasha an", er verdrehte die Augen und ließ sich auf seinem Stuhl nieder. „Nein, es hat sich nie etwas ergeben."
"Steve! Was hast du all die Jahre gemacht?", ich sah ihn mit hochgezogen Augenbrauen an.
"Gegen Hydra gekämpft", entgegnete er trocken. "Und gegen einen Haufen anderer Typen. Nicht jeder kann das Glück haben, dass er in dieselbe Zeit stolpert wie die Liebe seines Lebens." Ich merkte, wie mein Blick sich verdunkelte und sich die eiserne Kette, die seit nun mehr als vier Jahren um meine Brust lag, sich schmerzhaft zusammenzog, um mir die Luft zum Atmen zu nehmen.
"Ich würde die Umstände, die ihn hierhergebracht haben, nicht Glück nennen", meinte ich leise und wandte den Blick ab.
"Das...", Steve stockte und räusperte sich. "Es tut mir leid, du weißt, dass ich das nicht gemeint habe." Ich schüttelte den Kopf und trank einen Schluck des Weins, dann seufzte ich.
"Schon gut", meinte ich dann.
"Hast du jemanden getroffen seit dem Snap?", fragte Steve nach.
"Nein und das sicher nicht, weil es an Angeboten mangeln würde. Die meisten asterianischen Adligen glauben, dass ich vorhabe einen Erben zu zeugen und scharen sich um mich", ich schnaubte spöttisch. "Aber ich habe für sowas keine Zeit. Selbst wenn ich die hätte...kaum jemand könnte mich so gut kennen, wie Buck es getan hat." Er nickte und ich blickte aus dem Fenster auf die Stadt, wo nun wenigstens ein paar Lichter brannten. Wir verfielen wieder dem Schweigen und aßen auf, bevor wir zusammen aufräumten. Steve wusch ab, während ich auf der Theke saß und das Geschirr trocknete. Dabei stand er dicht neben mir, da die Küche klein gehalten war. "Ich denke in letzter Zeit viel an die Vergangenheit, versuche mir die schönen Erinnerungen im Kopf zu behalten." Im Hintergrund lief leise Musik, die Steve ausgesucht hatte.
"Zum Beispiel?", fragte er und sah zu mir.
"Wie Evelina und ich versucht haben dich zu coachen dieses Mädchen anzusprechen. Erinnerst du dich? Die süße Blondine, die immer in der Ecke saß und gelesen hat."
"Ich erinnere mich", lachte Steve. "Das war ein paar Monate nachdem Buckys Training in Wisconsin angefangen hatte. Ich habe mich so blamiert."
"Nein, du warst süß, hättest du noch tatsächlich mit ihr gesprochen, statt nur kurz zu stottern und direkt auf dem Absatz kehrt zu machen, wäre da sicher eine Verabredung drin gewesen", schmunzelte ich.
"Ich hatte bei ihr keine Chance", er schüttelte den Kopf. "Weißt du warum?"
"Warum?", ich hob neugierig eine Augenbraue.
"Sie hatte einen Verlobungsring am Finger", mir klappte der Mund auf.
"Wie ist mir das entgangen? Und warum hast du nichts gesagt?", fragte ich fassungslos und Steve schüttelte grinsend den Kopf. Ich musterte ihn lächelnd von der Seite. "Ich würde alles dafür geben, um noch einmal im Ricky's zu sein, mit Eve, die mir von ihren Männergeschichten erzählt und euch Beiden in eurer Nische. Verdammt, ich würde mich sogar von Richard anschreien lassen und es genießen."
"Auch, wenn ich wieder schmächtig wäre?", meinte er amüsiert.
"Dir ist bewusst, dass mich das nie gestört hat, oder?", fragte ich lächelnd, aber ein wenig ernster. "Versteh mich nicht falsch, die sehen natürlich super aus, aber das war nie was dich ausgemacht hat. Du warst schon immer der netteste und aufrichtigste Kerl, den ich kannte." Ich sah auf, als ich seinen musternden Blick spürte. Seine Augen suchten mein Gesicht ab und ich merkte wieder die Spannung zwischen uns. "Was..." Bevor ich realisieren konnte, was gerade geschah hatte Steve sich zu mir gebeugt und seine Lippen auf meine gedrückt. Im ersten Moment war ich völlig erschrocken und versteifte mich unwillkürlich, dann rauschte ein Gefühl durch meine Venen, dass ich lange nicht mehr gespürt hatte. Ich fühlte mich sicher, geborgen, als wäre ich nach einem langen Tag nach Hause gekommen. Zwischen den dunklen Gefühlen, die mir die Luft zum Atmen nahmen, breitete sich eine Wärme aus, die dafür sorgte, dass ich meine Arme um seinen Nacken legte. Als er sich für einen Moment löste schnappte ich nach Luft. "Steve, was...?" Er schüttelte den Kopf, die Hände links und rechts neben mich gestützt. Das warme Gefühl jagte durch meine Adern und vernebelte meinen Verstand.
"Entschuldige, es ist über mich gekommen. Ich hätte nicht...", er wich meinem Blick aus. Noch während er sprach, begann das warme Gefühl abzuebben. „Es ist nur...Gott, Lyla ich war damals so verknallt, weißt du das eigentlich?"
„Nein, ich...huh", wenn ich jetzt zurückdachte, dann erschien mir das logisch. Wie hatte ich das nicht merken können?
„Schon gut, ich wollte auch nicht, dass du es weißt", gab er dann zu. „Diese ganze Unterhaltung über damals hat mich aufgekratzt. Du hast es verdient glücklich zu sein, weiterzuleben."
„Vielleicht", vermutlich hätte Bucky ihm zugestimmt. Ich spürte Steves Blick auf mir. Buck war fort, wem nutzte es, wenn ich für immer trauerte und hoffte. Das hatte ich nur fünf Jahre getan. Eine verdammt lange Zeit. Als ich diesmal Steve küsste, sein Gesicht hielt und zuließ, dass er mich enger an sich zog, hatte das nichts mit Liebe zu tun, aber es erschien mir logisch. Steve war die letzte lebende Person, die mich wirklich kannte, die Lyla von damals und die Jetzige. Ich spürte seine Hände an meiner Hüfte, unter meinem Shirt und ich dachte mir, dass es in Ordnung war. Ich hatte fünf Jahre gewartet, getrauert. Es war in Ordnung mich für eine Nacht nicht einsam zu fühlen, für eine Nacht nach Hause zu kommen.

»The unbroken girl« // Bucky BarnesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt