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In den letzten Jahren hatte ich viel gelernt. Über mich selbst. Über die Menschen die ich liebte. Und über die Menschen die sowohl mich, als auch die Menschen die mir teuer waren, verachteten und ausgrenzen wollten. Als wäre das so einfach. Als könne man eine unliebsame Person einfach aus einem mit Kreide gezogenen Kreis am Fußboden hinaus stoßen und dabei zusehen wie der Stein außerhalb der Mitte sie verschlang und vernichtete.


 Oft hatte ich mir in den letzten Jahren vorgestellt wie ich nur viel Mühe und Kraft investieren musste um meine Lieben vor meinen Feinden zu schützen. Die Verlobung, die Heirat, die Reise, die Krönung...alles Mittel und Wege die ich auf mich genommen hatte. Doch so leicht war es nicht. Denn was geschieht wenn die Grenzen des Kreises ungewiss sind? Wenn nicht klar ist wer Freund und wer Feind ist? Wenn alles was ich je geglaubt hatte eine einzige Farce war? Was wenn ich versuchte  die falsche Person aus dem Kreis zu stoßen? Was wenn die Welt besser daran verdient war, wenn...wenn ich selbst aus dem Kreis gestoßen wurde?

 In diesem Moment als Sehun und ich uns vor den Truppen der Rebellen, wie auch der kleinen Gruppe meiner Freunde, küssten und uns in den Armen hielten, verschwammen die Spuren eines uralten Kreises.

 Dies war nur der Anfang eines großen Endes.

 

 Der Kuss hielt nicht lange und sobald sich Sehuns Lippen von den meinen lösten, zaghaft als wollte er den Moment nicht verstreichen lassen, kehrte die Welt krachend auf uns zurück.

 Ein Mann der hinter Sehun aus der Menge geeilt war, starrte den Blonden und mich fassungslos an. Er wirkte besorgt, mehr noch, er wirkte völlig verängstigt über die Tatsache das Sehun sich so nahe an meiner Seite befand, als würde ich ihm Schaden zu fügen.

 „Was hat das zu bedeuten?", murmelte Onew und wandte sich dann, anstatt Sehun und mir, dem Mann zu, der seinen Blick noch immer nicht von uns los reißen konnte. „Suho? Erklär mir das." Doch der Mann, Suho offenbar, schüttelte nur ratlos den Kopf.

 „Ich verstehe nicht, ich meine...er ist doch nur...woher kennt er den König, ich-?"

 Die nächste Bombe des Tages trat neben Onew. Er blickte mich nicht an, als er sprach, doch seine Worte schmerzten wie Messerstiche. „Ich weiß zwar nicht was er hier zu suchen hat, aber sein Name lautet Sehun. Er ist das uneheliche Kind des ehemaligen Königs und damit König Kais Halbbruder. Meines Wissens nach hat er den Palast vor zwei Jahren, bei der Hochzeit verlassen, danach hat man nichts mehr von ihm gehört."

 Ich machte einen Schritt fort von Sehun während ich gegen die Tränen anblinzelte. „Das warst du nicht wahr? Die Pläne der Palastkonstruktion die an die Rebellen gegangen sind...man hat Sehun beschuldigt sie den Rebellen ausgehändigt zu haben...aber das warst du. Und auch die Ablenkung von Taemin und Kyungsoo, so dass sie nicht zur Zeit der Explosion im Zeremonie Saal waren, das bist auch du gewesen." Ich schüttelte den Kopf. „Ich...war das alles gelogen? Bist du jemals mein Freund gewesen? Key?"

 Der junge Schneider hatte die Zähne fest zusammen gebissen und sein Kiefer wirkte angespannt. Er blickte mich noch immer nicht an, dafür wirkte Onew sehr interessiert, blickte zwischen uns beiden hin und her und hob langsam eine Augenbraue an. „Eine wirklich interessante Entwicklung das Ganze. Wie es scheint haben sich in unsere Mitte, zwei Könige, zwei Magier, zwei Adlige und ein weiterer möglicher Thronfolger, verlaufen." Letzteres galt Sehun und Onew betrachtete ihn mit neugierigem Blick. „Sag mir doch mal, wieso bist du hier? Wolltest du Rache an einem Königreich nehmen das dich niemals als Teil des ihren angesehen hat?"

 Sehun schüttelte langsam den Kopf. „Ich bin hier weil", sein Blick schweifte zu Suho der indes dreinschaute als hätte Sehun ihm versucht Gift ins Getränk unterzumischen. „Weil Suho mir einen Ort geboten hat wo ich leben kann. Schutz vor den Soldaten des Königs die mich um ein Haar zur Strecke gebracht hätten. Ich...ich verdanke Suho mein Leben."

 Onew lachte laut auf. „Und was für ein Leben! Ein halber König! Welche Ironie." Er blickte zwischen Sehun Kai und mir hin und her, dann zu Kyungsoo der noch immer versteinert vor uns stand. „Ja, welch Ironie."

 „Onew." Lóng knurrte den Namen zwischen geschlossenen Zähnen hervor, der Blick dunkel und die Hände zuckend neben seinem Körper. Onew seufzte leise. Doch bevor er etwas sagen konnte, machte ich ein paar große Schritte nach vorne, breitete die Arme aus und bildete eine einzige kleine Wand um meine Freunde zu schützen.   „Warte! Bitte", ich legte alle Verzweiflung die ich nur aufbringen konnte in das eine Wort und blickte Lóng direkt in die Augen. „Bitte Lóng bitte. Ich...ich weiß nun was man dir angetan hat und ich weiß was deine Situation von dir verlangt, aber...es muss noch einen anderen Weg geben, einen der sowohl Tao als auch Kai verschont. Ich bitte dich Lóng. Bitte-"

 „Geh mir aus dem Weg Lu."   Tränen fielen mir auf die Wange. Ich schüttelte den Kopf.

 „Lu, du verstehst das nicht, du hast keine Ahnung was diese Sache hier bedeutet." Er betonte jedes einzelne Wort und kam jedes Mal einen Schritt näher.

 „Ich kann nicht", flüsterte ich als er schon fast vor mir stand. „Ich kann dich das nicht tun lassen, Lóng." Ich schluckte schwer hinunter. „Das ist nicht Kais Schuld...Kris." Der Name brannte mir auf der Zunge, als würde ich auf Feuer kauen.

 Lóng kam vor mir zu stehen und er beugte sich zu mir hinunter. Seine Arme lagen in der Luft hinter meinem Rücken, fast als würde er mich umarmen wollen, doch er berührte mich nicht. Eine meiner Tränen fiel auf seine Schulter und verdampfte unmittelbar nachdem sie sie berührt hatte. Sein Atem kitzelte meine Kehle wie warmer Rauch und der nächste Atemzug füllte meine Lungen mit dem Geruch von verbranntem Holz und heißer Kohle. „Es ist einfacher seinen Weg mit Steinen auszulegen, als überhaupt keinen Weg zu haben.", hauchte er mir ins Ohr. „Ich hatte keinen Weg Lu, ich hatte Nichts. Und dann kamst du." Seine brennende Hand legte sich auf meine Wange. Die Hitze schien sich durch mein Fleisch zu brennen, wie ein heißes Eisen mit dem man Nummern in den Hals eines Pferdes einschweißte. „Es tut mir Leid, aber du bist einer der Steine die ich für meinen Weg opfern muss." Und ich spürte die Hitze die in meinem Rücken aufwallte, wusste seine zweite Hand stand lichterloh in Flammen und wusste er würde sie mir jede Sekunde durch den Rücken rammen. Ich legte den Kopf schief, sah ihm in die schwarzen Augen und sah sie schwimmen in seiner Traurigkeit.

 Ich wäre in diesem Punkt der Geschehnisse gestorben. Glücklich wahrscheinlich, weil ich Sehun noch einmal sehen durfte und weil ich bei dem Versuch einen geliebten Menschen zu schützen, mein Leben gelassen hatte. Doch die Feuerwellen erloschen in der nächsten Sekunde, nur wenige Zentimeter bevor Kris seinen Hass an mir auslassen konnte.

 Wenn Kris also Feuer und unsagbare Hitze darstellte, so war Minseok frostige Kälte. Der ältere Magier, schoss Kris den Feuermagier mit einem einzigen Blick mehrere Meter von mir fort und krallte ihn an den Boden fest. Kris hob die Hände an seine Kehle, als würde er kämpfen gegen unsichtbare Fesseln und er schrie und wandte sich vor Schmerz.

 Minseoks Hand lag kühl auf meinem Rücken und linderte damit die leichten Verbrennungen, die Kris bereits ausgelöst hatte.

 „Tut mir Leid Luhan, so viel Kraft zu konzentrieren hat mich eine Weile gedauert", er lächelte mich müde an. „Bist du in Ordnung?"

 Ich wollte nicken, so dumm das auch klang. Doch die weiteren Geschehnisse wollten mir einen Moment der Erleichterung nicht gönnen.

 Sehun wurde plötzlich von zwei Rebellen gepackt und zu Onew geschliffen. Ich hörte Lay ausrufen das sie ihn sofort los lassen sollten, da kamen die Rebellen der Aufforderung nach und ließen den Blonden vor Onew zu Boden fallen.

 „Bevor das alles hier noch weiter ausartet König Luhan, sollten Sie ihre Magier wohl dazu gebieten sich etwas zurück zu halten" Ein Messer landete an Sehuns Kehle. „Jetzt sofort, am besten." Ein kleines Rinnsal an Blut ergoss sich bereits über die Kehle des Blonden. Onew wollte uns damit eindeutig zu verstehen geben, das wir es uns nicht leisten konnten ihm großartig viel entgegenzusetzen.

 Auch Lay verstand schnell und er trat neben Minseok und packte ihn am Arm, ein flehender Ausdruck in den Augen. „Bitte, er...er wird ihn noch töten."

 Der Konflikt in Minseoks Augen war deutlich, doch schließlich ließ die Magie von Kris dem Feuermagier ab. Er wälzte sich am Boden zur Seite, keuchte und hustete. Sein Mund war blutig als er zu uns aufblickte. Minseok bedachte ihn kühl, dann schoss sein Blick plötzlich in die Höhe. Ich verstand er versuchte die Magie auf Onew umzuleiten, so dass Sehun nicht mehr in Gefahr wäre. Onew lächelte wieder und...plötzlich wurde ich zu Boden geschleudert, ein Schmerz von bisher unbekanntem Ausmaß explodierte in meiner Brust, raubte mir den Atem verschnürte mir die Kehle und hielt sie fest zu gedrückt. Ich wusste nicht was passiert war, doch als der Schmerz nachließ knieten Baekhyun und Kai plötzlich neben meinem Körper. Gleichzeitig sah ich das sowohl Lay als auch Minseok ebenfalls, unweit von mir entfernt auf der Erde lagen, offenbar den gleichen Schmerz verspürend.

 „Was war das?", brachte ich keuchend hervor und hustete in meine Hand hinein. Als ich sie zurückhielt bedeckte Blut meine Handfläche. Wie bei Kris vorhin.

 „Er...er besitzt ebenfalls den Reflectare." Kais Stimme zitterte, als er mir half mich aufzurichten und tatsächlich, Onew stand noch immer unverletzt und munter hinter Sehun, während dieser vor ihm kniete und noch immer ein Messer am Hals hatte. Direkt über der dicken Halsschlagader die wild unter der gefährlichen Klinge pulsierte.

 „Wie ist das nur möglich?", fragte ich und wischte mir mit dem Handrücken über die Lippen. „Wie ist er an den Reflectare gekommen?"

 „W-wieso?", krächzte Minseok im selben Moment und stemmte sich mit zittrigen Unterarmen auf eine sitzende Position hoch. Ihn hatte es offensichtlich am stärksten getroffen.

 „Wieso ich deinen kleinen Trick abwehren konnte?", fragte Onew und tat als würde er kurz überlegen. „Nun, als Magier sollte dir bewusst sein, das der Reflectare ein uralter Zauber ist. Wahrscheinlich sogar älter als du Minseok. Und es wäre ja eine Schande einen so teuren Zauber einfach verschwänden zu lassen, wenn eine Person stirbt. Also hat mein Vater seine Magier angewiesen zu erforschen ob es eine Möglichkeit gibt den Reflectare zu vererben und die gibt es. Kurz vor seinem Tod, angeführt durch den Putsch des ehemaligen Königs, hat er mir seinen Reflectare geschenkt. Ein Erbstück sozusagen."

 Minseok stöhnte leise und stand ächzend wieder auf.

 „Und wie fühlt es sich an von seinem eigenen Fluch getroffen zu werden? Die dutzenden Menschen die du im Verlauf deines Lebens damit zur Strecke gebracht hast...ich wünschte sie könnten diesen Moment jetzt sehen."

 „Das waren nicht mein Kriege", keuchte Minseok und blickte Onew rasend vor Wut, in die Augen.

 „Wohl wahr, du warst ein Werkzeug Minseok, so wie du dein Leben lang nur das praktische Instrument von ein paar machtgierigen alten Säcken warst."

 Kris bewegte sich nicht mehr, er war offensichtlich in Ohnmacht gefallen.

 „Wenn ihr nicht wollt das dem Halbblut hier etwas geschieht dann werden du und der andere Magier tun was ich euch befehle, verstanden?" Minseoks Hände zitterten zwar, doch zu meiner Erleichterung ließ er sie bald schlaff neben seinem Körper hängen und senkte seinen Blick. Er kapitulierte zu Sehuns Wohl. Lay, den die reflektierte Attacke wohl am zweitstärksten getroffen hatte, lag ohnehin bewusstlos am Boden.

 Der Mann neben Onew, so etwas wie seine rechte Hand, schritt daraufhin auf Minseok zu, packte ihn unsanft an den Armen und verdrehte sie ihm auf dem Rücken. Minseok ließ es schweigend über sich ergehen. Sie fesselten ihn und verbanden ihm anschließend, auf Onews Anweisung hin, die Augen. Viel Magie wurde durch die Augen angewendet, erklärte er und so wäre Minseok dies nicht mehr möglich. Anschließend erhielten die Rebellen den Befehl uns restliche gefangen zu nehmen. Als meine Freunde aufschrien, als sie von hinten gepackt wurden, drehte die Welt sich um mich herum plötzlich schneller und ich sackte in Kais Armen Ohnmächtig zusammen, noch bevor ich die Hände der Rebellen auf mir spürte.

 Der erste Gedanke der mir durch den Kopf schoss, als ich die Augen langsam öffnete war von Erleichterung geprägt. 'Ich lebe', dachte ich und atmete tief aus, wobei ein Innerer Schmerz mir meine Erleichterung schnell wieder zu Nichte machte. Ich krümmte mich zur Seite, wo ich mit harter Wärme konfrontiert war.

 „Gott sei Dank du bist wach." Ich blinzelte, blickte auf und hätte am liebsten wieder losgeheult vor Freude. Sehun saß neben mir, während er meinen Körper in einer halben Umarmung auf sich ruhen ließ. Ich versuchte mich aufzurichten und zu orientieren.

 „Wo sind wir hier?" Der Raum war klein und steinern, der Steinboden fühlte sich eiskalt und etwas feucht an, meine Hände und Füße waren gefesselt von kratzenden, dicken Seilsträngen. Das gleiche Schicksal erlitten Sehun und Kai, der gegenüber von mir an der Wand lehnte, das Gesicht zur Seite geneigt. „Bist du okay?", fragte ich ihn besorgt und suchte sein Gesicht nach irgendwelchen Schrammen ab.

 Seine Brust hob und senkte sich bedächtig. „Mir ist nichts passiert."

 „Und Lóng? Mh Kris, meine ich?"

 „In Ohnmacht gefallen", seufzte er. „Das verschiebt meine Hinrichtung für geraume Zeit."

 „Sag das nicht", bat ich und schluckte an dem Kloß in meiner Kehle vorbei. „Wo sind die anderen?"

 Sehun klopfte gegen die Steinwand in unserem Rücken. „In einer anderen Zelle, ihnen geht's gut und sie sind wach. Kyungsoo ist bei ihnen." Er hielt kurz inne. „Nur weiß niemand wohin sie Minseok und Lay verfrachtet haben."

 „Geht's dir gut Luhan?", hörte ich Baekhyuns Stimme aufs Stichwort fragen und ich rief ihm ein 'Ja und euch?' zu. Die Antwort ging im Gebelle des Wachmannes vor der Zelle unter. Grummelnd stand er vor unseren Metallstäben, einen missbilligenden Ausdruck auf dem Gesicht. Er sah nicht wirklich feindselig aus, aber auch nicht übermäßig freundlich. Er rückte die Mütze auf seinem Kopf zurecht und schlurfte zurück zu seinem kleinen Hocker an der Wand.

 „Was machen wir jetzt nur?", flüsterte ich gepresst, Sorge und Angst rissen an mir. Was wenn Kris bald wieder aufwachen würde? Würde man uns dann hinrichten? „Was haben sie mit Lay und Minseok vor?"

 Sehun versteifte sich und ich wusste er machte sich Sorgen um seine Freunde. Ich legte meinen Kopf kurz auf seiner Schulter ab, ein Zeichen des Trosts wie ich hoffte und tatsächlich atmete Sehun tief aus.

 „Wie lange schon?", meldete sich dann Kai zu Wort, seine dunklen Augen direkt auf uns beide gerichtet. Ich versteifte mich, setzte mich gerade auf und spürte wie mein Mund austrocknete.

 „Kai..."

 „Nein. Beantworte einfach meine Frage Luhan."

 „Sprich nicht so mit ihm!", knurrte Sehun aufgeregt, worauf Kai ihm Pfeile durch die Augen sandte.

 „Halt den Mund, du warst nicht gefragt."

 „Oh-oh.", hörte ich Baekhyun hinter der Wand äußern und das fasste ziemlich gut zusammen, was ich gerade empfand.

 Bevor Sehun etwas erwidern konnte, schritt ich schnell dazwischen. „Könntet ihr aufhören? Wir haben wichtigeres zu tun, als-"

 „Als zu besprechen wie du mir Jahrelang das Unschuldslamm vorgegaukelt hast, während du in Wahrheit meinen Halbbruder gevögelt hast?" Kai hob eine Augenbraue an. „Nein, ich denke das hat gerade Priorität." Der Wachmann blickte entgeistert drein, schien jedoch zu gespannt, als das er uns unterbrechen wollte.

 „Hör auf damit, mach es dir nicht so leicht", fuhr ich ihn an.

 „Ach und wie ist es dann gewesen? Erzähl mir nicht ihr hättet zufällig ein spirituelles Band entwickelt zurzeit von Sehuns Abwesenheit." Kais Stimme war nicht mehr als ein Knurren. „Na los, erklär mir, was ich hier nicht verstehe."

 „Ich-" Kai hatte ja Recht, ich hatte ihn gewissermaßen betrogen, wenn man annahm dass wir je zusammen gewesen waren. „Ich liebe Sehun", gab ich schließlich zu und erntete damit ein paar überraschte Blicke Seitens, Kai, Sehun und des Wachmannes.

 „Das habt ihr bereits zur Schau gestellt", stellte Kai trocken fest. Sein Blick schweifte erneut zur Seite.

 „Warte hör mir zu", bat ich und holte tief Luft. „Damals als du mich in der Bibliothek mit Lay und Sehun gesehen hast, habe ich dir gesagt ich hätte mich mit den beiden angefreundet nachdem du keine Zeit mehr für mich hattest." Die Erinnerung drohte erneut Tränen in meine Augen zu jagen. „Das war nicht gelogen Kai. Ich habe Sehun erst kennengelernt als ich bereits in dich verliebt war", ich brach ab. „Als ich dachte ich wäre in dich verliebt gewesen."

 Sehun rutschte ein wenig von mir fort und blickte mich verwirrt an. „Was bedeutet das?"

 Kai starrte mich an, sein Blick flimmerte von mir zur Wand hinter mir. Irgendwo dort war Kyungsoo. Es wurde wohl Zeit das ganze auffliegen zu lassen.

 „Luhan-"

 „Nein, lass mich weiterreden", bat ich Kai und seufzte erschöpft. „Ich bin mehrere Monate bereits im Palast gewesen, da hatte ich nicht wirklich Kontakt zu Kai."

 Sehun nickte. „Ich weiß, ich...ich habe dich in der Bibliothek gesehen, tagein, tagaus."

 „Genau", ich blickte Kai in die Augen. „Kai hatte währenddessen eine Beziehung mit Kyungsoo." Hinter der Mauer keuchte jemand erschrocken auf. „Was?", fragte Sehun überrascht. „Aber als ich damals...da hat Kyungsoo geleugnet und Minseok-..."

 „Nein Kyungsoo trifft keine Schuld, er hat damals nicht gelogen. Man hat mir Kyungsoos Erinnerungen eingeflößt und sie Kyungsoo damit entrissen. Plötzlich war ich derjenige der all die Erinnerungen der vergangenen Monate in sich trug, plötzlich war ich derjenige der in Kai verliebt war."

 „I-ist das wahr?", hörte ich Kyungsoo gebrochen Fragen und ich wusste er wollte keine Antwort von mir hören.

 „Es stimmt", bestätigte Kai, die Augen geschlossen, den Kopf kurz zurück gelehnt.

 „Aber das bedeutet, dass du niemals in Kai verliebt warst, oder?"

 „Nicht direkt", bestätigte ich Sehuns Frage. „Und aus diesem Grund habe ich mich wohl auch in dich verliebt. Kyungsoos Gefühle waren zwar ein Teil von mir, aber ich, unverfälscht und unmanipuliert, war ja auch noch da. Und dieser Teil hat sich für Sehun entschieden."

 Kai zischte. „Dennoch, du hast mich belogen Luhan, du hast mich glauben lassen..."   „Ich weiß", unterbrach ich ihn, suchte seinen Blick und fing ihn auf. „Ich weiß und es tut mir Leid, aber ich war so verwirrt, zuerst dachte ich irgendetwas liefe falsch mit mir, zwei Männer auf die gleiche Art und Weise zu lieben, ergab keinen Sinn für mich und als Sehun mich bat mich zu entscheiden, habe ich mich für dich entschieden Kai. Für dich und das Volk. Als ich Sehun also schon verloren hatte, hast du mir von Kyungsoo erzählt und was man uns angetan hat und ich konnte es nicht glauben. Du hast die Verlobung von Anfang an mit Füßen getreten dachte ich und ich war eifersüchtig, weil ich noch immer in dich verliebt war und Sehun war fort und-" Ich schüttelte den Kopf. „Es tut mir Leid Kai, ich hätte dir davon erzählen sollen, aber ich konnte nicht." Ich blickte auf meine gefesselten Hände hinab. „Ich hatte Sehun bereits verloren. Und ich wollte dich nicht auch noch verlieren."

 Danach herrschte für eine Weile Schweigen, bis Kai seufzte und den Kopf gegen die Wand zurückfahren ließ. „Selbst wenn ich wollte, kann ich dir nicht wirklich böse sein. Dafür ist zu viel passiert, wir haben zu viel getan, es ist einfach zu viel geschehen." Sein Blick verhärtete sich, während er zu Sehun wanderte. „Nicht das das gleiche für dich gelten würde. Hast du es genossen? Mich zum Narren zu halten und mir auch Luhan fort zu nehmen?"

 „Ich habe dir nie etwas gestohlen Kai", erwiderte Sehun ruhig, aber mit einer deutlichen Schärfe in seiner Stimme.

 „Ich bitte dich", lachte Kai trocken auf. „Du bist mir schon immer in die Quere geraten."

 „Wo und wann zum Teufel? Ich bin NIE da gewesen, ich habe mich dir NIE entgegen gestellt! Wenn du es nicht bemerk hast, ich war ein verstoßener Gast in diesem Gottverdammten Palast!"

 „Verstoßener Gast?" Ich mischte mich in ihren Streit am besten nicht ein, wurde wohl mal Zeit das die beiden Halbbrüder das ausdiskutierten. „Du hast doch gar keine Ahnung was für ein Glück du hattest!"

 „Glück?! Sag mal bist du auf den Kopf gefallen Kai? Wenn du es nicht bemerk hast, ich war derjenige der in einer kleinen Kammer in einem verlassenen Flügel des Palastes gelebt hat, allein, ohne Saus und Prauss, ohne Prunk und Diener! Du hast keine Ahnung wie-"

 „Nein Sehun, du verstehst nicht! Als du damals in mein Leben getaucht bist, hättest du Verantwortung dafür übernehmen sollen!"

 „Was?", fragte Sehun überrumpelt.

 „Du hast nie verstanden das, indem man dich ausgestoßen hat, man dich eigentlich verschonte! Während du ein einsames aber gutes Kinderleben führen konntest, wurde ich von einer Lektion zur nächsten gescheucht, während du mit deinem kleinen Magier Freund gespielt hast, wurde mir richtiges Verhalten und Etikette eingeprägt. Die Gepflogenheiten des Adels und die Ansprüche an einen König." Ich verstand was Kai so in Wut versetzte, ich selbst wusste genau wie eine solche Kindheit aussah und von welcher Bitterkeit sie begleitet wurde. „Und denk ja nicht du wurdest jemals tatsächlich verstoßen. Vater hat dich unsagbar geliebt du Vollidiot. Er hat deine Mutter bis zu ihrem Tod bei uns gepflegt, er lag an ihrem Totenbett, aufgelöst und zerrüttet als sie von ihm gegangen ist." Er atmete zittrig ein. „Er ist jeden verdammten Abend in dein Zimmer geschlichen um nach dir zu sehen, er beauftragte Lays Eltern sich um dich und deine intellektuelle Entwicklung zu kümmern. Er hat Wachen positioniert, die dich schützen sollten. Er. War. Immer. Da. Weil du sein Lieblings Kind warst, weil du alles warst was ich nie sein konnte."

 Sehun starrte Kai fassungslos an. Kein Wort kam ihm über die Lippen.

 „Es war nicht unbegründet als meine Mutter, sich anfing Sorgen um mich zu machen. Immer öfter habe ich es in den Augen meines Vaters gesehen, die Abneigung die er für mich und sie empfunden hat, die Idee mich einfach verschwinden zu lassen und dich anzuerkennen. Es ist dir zu verdanken das ich den Reflectare auferlegt bekam und plötzlich in Angst und Schrecken leben musste." Kai schüttelte den Kopf und lachte freudlos auf. „Aber er hat mich verschont und weißt du warum? Nicht weil er mich als seinen Sohn liebte, sondern weil er DICH zu sehr geliebt hat um dich den Strapazen des Thrones auszuliefern! Er hat mich geopfert, obwohl er immer nur DICH an meiner Stelle sehen wollte. Du an seiner Seite, du als anerkannter Sohn, du als Herrscher. Du hast keinen Grund dich für irgendetwas zu beschweren Sehun... Er hat mir alles genommen, er hat nicht gezögert Magie an seinem eigenen Sohn zu verwenden und als dies nicht funktioniert hat, benutzte er Kyungsoo um mich fügig zu machen. Er-" Kai brach an dieser Stelle ab, schloss die Augen und atmete tief ein und aus.

 „Er...er ist niemals ein Vater für mich gewesen", flüsterte Sehun.

 „Und das war der Preis den er zu deinem Wohl gezahlt hat", antwortete Kai. „Denn sein Sohn zu sein ist gewiss kein schönes Los. Er muss mich ziemlich gehasst haben um mir das alles aufzuerlegen. Ein König muss seine Kinder wohl immer hassen um ihnen dieses Schicksal aufzubürden."

 Ich dachte an meine Eltern, die ihren Sohn verkauft hatten für den ‚Frieden', wie sie es begründeten und zum Wohle der ‚allgemeinen Sicherheit'. Ich dachte an Onews und Taemins Eltern die ihre Kinder im Zuge ihres Unterganges völlig verloren hatten. Wobei eines dieser Kinder der Versklavung erlegen ist, während das andere ein Leben in den Schatten führen musste. Die Auswirkungen dieses ganzen Gewebes aus Intrigen und Machtverhältnissen hatten wir nun vor uns.

 „Kai", begann Sehun. „Ich...es tut mir leid, ich wusste nicht..."

 „Glaub mir Sehun, ich hasse dich nicht, ich habe es nie getan, ich...ich war anfangs sehr eifersüchtig auf dich, weil ich dachte, dass wenn du nicht wärst, alles sich zum anderen wenden könnte, das Vater mich dann vielleicht mit anderen Augen sehen würde....Doch die Jahre haben mir verständlich gemacht das diese Chance nicht besteht. Er würde mich nicht lieben, selbst wenn du fort wärst, ansonsten hätte er mir dieses Schicksal niemals auferlegt."

 Und leider hatte Kai Recht.

 „Das alles hier", er machte eine Armbewegung die den gesamten Raum mit einschloss, aber er meinte so viel mehr. „Das müsste meiner Meinung nach gar nicht geschehen, ich bin nicht versessen darauf König zu sein, vor allem nicht, da ich weiß das meine Herrschaft nur noch mehr Chaos über dieses Land bringen wird."

 Ich sah die Linien des Kreises verschwimmen und sich von selbst neu ziehen, plötzlich stand ich nicht mehr in seiner Mitte, sondern außerhalb. „Wir sind die Feinde des Volkes, nicht die Rebellen", flüsterte ich. „Es ist unsere Schuld, das es Sklaven gibt, die Schere zwischen Arm und Reich, all das Leid..." Ich schloss die Augen. „Der einzige Weg daraus ist unser Tod." Kai schwieg doch seine Augen schrien mir ihre Bestätigung zu.

 Der Wachmann, der die ganze Zeit über still gewesen war, schüttelte den Kopf. „Was für ein Leben", murmelte er, während er aufstand und seine Glieder streckte. „Und ich dachte mein Leben wäre verkorkst." Im selben Moment, ertönte ein heller, fast hohler Klang und der Wachmann stürzte zu Boden, erschrocken zuckten wir zusammen, als der Mann bei seinem Sturz Staub aufwirbelte.

 „Ich hoffe dem geht's gut", murmelte ein Mann mit aschblonden Haaren und stieg über den Wachmann hinweg.

 „Suho", rief Sehun erschrocken aus. „Was machst du hier?"

 „Wonach sieht's aus?", fragte der ältere Mann erschöpft.

 Sehun schüttelte fassungslos den Kopf. „Aber wieso Suho?"

 „Weil ich dich nicht einfach hängen lassen kann, aber zuvor", er lehnte sich gegen die Metallstäbe. „Will ich dass du alle Lügen aufdeckst. Das 'wer bin ich wirklich' kannst du übrigens weg lassen, ich stand schon eine ganze Weile in Stellung und habe mitgehört was ihr beredet habt."

 Sehun nickte. „Als du mich gefunden hast Suho, war ich gerade Mal einen Monat lang auf mich alleine gestellt, dann haben mich die Palastwachen aufgespürt. Sie haben die kleine Hütte in der ich untergekommen bin gestürmt und mich auf die Straße gezogen. Man wollte mich dort, an Ort und Stelle exekutieren." Ich schluckte nervös. „Das ist der Moment in dem du aufgetaucht bist. Völlig unerwartet, will ich sagen. Ich hatte mit meinem Leben bereits abgeschlossen, als du plötzlich aufgetaucht bist. Du hast diese eigenartige Rauchbombe los gelassen und mich in dem Chaos dort rausgeholt. Ich konnte mein Glück kaum fassen."

 Suho nickte. „Das ist also alles wahr gewesen, du bist kein Spion des Königs."

 „Ganz bestimmt nicht", lachte Sehun.

 „Und weiter?"

 „Als du mich gefragt hast, was ich getan hatte um die Wachen so wütend zu machen, habe ich geantwortet, ich hätte einen von ihnen bestohlen. Das war gelogen. Ich habe niemals gestohlen."

 „Das hätte ich mir denken können, du warst damals wirklich untalentiert."

 „Auf jeden Fall", umging Sehun den Kommentar seines Freundes gekonnt. „Hast du mir angeboten, dich zu begleiten und es gab ohnehin keinen Ort an den ich gehen könnte, also habe ich mich dir angeschlossen. Als wir bei den Rebellen ankamen, wusste ich nicht wirklich was diese vorhatten, nur das ich hier eindeutig sicher vor den Palastwachen war. Ich habe dir nie gesagt wer ich wirklich bin, weil ich befürchtete du würdest mich dann verstoßen. Ich habe die Wut auf die Königsfamilie hier deutlich gespürt und wollte mich ihr nicht ausliefern."

 „Nicht dumm von dir", gab Suho zu und seufzte dann. „Kann ich mich auf dich verlassen?"

 „Suho wir sind Freunde. Du bist seit zwei Jahren meine Familie."

 „Ich wusste du würdest mich eines Tages umbringen." Und damit fischte er die Schlüssel aus den Hosentaschen der bewusstlosen Wache und öffnete die Metalltüren. „Oh Mann ich bin sowasvon Tod", murmelte Suho immer wieder vor sich her, während er sich auch an den Fesseln um unsere Hände und Füße kümmerte.

 „Danke", sagte ich mit vor Ehrlichkeit triefender Stimme. Suho blickte mir für einen Moment in die Augen, dann wandte er sich zu Sehun um der sich die schmerzen Handgelenke rieb.

 „Ich nehme an das ist 'die Person' von der du mir die letzten zwei Jahre erzählt hast?" Sehun lief rot an. „Und ich dachte immer er übertreibt, aber es ist der König! Was für eine Untertreibung der Tatsachen", murmelte er. Sehun half Kai aus seinen Fesseln, danach öffneten wir auch die andere Zelle. Kai kümmerte sich um Kyungsoo, ich mich um Baekhyun, Sehun um Chanyeol und Suho um Chen.

 „Danke", sagte ich noch einmal aber Suho schüttelte den Kopf.

 „Ich mache das für Sehun und außerdem sind wir noch nicht weg von hier. Der schwierige Teil kommt erst jetzt."

 „Wo sind Lay und Minseok?", fragte Chen.

 Suho biss sich auf die Unterlippe. „Die beiden wurden in zwei separate Zellen gebracht, man versucht sie gerade ihres Schwures zu entledigen."

 „Was?"

 „Was dachtet ihr denn warum ihr noch hier seid. Man versucht Lay und Minseok von ihrem Treueeid zu lösen, damit sie sich den Rebellen anschließen."

 „Das wird nie geschehen!", platzte Chanyeol heraus und Suho zuckte die Achseln.

 „Magier werden behandelt wie Gegenstände. Wenn sie den Besitzer wechseln, müssen sie nun mal als Gegenstand einer neuen Person fungieren."

 „Das ist unmenschlich!"

 „Wurde es im Palast etwa anders gehandhabt?"

 „Nein", mischte ich mich ein. Die Zeremonie der Magier, hatte mir dies bewiesen.

 „Man hat bisher versucht sie irgendwie dazu zu bewegen den Eid einfach abzuschwören, doch das bringt alles meiner Meinung nach, nichts, also wird man bald nach Kai und Luhan rufen um es mit ihnen zu versuchen. Sie wollen die Magier unbedingt auf ihrer Seite."

 „Verständlich", murmelte Kai. „Mit drei Magiern ist dieser Krieg einfacher zu gewinnen. Vor allem mit Minseok."

 Suho wurde ruhig und studierte Kai von oben bis unten gründlich, als würde er etwas suchen. „Unsere Geheimwaffe liegt in Ihnen Kai."

 „Tao."

 „Ganz genau. Als Kris wie aus dem Nichts kurz bevor Sehun und ich hier auftauchten, aufgekreuzt ist, hat sich dieser Plan entworfen und er sieht vor Kai zu töten um Tao auferstehen zu lassen. Mit seiner und Kris Hilfe wird die alte Ordnung dann zu Nichte gemacht."

 „Moment", bat ich Suho und blickte ihm forsch ins Gesicht. „Wieso hilfst du uns? Du hättest auch einfach Sehun befreien können und ihn fliehen lassen."

 „Als ob er sich einfach gefügt hätte", schnaubte er. „Aber ja, als ich mich hierher geschlichen hatte, war das noch der Plan. Ich wollte Sehun retten, selbst wenn ich dafür Gewalt anwenden müsste. Doch dann habe ich gehört was ihr gesagt habt und...ich habe mir immer gewünscht das alte System zu zerbrechen damit sich alles endlich verändern kann, ich dachte immer das könnten nur die Rebellen schaffen, aber vielleicht wäre es gar nicht so abwegig wenn ihr auf dem Thron bleibt. Ihr scheint gut zu sein. Anders als eure Eltern." Ich war sprachlos, dieser Suho schien ein ziemlich anständiger Kerl zu sein. „Okay genug geredet, wenn wir nicht bald verschwinden, hat sich die ganze Aktion hier nicht gelohnt."

 „Bringst du uns zu Lay und Minseok?"

 „Das wird gefährlich", murmelte Suho und wirkte nicht sonderlich glücklich.

 „Wir können nicht ohne die beiden fliehen."

 Schließlich gab sich Suho auf Chens Kommentar hin geschlagen. „Na schön. Wartet hier nur einen Augenblick." Suho verschwand durch die Türe nach draußen. Die Sonne war bereits untergegangen und das Lager der Rebellen lag relativ still da.

 „Eine Nacht und Nebel Aktion also."

 Es dauerte etwa fünf Minuten bis Suho wieder zu uns schloss, ein Bündel Kleidung unter dem Arm und unter seinem Mantel versteckt. Er hatte kalten Schweiß auf der Stirn und wirkte an sich sehr aufgeregt.

 „Alles in Ordnung? Wurdest du gesehen?"

 „Nein, ich...ich konnte mich gerade noch so hinter einem der Zelte verstecken."

 Wir ließen simultan einen Seufzer der Erleichterung entweichen, dann verteilte Suho die Mäntel. Schwarz um uns mit der Dunkelheit verschmelzen zu lassen.

 „Wird Onew bei den Magiern sein?", fragte Kai gepresst, doch Suho schüttelte den Kopf. „Er war bereits den Großteil der Nacht mit ihnen beschäftigt, er kümmert sich jetzt um Kris und wird sich im Morgengrauen dann euch zu wenden, damit ihr die Magier enteidigen könnt. So sah der Plan aus."

 „Ich mag es, dass du im Präteritum sprichst."

 Suho schüttelte den Kopf. „Wenn du nur wüsstest wie ich mir unser Futur vorstelle."

 „Lasst uns gehen", unterbrach Chen und bedeutete Suho und Sehun vorauszugehen. Immerhin waren beide mit dem Versteck der Rebellen vertraut.

 Wie erwartet war es noch dunkel, doch an den Eingängen zu den Zelten aus dickem Segeltuchstoff, die überall herum standen, waren Fackeln aufgestellt, die Licht und Wärme spendeten.

 „Am besten wir laufen immer hinter den Zelten herum, damit wir keine Schatten werfen", wies Suho an und gab dann das Kommando zur völligen Ruhe. So leise und vorsichtig wie nur möglich schlichen wir also durch das Lager unserer Feinde, wobei wir mehr als einmal plötzlich alle zu Boden stürzten um ein paar patrouillierenden Rebellen aus dem Blickwinkel zu entschwinden. Uns und die kleinen Hütten in die Lay und Minseok  gesteckt wurden, trennten nur etwa hundert Meter, doch wir brauchten eine gefühlte Ewigkeit um die Strecke zu bewältigen. Am Horizont wurde der schwarze Himmel bereits von einem dunklen blau ersetzt und die Sterne funkelten nicht mehr so stark wie zuvor noch. Uns blieb nicht mehr viel Zeit übrig. Einen Fluchtversuch zu wagen, wenn die Sonne bereits aufgegangen war, wäre reiner Selbstmord.

 Erleichtert atmete Suho ein, als wir endlich hinter den Holzhütten standen. Er zog eine Metallstange aus einer seiner Gürtelschleifen. Es war dasselbe Teil mit dem er die Wache in unserer Zelle bereits außer Gefecht gesetzt hatte. „Es werden mindestens drei Leute da drinnen sein. Der jüngere Magier wird schwächer bewacht als der andere. Ich werde zuerst rein gehen, wenn genug Verwirrung gestiftete wurde, kommt ihr nach." Suho überreichte Sehun und Chanyeol ebenfalls eine Metallstange. Mehr hatte er nicht dabei. „Okay?"

 Wir nickten zum Zeichen das wir verstanden hatten. Suho steckte seine Metallstange wieder ein, umrundete das Haus, nun mit aufrechtem und selbstbewusstem Gang und klopfte an die Türe bevor er eintrat.

 „Was machst du hier Suho?", hörte ich eine Männerstimme verwirrt fragen.

 „Dich ablösen, Onew meinte einer von euch sollte sich noch einmal hinlegen."

 „Darüber hat er uns nicht informiert", meinte eine zweite Stimme recht zögerlich.

 „Muss es vergessen haben, er war die ganze Nacht auf um sich um den anderen Magier zu kümmern."

 „Na gut", meinte die erste Stimme dann und klang ein wenig erleichtert. „Ich komm später noch mal und löse jemand anderes ab."

 „Geht klar", antwortete Stimme zwei und letztlich auch die dritte Wache die man noch nicht gehört hatte.

 „Übrigens Suho, das mit Sehun tut mir Leid, ihr wart euch ziemlich nahe, nicht wahr?"

 „Ging", log Suho. „Ah übrigens, mir tut es auch leid." Im selben Moment stürmten Sehun und Chanyeol an der Hauswand entlang, bevor sie die durch die Türe rasten.

 „Was?", konnte der eine Rebell noch fragen, dann hörte man einen dumpfen Schlag, wieder diesen hellen Ton und zu Boden krachende Körper. Als alles wieder still lag, gingen auch wir anderen in das Innere der Holzhütte.

 Suho kauerte über den zwei bewusstlosen Wachen, ein reumütiges Gesicht aufgesetzt. Er seufzte, hob eine Decke aus der Ecke des Raumes auf und bettete das Teil unter die Köpfe der Männer. „Tut mir leid", wiederholte er noch einmal, dann wandte er sich Lay zu, an dessen unendlichen Fesseln gerade Sehun kämpfte. Bald war Lay seine Augenbinde los und sobald er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, hörte ich den Magier aufschluchzen. Alles gedämpft durch das Leintuch das er um den Mund gebunden bekommen hatte.

 „Oh, sorry", entschuldigte sich Sehun und ließ kurz wieder von den Knoten um Lays Körper ab um Lay seine Mundbinde zu entfernen. Lay verschluckte sich an einem erneuten Schluchzer. „Ganz ruhig, wir haben das gleich, okay? Keine Sorge Kumpel gleich ist alles weg."

 Doch Sehun musste sich an gar nichts mehr zu schaffen machen, denn plötzlich sprangen die Seile einfach von Lay fort, als wären sie explodiert. Der Magier erhob sich von seinem Stuhl warf sich auf Sehun und schlang seine Arme um ihn.

 „Du bist einfach gegangen", flüsterte er in die Umarmung hinein. „Du hast mir nichts gesagt. Wieso bist du einfach gegangen du Idiot?"

 Sehun erwiderte die Umarmung mit festem Griff und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Das ging nicht, ich wollte nicht, dass du dich so in Gefahr begibst und außerdem musstest du bleiben und dein Versprechen erfüllen."

 „Du Mistkerl", schluchzte Lay. Trat einen Schritt zurück und wischte sich unter die Augen. „Da wächst man zusammen auf und das ist der Dank", er zeigte mit dem Finger auf mich. „Siehst du? Noch in einem Stück. Versprechen gehalten."

 „Ja das sehe ich", lächelte Sehun, packte Lay noch einmal und drückte ihn. Dann wurde Lay in neue Arme gereicht. Überrascht beobachtete ich wie Chen nach dem Magier griff und ihm leise ins Ohr flüsterte während sie einander hielten. Eventuell hatte ich da ein kleines Detail übersehen. Sehun unterdessen blickte mich mit erhobener Augenbraue an, ich zuckte ratlos die Achseln.

 „Bist du...also in Ordnung oder so? Kannst du...mh...zaubern?", fragte Suho unsicher und betrachtete Lay.

 „Klar", dieser hob den Daumen an. „Ich hab es bisher nur nicht getan weil ich das Leben ein paar gewisser Personen nicht aufs Spiel setzen wollte."

 „Das ist...gut? Das heißt also du kannst uns helfen den anderen Magier zu retten?"

 „Klar, ich muss nur nah genug heran kommen."

 Und das war eine sehr positive Nachricht in unseren Ohren.

 Anstellte von Suho, marschierte von Anfang an Lay in die Hütte in der Minseok gefangen gehalten wurde. „Wer zum Teufel...?", begann eine der Wache, in der nächsten Sekunde, hörte man jedoch wie mehrere Menschen zu Boden fielen.

 „S-sind sie Tod?", fragte Suho erschrocken, als wir kurz darauf die Hütte betraten.

 „Nein", antwortete Lay. „Sind plötzlich ganz schrecklich müde geworden und hauen sich nur für eine Weile aufs Ohr."

 „Gut zu wissen", murmelte Suho. Wir anderen lösten Minseok von seiner Augenbinde, den Hand- und Fußfesseln und den Millionen anderen Fesseln in die man ihn verpackt hatte. Er sah fast aus wie ein Geschenk das man in Seile verpackt hatte.

 „Alles in Ordnung?", fragte ich Minseok und er nickte müde.

 „Ausgelaugt", antwortet er.

 „Was hat man mit dir gemacht?"

 „Na ja, nur versucht mir einen uralten Eid auszureden, beziehungsweise auszuschlagen. Das ganze selbstheilen hat seinen Tribut verlangt."

 „Tut mir leid", murmelte ich, plötzlich sehr schuldig.

 „Schon Okay, nicht du warst es der mir vor hunderten Jahren den Kopf verdreht hat damit ich ab dann als Sklave der Könige fungiere."

 Ich zuckte zusammen. „Sorry", ich konnte mir eine erneute Entschuldigung echt nicht verkneifen.

 „Lasst uns weg von hier", schlug Minseok vor, anstatt weiter auf mich einzugehen.

 „Kannst du laufen?", fragte Lay besorgt.

 „Klar, ich kann bald auch wieder zaubern, gebt mir nur ein kleines Weilchen."

 Die Zeit konnten wir ihm geben, nur müsste er sie im Laufen beanspruchen. Es war deutlich heller, als wir aus der Hütte hinaustraten und das jagte mir gehörige Angst ein.

 „Schnell! Hier entlang!", zischte Suho und bedeutete uns ihm zu folgen. In gebeugter Haltung schlichen wir um das Lager herum, bis wir den Wald erreichten.

 „Ohne Pferde werden wir nicht weit kommen", flüsterte Baekhyun und ich musste ihm Recht geben.

 „Doch, wenn wir nur genug Abstand zwischen uns und ihnen bringen können, bevor sie unser Verschwinden bemerken, dann können Lay und ich einen Schild errichten bis wir ins nächste Dorf kommen. Dort wird es Pferde geben und-..."

 Feuer schoss in den Himmel empor, gefolgt von einem Schrei der mir ins Mark ging. „Zu spät", flüsterte Kai. „Er hat unser Verschwinden bemerkt."

 „Verflucht! Lauft!", schrie Suho, nun nicht mehr darauf bedacht still zu sein. Und wir kamen der Aufforderung nach. Wir liefen in den Wald hinein, versuchten so weit weg zu kommen, wie nur irgendwie möglich.

 Weit hinten hörten wir Rufe. Stimmen die Truppen mobilisierten und aussandten, um uns zu suchen.

 Immer mehr Feuer wurde indes in den Himmel gesandt, und Funken rieselten auf die Erde hinab wie kleine Schneeflocken.

 „Er sucht nach uns", keuchte Minseok. „Weicht den Funken aus!"

 Leider war das leichter gesagt als getan, denn plötzlich waren sie überall, landeten in der Erde neben unseren Füßen, wo sie erloschen, manchmal jedoch, weiter brannten.

 „Verdammt, er hat uns", rief Minseok. Kurz darauf hörte ich Chen unterdrückt aufschreien, als ein Funke durch sein Hemd brannte. Er strich ihn hektisch fort.

 Vor uns lichtete sich der Wald, wir liefen noch etwas schneller und landeten plötzlich auf einer Lichtung. Die Sonne ging hinter den Bergen vor uns bereits auf. Sie tauchte alles in ein sattes Orange. Ich blickte zurück und war an die Künstler erinnert die die Hölle gerne auf diese Art darstellten. Orange-Rotes Licht und Feuerbälle die vom Himmel rieselten. In der nächsten Sekunde bebte die Erde unter unseren Füßen, ich taumelte und fiel auf die Knie, hielt mich an den Grashalmen fest.

 „Was ist das?", fragte Chanyeol erschrocken.

 „Der Feuermagier!", rief Lay und ich hörte den Schock in seiner Stimme. Er schien mächtiger zu sein, als Lay angenommen hatte.

 „Luhan!" Ich blickte zur Seite, wo Sehun auf mich zu lief. Er streckte mir die Hand entgegen und ich ergriff sie. Er zog mich zurück auf die Beine und zusammen taumelten wir zu den anderen, während die Erde noch immer bebte als würde Kris persönlich sie durchschütteln.

 Mit einem endgültigen Erzittern der Erde, beruhigte sich alles wieder. „Ist es vorbei?", wagte ich zu fragen, doch leider hatte es erst angefangen. Aus dem Wald marschierte plötzlich eine einsame Gestalt heraus. Die brennenden Hände zu Fäusten geballt, den Kopf gesenkt.

 „Ach du meine Güte", murmelte Lay und seine Unterlippe zitterte als ich zu ihm herüber sah. „S-seine Aura sie ist...ich meine ich habe so etwas noch nie gesehen, sie...sie ist nicht bloß schwarz, sie ist-"

 Kris explodierte lichterloh und Feuer flog in alle Richtungen.

 „Er hat völlig die Kontrolle verloren!", keuchte Minseok, selbst ein wenig geblendet von all der Macht. „Er wird sich in seinem Wahn noch selbst zerstören!"

 „Lóng!", rief ich ihm zu, ich machte ein paar wackelige Schritte ihm entgegen, doch Sehun hielt mich zurück. „Warte Sehun, er-..."  Kris Augen richteten sich auf mich. Er schien mich nicht zu erkennen. Vielleicht wollte er mich auch einfach nicht erkennen.

 Feuer löste sich von seinen Händen, ohne das er sie angehoben hätte. Ich spürte wie Sehun sich vor mich stellte, wie er meinen Kopf von seinen Armen umschlang.

 „Sehun!", schrie Lay in völligem Schock, doch der Angriff setzte aus. Sowohl Sehun als auch ich blickten einander überrascht an, dann löste Sehun seinen Griff um mich und drehte sich um. Vor uns hatte sich Kai aufgebaut, seine Brust hob und senkte sich im Zuge des Adrenalinstoßes.

 „Kai, oh Gott. Geht es dir gut?"

 „Keine Sorge", antwortete Kai zittrig. „So ein Bisschen Magie wird mich schon nicht umhauen.

 Blind vor Wut feuerte Kris weitere Feuerbälle auf Kai ab, doch sie flogen allesamt zurück. Frustriert knurrte der Feuermagier, dann lies er seine Hände sinken und kam auf uns zu, entschlossen die Sache mit seinen eigenen Händen zu erledigen wie es schien. Minseok stellte sich ihm in den Weg, Lay kam dazu.

 „Keinen Schritt weiter!"

 Doch Kris hörte nicht, sein Blick war starr auf Kai gerichtet und ich wusste er hatte nur das Bild von Tao vor seinen Augen. Nur Tao.  

 „Wir müssen ihn doch irgendwie stoppen, es muss doch eine Möglichkeit-..." Ich brach ab als Minseok den Kopf zur Seite neigte, um mir in die Augen sehen zu können. Er schien mein innerstes abzusuchen, dann senkten sich die dunkelbraunen Augen leicht zu Boden. Als er mich wieder ansah war ein Entschluss gefallen dessen Einverständnis Minseok gesucht, jedoch niemals gefunden hatte. Er blickte fort, trat Kris entgegen und baute sich in seiner gesamten machtvollen Statur vor ihm auf.   „Bleib stehen", sprach er ruhig und Kris stockte kurz, ging dann jedoch weiter. „Hast du mich nicht gehört? Ich sagte DU SOLLST STEHEN BLEIBEN!" Und Kris schrie auf als scharfer Wind ihm ins Gesicht peitschte. Er taumelte und fiel zu Boden. „Bringt euch in Sicherheit", wandte Minseok an uns. Seine Stimme klang fremd und kühl und ich spürte Angst die sich wie kalter Tau auf meiner Haut ausbreitete. Minseoks Macht flimmerte in der Luft und drückte uns weg von sich.

 „In Ordnung dann-..."

 „Zu spät", fiel Chanyeol Kai ins Wort. Er hob einen Arm um mit zitterndem Zeigefinger in den Wald zu zeigen. Die Schatten, die die Bäume warfen, schienen sich zu bewegen, dann hörte ich plötzlich Geräusche wie von dutzenden dumpfen Schlägen die über den Waldboden hämmerten. Als ein Pferd wieherte, verstand ich, dass es das Galoppieren von Reittieren sein musste und in der nächsten Sekunde kamen die ersten Rebellen in unser Sichtfeld. An ihrer Spitze galoppierte Onew.

 „Verflucht!" unsere Gruppe machte auf dem Absatz kehrt und rannte die Lichtung entlang. Sie stieg leicht an, doch ich beachtete unseren Weg gar nicht, ich sah nur auf meine Füße hinunter und betete sie mögen mich nun nicht im Stich lassen. Das Geräusch der sich nahenden Pferde, kam immer näher und ich wusste wir würden es nicht rechtzeitig in Sicherheit schaffen. Vor allem da es so etwas wie Sicherheit noch nicht einmal zu geben schien.

 „Luhan, Kyungsoo duckt euch!" Ein magischer Windstoß brachte Kyungsoo, der neben mir gelaufen war, und mich zum Fall. Ich landete im feuchten Gras und blinzelte gegen das Schwindelgefühl an. Beim Aufprall wurde mein ramponiertes Inneres ordentlich durchgerüttelt und ich tastete mit den Fingern an meinen Bauch. Gleichzeitig schossen Pfeile über meinen Kopf hinweg – Rettung in aller letzter Sekunde.

 „Lay!", riefen Sehun und Kai gleichzeitig aus.  

 „Schon zur Stelle", antwortete der Magier und dieses Mal konnte ich den Schild spüren den der Magier um uns warf. Ich versuchte wieder hoch zu kommen, nun sicher das mir nichts mehr geschehen konnte, doch ein Hustenanfall hielt mich an Ort und Stelle. Minseoks reflektierte Attacke hatte offensichtlich mehr Schaden angerichtet als erwartet.

 „Oh Gott, bist du in Ordnung?", fragte Kyungsoo ernsthaft besorgt und versuchte mir auf zu helfen.

 „G-geht schon."

 Ich blickte auf, nach vorne wo meine Freunde etwa fünfzehn Meter entfernt zum Stehen gekommen waren. Ich sah Sehun und Kai nebeneinander stehen, während die orangefarbene Sonne in ihrem Rücken gerade aus dem Schlund der Erde auferstand. Es war ein atemberaubender Anblick, die orangefarbene Kugel die immer voller wurde und die Welt immer heller erstrahlen ließ. Ich blinzelte mehrfach, als Sehun mir etwas zu schrie, konnte ihn jedoch nicht verstehen und ich blickte ihn an, ohne ihn so recht zu sehen. Ob ich gleich ohnmächtig werden würde? Mein Blick schweifte zur Seite, ich wollte fallen, doch klammerte mich an mein Bewusstsein fest - und dann sah ich es. Und ich wollte aufheulen vor Verzweiflung.

 „STOPP! Nicht weitergehen!"; schrie ich ihnen jähe zu. Kyungsoo folgte meinem Blick und seine Hände begannen zu zittern.

 „Oh Gott, keinen Schritt weiter!"

 „Was tut ihr da?", kam die gepresste Frage von Minseok, der weiter hinten, alles in seiner Machtstehende versuchte um Kris von uns fern zu halten.

 Die Rebellen hatten sich nicht die Mühe gemacht uns bis nach ganz hinten der Lichtung zu folgen, stattdessen formten sie einen Bogen um uns den Fluchtweg nach hinten, abzuschneiden. Jetzt verstand ich wieso.

 „Da vorne geht's nicht weiter!"; rief ich ihnen zu. Ich sah zu, wie die Sonne immer höher stieg. „Das ist ein Abgrund!"

 Chen, der Kyungsoo und mir am nächsten stand, wirbelte herum und blickte in die Richtung in die ich zeigte, seine Schultern sackten hinunter. „Das darf doch wohl nicht wahr sein."

 Ich ließ den Kopf kurz sinken und blinzelte gegen die Tränen an. Letztlich war doch alles umsonst gewesen.

 Minseok schrie als die Erde wieder erzitterte, Kris hatte ihn überlistet und schoss an ihm vorbei. Er warf erneut Feuer in alle Richtungen, gleichzeitig schickte die vorderste Truppe der Rebellen Pfeile nach oben. Chen packte mich so schnell er konnte und half mir auf die Beine. Kyungsoo rappelte sich selbst auf und wir liefen weiter, näherten uns dem Abgrund. Ließen uns bewusst in eine Sackgasse drängen.

  Auch Baekhyun, Chanyeol, Kai und Sehun liefen weiter und Baekhyun schrie auf als sie das Ende der Klippe erreicht hatten. „Mist! Wir sind erledigt!", rief er aus als er nach unten blickte.

 „K-können wir springen?", rief Chen und von hinten hörte ich erheitertes Gelächter. Das Katz und Maus Spiel fand hier sein Ende, das wussten auch die Rebellen.

 „Das Überleben wir nicht, es ist zu hoch!"

  Erneut schossen Pfeile auf uns zu, dieses Mal unüberschaubar viele. Sie blieben direkt vor Chen, Kyungsoo und mir in der Luft hängen, doch die anderen waren entsetzlich ungeschützt.

 „Sehun Achtung!", schrie Lay plötzlich und mein Kopf schnellte nach hinten.

 Ich hörte wie der Atem aus meinen Lungen gepresst wurde, ich spürte wie der Schild den Lay errichtet hatte, wackelte und in sich zusammenbrechen wollte, noch während weitere Pfeile sich in ihn hineingruben.

 Ich werde nie vergessen wie Sehuns Augen sich weiteten als er den Pfeil bemerkte der von oben auf ihn hinabstürzte. Werde nie den stillen Konflikt vergessen der den Schild um mich erschütterte und sich eigentlich auf Sehun verlagern wollte. Ich werde nie vergessen wie Kai Sehun zur Seite stieß. Und ich werde niemals vergessen wie dieser eine Pfeil sich in Kais Brust bohrte. Direkt in die Mitte.

 Sehun stürzte zu Boden, rollte über die Erde und blieb unweit vom Abgrund entfernt, liegen. Kai dagegen verlor die Balance, hinter ihm endete die Klippe, er taumelte einen Schritt nach hinten. Dabei umfasste er das Endstück des Pfeiles, als könne er es nicht wirklich fassen.

 „Kai!", flüsterte Kyungsoo und seine Stimme stockte.

 Mit vor Schreck eingefrorenen Gliedern beobachten wir wie Kai am Rande des Abgrundes stand, ein Pfeil in der Brust und kaum mehr dazu fähig auf den Füßen stehen zu bleiben. Es war ganz still geworden auf der Lichtung, kein Pfeil wurde mehr abgeschossen, keine Rufe, keine Befehle mehr erteilt, nicht einmal ein Rabe wagte es zu krähen. „Kai!", rief Kyungsoo lauter, Sorge und Angst zerrten an seinen Stimmbändern. Es war das einzige Geräusch das durch die Luft schnitt, bis die Erde plötzlich aufbrach. Kai taumelte weiter, suchte mit den Augen nach dem Besitzer der Stimme und scheiterte. Ich sah es seinen Augen an, wie sie unscharf wurden, wie sie sich halb schlossen, bereit ihn in eine endgültige Ohnmacht zu übergeben. „JONGIN!", schrie Kyungsoo und seine Panik begleitete den Riss in der Erde der zielstrebig auf Kai zu steuerte. Ich wusste dass es Kris war, der den Stein unter Kais Füßen auseinanderbrach. Ich wusste dass es ihm zu verschulden war, dass Kai drohte in die Tiefe zu fallen

 Der Schild um Chen, Kyungsoo und mich brach in sich zusammen, als Lay los rannte, als einziger der schnell genug reagiert und sich nahe genug bei Kai befunden hatte. Er griff nach Kais Arm, als der Boden unter seinen Füßen nachgab. Kai stürzte in die Sonne hinein, ihr orangefarbener Schein griff nach seinem Körper, schien ihn nicht mehr freigeben zu wollen.

 Es war zu spät. Als Lay versuchte Kai zurückzuziehen, war er bereits zu weit gefallen und zog Lay mit sich in die Tiefe.

 Es sah aus, als hätte die Sonne die beiden einfach verschluckt.

 Und plötzlich war der Horizont leer.

 „Nein", flüsterte ich. „NEIN!" Ich stürzte auf, rannte die letzten paar Meter bis zum Abgrund hinauf und warf mich auf den Boden um nach unten blicken zu können. Weit unten im Tal zog ein Fluss sich durch das Gebirge. Er sah aus wie ein dünner blauer Faden, so weit war er entfernt. Ich sah nichts von Kai oder Lay. Ich schüttelte den Kopf, meine Tränen fielen die Schlucht hinunter. Sie entschwanden in Sekunden schnelle meinem Blickfeld.

 Adrenalin pumpte durch meine Adern, ich drehte mich um, kam auf die Beine und suchte nach Kris. Der Feuermagier stand etwa zwanzig Meter von mir entfernt, die Handfläche noch immer nach vorne ausgestreckt. Auf diese Art hatte er den Boden unter Kais Füßen brechen lassen, so hatte er ihn und Lay in die Tiefe gestoßen!

 Ich rannte mit einem Aufschrei der puren Verzweiflung auf ihn zu. Bewaffnet mit nichts als meinen Fäusten, kollidierte ich mit seinem Körper, riss ihn mit mir zu Boden und schlug ihm ins Gesicht. Meine Tränen fielen auf Kris fassungslose Miene und er ließ es mit sich gesehen, versuchte gar nicht erst sich gegen mich zur Wehr zu setzen.

 „Wie konntest du nur? Was hast du getan? Was hast du bloß getan?", weinte ich und meine Stimme stockte und keuchte. „Ich bring dich um! Ich...." Ich schluchzte laut und wurde an den Armen nach hinten gezogen. „Stopp! Stopp! Ich bin noch nicht fertig, er hat...er hat-...!"

 „Du stehst mir im Weg", hörte ich Minseoks Stimme nahe an meinem Ohr. Ich erschlaffte in seinem Griff und er legte einen Arm um meinen Körper, zog mich ein paar bedächtige Schritte nach hinten.

 „Was tust du?", flüsterte ich als Minseoks Macht die Luft um uns herum auflud. Ich erinnerte mich an den Blick den er mir vorhin zugeworfen hatte und plötzlich wusste ich nach was für einer Erlaubnis er gesucht hatte.

 „Steh auf", verlangte Minseok. In seinen Augen glitzerten Tränen.

 Der Feuermagier, der kaum Schaden von meinem Angriff genommen hatte, kam der Aufforderung langsam nach. Er rappelte sich auf, als wäre sein Körper Tonnenschwer.

 Minseoks Augen lagen kalt auf ihm, er hob eine Hand und ich sah Kris den Kopf neigen. Ein Ausdruck unendlichen Friedens auf dem Gesicht.

 „Um einen Magier zu töten, braucht es einen noch stärkeren Magier", flüsterte Minseok mit einer Endgültigkeit in der Stimme die mir in einer anderen Situation gewiss Angst eingejagt hätte. Gleichzeitig schoss ein Schwall unglaublicher Macht aus Minseok hervor und tauchte Kris...und tauchte Lóng ein in sein zerstörerisches Gewand aus der mächtigsten Magie die auf dieser Erde wandelte. Lóngs Lippen formten sich zu einem 'Verzeih' bevor er vollkommen verschwand.

 

 Als der Rauch, der mit der Attacke kam, sich um Kris ausbreitete und ihn verhüllte, dachte ich daran das Lóng diesen letzten Schlag von Minseok nicht mehr abgewehrt hatte. Dass er es noch nicht einmal versucht hatte. Es war ihm immer nur um Tao gegangen, immer nur darum den anderen Magier zu befreien. Dass er sein Leben nun im Gegenzug für das für Kai und Lay geopfert hatte, war ihm gleich gewesen. Sein gesamter Tod war-...

 Noch bevor die Rauchbank sich vollends gelichtet hatte, trat ein Mann aus dem schwarzen Nebel heraus. Er stellte sich Minseok gegenüber, ein nichtssagender Ausdruck auf dem blassen Gesicht. Blonde strähnen fielen ihm in die Augen, er war groß und schlank und wirkte fast ein wenig kränklich auf mich.

 „Lange nicht gesehen", begrüßte er Minseok mit einer rauen Stimme. Die Worte stockend, als müsse er sich an ihren Klang erst gewöhnen Seine Hand rauchte dort, wo er den Zauber des anderen einfach abgefangen hatte. Kris stand hinter ihm, der Rauch hatte sich gelichtet und schließlich aufgelöst. Beide waren unverletzt.

 Ich fiel neben Minseok zu Boden, meine Knie schlürften auf, als der harte Steinboden mit ihnen kollidierte. Mein Kopf drehte sich, alles verschwamm vor meinen Augen. Das Gesicht des jungen Mannes war das letzte was ich sah, bevor meine Augen sich der Welt verschlossen.

 „T-tao", hörte ich Lóng flüstern.

   Der Reflectare war gebrochen worden.

Kai hatte den Sturz nicht überlebt.


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Bis zum Ende sind es nur noch wenige Kapitel :)) Ich hoffe es hat euch so weit gefallen - was denkt ihr über dieses Kapitel?

Liebe Grüße <3

Königlich VerliebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt