Versorgt

1.1K 110 6
                                    

Die Hölle roch nach verbrannter Kohle und Holz, gleichzeitig nach frischem Brot das eben erst aus dem Ofen genommen sein musste. Ich hörte Flammen züngeln und Schritte auf dem Boden und fragte mich wieso die Hölle angenehme Zimmertemperaturen besaß.
 Als meine Augen gegen das Licht an blinzelten, wurden mir mehrere Dinge gleichzeitig klar:
    1. Das Zimmer in dem ich mich befand war gewiss nicht die Hölle. Das Sofa auf dem ich lag war viel zu bequem, die Wolldecke viel zu weich und der Raum eindeutig zu bequem um Sünder nach ihrem Tod dort zu empfangen.
2. In einer Wand des Raumes befand sich ein Kamin der für den Geruch nach brennender Kohle und Holz sorgte. Ebenfalls für das leise Knirschen und Knistern der Flammen.
3. Dies war nicht mein Zuhause. Und auch nicht das Zimmer in der Herberge das ich zusammen mit Kai bewohnte. Von letzterem war ebenso wenig zu sehen.
4. Und das mag wohl das entscheidende sein. Anstelle von Kai, saß ein Mann mit langen, übereinander geschalgenen Beinen da und balanzierte ein Buch auf den Schenkeln. Der Mann war mir unbekannt, aber er strahlte eine gewisse Ernsthaftigkeit aus die mich erschaudern ließ.
Als ich mich langsam aufsetzte blickte der Fremde mich von seinem bequem aussehenden Sessel aus an und runzelte die Stirn. „Endlich bist du wach, ich dachte schon du würdest mir unter den Händen wegsterben.“
 „W-was?“
 „Bist du ein völliger Idiot?“ Er klappte sein Buch mit einem Knall zusammen. „Was hast du dort im Wald gemacht? Wieso lagst du einfach so im Dreck herum? War das irgendein lustiger Versuch Selbstmord zu begehen? Wenn ja, dann hättest du davor wirklich nicht schreien dürfen, denn dann wäre ich gar nicht erst auf dich aufmerksam geworden.“
 „I-ich...“, stotterte ich zu nicht wirklich viel im Stande. Mein Mund schloss und öffnete sich nur wenig hilfreich.
 Der Mann setzte seine Beschwerdeliste einfach weiter. „Ehrlich was denkst du dir eigentlich? Und dann fällst du auch noch in Ohnmacht kurz bevor ich dich fragen konnte, ob du eventuell doch lieber alleine sein möchtest. Um ein Haar wäre ich einfach gegangen, glaub mir.“ Er seufzte und lies sich tiefer in seinen Sitz sinken. „Und dann musste ich dich auch noch so ins Bad stecken das du darin nicht ertrinkst. Weißt du was für eine Herausforderung das ist?“
 Ich schüttelte dümmlich den Kopf.
 „Natürlich weißt du das nicht, du warst ja ohnmächtig zu der Zeit. Das mit der Ohnmacht nehme ich dir übrigens übel. Was verdammt hast du da geschwafelt?“
 „N-Nichts“, gab ich zurück in der Hoffnung ihn damit nicht noch weiter zu verärgern.
 „Und könntest du vielleicht in ganzen Sätzen sprechen?“ Er murmelte irgendetwas von 'Trottel' und 'Dummpfbacke' vor sich hin, doch ich war noch immer wie gelähmt. Vor allem bei der Vorstellung das ein Fremder mich...gebadet haben soll. Ich griff automatisch um meine Brust herum. Der Stoff unter meinen Fingern fühlte sich tatsächlich fremd an. Viel rauer als meine gewohnte Kleidung, zudem schwarz und deutlich zu groß.
 „Mh...danke für das Shirt und auch so, danke das du mir geholfen hast. Ich bin dir wirklich sehr verbunden.“
 Der Typ verdrehte die Augen, verschwand kurz in ein anderes Zimmer und kehrte mit einem Messer in der einen Hand und einem Brett auf dem ein Laib Brot lag, in der anderen Hand zurück. Er ließ sich erneut in seinen Sessel fallen und schnitt einen Teil des Brotes ab.
 „Hier iss erst mal was. Vielleicht bist du auf den Kopf gefallen oder ähnliches.“ Er warf mir das Stückchen Brot zu und ich fing es notdürftig in meinen aneinander gelegten Handinnenflächen, auf. Dabei fragte ich mich was 'auf den Kopf gefallen' mit Brot und Essen zu tun hatte, aber ich war hungrig und wollte gewiss nicht mit dem Fremden diskutieren so lange er ein Messer in der Hand hielt. Wobei seine Hände wohl auch schon gereicht hätten um auch das letzte Bisschen Leben aus meinem Körper zu pressen...aber daran sollte ich nun wirklich nicht denken, vor allem da er sich ja extra die Mühe gemacht hatte mich zu retten. Es wäre irrational mich kurz danach angreifen zu wollen. Das hätte er auch tun können als ich nicht bei Bewusstsein war.
 Als würde der blonde Mann wissen was in meinem Kopf vor sich ging, seufzte er und schnitt sich ebenfalls ein Stück Brot ab.
 Kurz aßen wir schweigend, dann ergriff ich erneut das Wort. „Noch einmal. Ich will mich wirklich bei dir bedanken, wenn es irgendetwas gibt, dass ich für dich tun kann, dann...“
 Er schüttelte den Kopf. „Mach mal halb lang. Nicht das ich dich überhaupt retten wollte. Sorry, aber wäre ich nicht gerade spontan in deine Richtung gelaufen, dann hätte ich nichts unternommen.“
 „Oh okay. Mh trotzdem danke“, flüsterte ich und nagte an meinem Brot. Der Mann hatte es so weit gebracht das ich mich schlecht dafür fühlte das er nur aufgrund meines mickrigen Lebens eine Pause in seinem Daheimweg hat einlegen müssen.
 „Wie heißt du?“, unterbrach er meine düsteren Gedanken.
 Ich kaute auf meinem Stück Brot im Mund herum, was mir Zeit gab mir eine gute Antwort zu überlegen. Ich hielt es für keine gute Idee ihm meine wahre Identität zu verraten (vielleicht galt er hier in der Gegend ja als Unzuverlässig, was ihn nach Siwon dann im Kochtopf landen lassen würde) aber ich wollte meinen Lebenretter auch nicht wirklich anlügen, also antwortete ich schlicht mit: „Lu. Ich heiße Lu.“
 Der andere hob ungläubig eine Augenbraue an. „Lu?“
 „Genau. Und du?“
 „Lóng.“
 Ich blinzelte ihn an. „Lóng?“
 Er nickte und schnitt ein weiteres Stück Brot ab, dieses Mal landete es gezielt in meinem Schoß. „Ja, Lóng. Also Lu, was hat dich in die Wälder getrieben?“
 Ich spürte wie meine Wangen heiß wurden. 'Ein Streit mit meinem Ehemann' klang nicht sehr männlich, also versuchte ich mich an etwas weniger weinerlichem. „Ein Spaziergang.“
 „So weit vom Waldweg entfernt?“
 „Ja das mag ich so“, antwortete ich entschieden, dann warf ich ihm ein Grinsen zu. „Und ich bin wohl nicht alleine damit, immerhin warst du ja nicht weit weg von mir.“
 Lóng sah auf sein Brotstück hinunter und schien die Röte in seinen Wangen mit reiner Willenskraft zu vertreiben. „Schön das dieser Umstand dir das Leben gerettet hat, nicht?“
 Ich verharrte, bevor ich schnell nickte. „Ja, mh, ehrlich ich bin dir wirklich dankb-...“
 „Schon gut, lass das Dankbarkeits-Gefasel, ich habs verstanden.“
 „Na gut“, ich lächelte etwas. „Und was machst du hier in den Bergen Lóng? Lebst du hier mit deiner Familie?“ Gleichzeitig drehte ich den Kopf, um nach irgendwelchen Türen ausschau zu halten hinter denen sich seine Familie verstecken könnte. Doch aus meiner beschränkten Sicht sah ich keine, doch an den Wänden hingen auch keine gerahmten Porträts oder ähnlichem, was mich stutzig machte. Eventuell war er ja erst frisch hier eingezogen.
 „Ich lebe alleine hier“, erklärte der Blonde entschieden. Und vergrub die Zähne erneut in einem Stück Brot.
 „Ganz alleine? Und was machst du hier? Wo gibt es hier Arbeit? Hier oben ist doch die Einöde schlechthin!“
 Ein Grinsen stahl sich auf Lóng's Lippen. „Ich mag, dass es so ruhig ist. Und arbeiten tue ich für die Pension ein paar Kilometer von hier entfernt. Ich hacke Holz und vesorge das Gebäude mit Brennmaterial für ihre Öfen, Kamine, Kochtöpfe und so weiter. Für das Geld was ich von denen dafür erhalte kaufe ich dort im Gegenzug Lebensmittel und Kleidung ein.“
 „Das ist...beeindruckend“, staunte ich und ich meinte es wirklish ernst. Das musste ein sehr einsames, aber auch sehr robustes Leben sein. „Aber was ist mit deiner Familie?“
 „Die sind nicht hier.“
 Ich wollte tiefer graben, biss mir jedoch auf die Zunge um mich selbst daran zu hindern. Lóng war mir gewiss keine Antwort schuldig und ich sollte seine Gastfreunschaft nicht überstrapazieren.
 „Was ist mit dir Lu? Wo kommst du plötzlich her?“
 „Ah, ich bin Gast in der Pension...“ Meine Stimme verlor sich und erst jetzt registrierte ich so richtig, was Lónge gerade gesagt hatte. „Mehrere Kilometer?!“, keuchte ich fassungslos und Lóng sah mich beeindruckt an.
 „Wow du musst ein Meister im Verlaufen sein. Respekt.“
 „S-spaziergang!“, versuchte ich meine Lüge irgendwie aufrecht zu erhalten, aber wir beide wussten, das dies vergeudete Mühe war. „Oh Mist, ich muss wirklich zurück, man wird sich fragen wo ich...“
 Lóng schüttelte langsam den Kopf. „Draußen tobt ein Sturm, du wirst fürs erste nicht hier fort kommen. Zumindest die Nacht über nicht.“
 „A-aber...“
 „Du kannst morgen in aller Frühe aufbrechen, keine Sorge. Ich will nur nicht noch eine Rettungsaktion in der Finsternis der Dunkelheit durchführen müssen, okay?“
 Ich gab mich geschlagen. „Okay. Danke das du mich aufnimmst Lóng.“
 „Bleibt mir denn eine andere Wahl?“, hörte ich ihn leise zu sich selbst murmeln doch irgendwie wusste ich das er es nicht böse meinte.
 Lóng brachte mir eine weitere, etwas dickere Decke mit der ich mich erneut in die gepolsterte Couch schmiegte. Anschließend verschwand der größere Mann mit einem Gähnen aus dem Zimmer.  Ich  hörte noch wie seine Schritte im Flur wiederhallten und nahm an, dass dort wohl die Türen sein mussten nach denen ich vorhin ausschau gehalten hatte. Denn der Weg zur Küche, am anderen Ende des Zimmers war direkt verbunden mit dem Wohnzimmer (zumindest nahm ich an das dieser Raum das Wohnzimmer war) und auf der anderen Seite direkt verbunden mit dem Flur. Ich fragte mich kurz, ob das irgendeine Bedeutung hatte, doch meine Gedanken flossen immer langsamer, bevor Müdigkeit mich erneut übermannte und ich einschlief.

Königlich VerliebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt