Beschlossen

1.9K 116 17
                                    

Niemals hätte ich mir ausmalen können, wie viele Vorbereitungen so eine Hochzeit tatsächlich in Anspruch nahm. Wochen und Monate verstrichen wie im Flug, während ich mich von Kwanghee herum scheuchen lies, dies und das erledigte, hier und da meine Meinung äußerte und zum Schluss einsehen musste, dass meine Meinung in Wahrheit nur eine Höfliche Geste war, jedoch nicht wirklich zählte. Dennoch war Kwanghee unermüdlich Kai und mich in die Vorbereitungen einzufädeln, ob dies nun sinnvoll war oder nicht.
 „Was ist es heute?“, seufzte Kai müde als Kwanghee uns beide im Salon in Empfang nahm.
 Sein strahlendes Lächeln war absolut widersprüchlich zu unseren sehr düsteren und erschöpften Mienen. „Heute geht es um Blumen!“, rief der Hochzeitsplaner euphorisch aus und klatschte sich wie wild in die Hände. Kai und ich stöhnten leise.
 „Müssen wir da mit? Ich meine, du weißt doch sicher schon welche Blumen wo und wie und warum platziert werden, nicht wahr?“, fragte ich leise. Mittlerweile wagte ich jeglichen Protest nur sehr zaghaft zu äußern, denn jedes Wort gegen Kwanghee wirkte sich auf Kais und meine Gesundheit aus. Der Mistkerl hatte allen Einfluss auf unsere Nahrungsportionen. Sprich, mithilfe des Argumentes das wir etwas Gewicht vor der Hochzeit verlieren müssen, durfte er die Köche dazu befehligen unsere Mahlzeiten stetig zu verkleinern und wir hatten mit Schrecken beobachtet, wie Kwanghee dies schamlos ausnutzte. Also ein böses Wort gegen den Hochzeitsplaner resultierte schnell zu einer halben Portion weniger Essen am Mittagstisch.
 „Natürlich müssen Sie dabei sein Eure Hoheiten. Was für eine Frage.“, lachte er und zischte leise.
 „Bin ich zu spät?“, meldete sich eine neue Person zu Wort und Taemin und Kyungsoo, die mindestens so müde aussahen wie wir selbst, traten zur Seite um den Neuankömmling zu uns durch zu lassen.
 Kwanghees Schultern sackten sichtlich hinunter. „Ja das bist du Kibum.“
 Key sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an und der andere Mann krümmte sich förmlich unter seinem Blick. „Ich meine Kim Kibum.“
 Key grinste nur spöttisch. „Also, Blumen, richtig?“ Kai und ich nickten. „Müssen die beiden wirklich dabei sein? Die sehen aus, als würden die etwas Ruhe vertragen können.“, richtete Key an Kwanghee und meine Augen tränten beinahe vor Rührung.
 „Natürlich müssen sie das!“, bellte Kwanghee und schoss Blitze durch seine Augen auf den Designer.
 Key verzog den Mund. „Dann lass wenigstens die Diener sich ausruhen gehen.“ Sein besorgter Blick ruhte auf Taemin.
 „Kim Kibum, ich folge nur meinen Befehlen, also werden alle bleiben! So, wir gehen jetzt zum Flouristen, das Königliche Paar wird die Blumen betrachten, du wirst dir ein paar Blumen für die Brusttasche deiner Anzühe raus picken und alles ist getan.“ Kwanghee klatschte sich erneut in die Hände. „Na also, hopp hopp, wir gehen.“
 Key hatte ihm noch nicht einmal zu Ende zu gehört und befand sich dementsprechend bereits an den großen Türen. Irgendwie war der Kerl schon bewundernswert, um ehrlich zu sein.
 Kurz darauf traten wir in den Garten und umrundeten das Gebäude, ehe wir in das große, gläserne Gewächshaus eintraten. Ich staunte über die kristallene Schönheit und wie das Glas das spärliche Sonnenlicht des Winterwetters spiegelte und mit dem Staub in der Luft spielte. Auch die Temperaturen waren angenehm und nicht so bitter kalt wie die Winterluft draußen.
 Das Gewächshaus war so lebendig und vielfältig, obgleich hinter den Glasscheiben die Welt unter einer dicken Schneedecke begraben lag. Hier drinnen, herrschte aufgeweckter Frieden, Wasser plätscherte von einem Brunnen, Schmetterlinge flogen herum und die Luft war frisch und wohl riechend. Ich wunderte mich selbst, wieso ich das Gewächshaus kaum aufsuchte. Vielleicht weil es einfach etwas zu laut und lebendig war. Ambivalent zu der Stille der Bibliothek die ich bis heute so sehr liebte.
 Desto tiefer wir in das Grün eintauchten, desto lauter wurde es auch, doch irgendwann entdeckten wir eine kleine steinerne Hütte, wo Gieskannen und andere Gartenutensilien zu finden waren. Ein Mann, mit braun-blondem Haar, einer spitzen Nase und sehr tiefen, fast schon hohlen Wangen blickte von seiner Topfpflanze auf und streifte dann seine Gartenhandschuhe ab um uns zu begrüßen. Bevor er uns die Hand reichte, wischte er sie sich kurz an der weiß, grünen Schürze um seiner Hüfte ab, die seine recht kleine Statur vor Erdflecken schützen sollte.
 „Man hat mir bereits angekündigt das ich heute Besuch von oben erhalten werde“, lächelteder Gärtner. „Das andere Personal ist heute leider verhindert, aber ich denke ich alleine werde schon genügen.“ Sein Blick wanderte auffällig Keys Statur hinunter und er lächelte breit. „Mein Name ist Kim Jonghyun, aber Jonghyun genügt.“ Er sprach einzig und allein zu dem Designer.
 Kwanghee, dem Jonghyuns Interesse an dem anderen Mann völlig entgagangen zu sein schien, ratterte unsere Namen hinunter und der Gärtner nickte nur abgelenkt.
 „Also wo sind die Rosen?“
 „Die Schönste ist bereits hier“, säuselte Jonghyun und mir sträubten sich die Nackenhaare bei dem kitschigen Annäherungsversuch, der zu hundert Prozent an Key gerichtet war.
 Der Designer hob abschätzig eine Augenbraue an, verschränkte die Arme vor der Brust und verdrehte theatralisch die Augen.
 „Aber sie hat Dornen“, grinste Jonghyun und schien mehr als erfreut. „Noch.“
 „Was redest du da?“, fragte Kwanghee und Kai seufzte.
 „Na gut, ich bringe euch in den Rosenraum. Die Blumen werden dort den ganzen Winter über gezüchtet um im Frühling beigesetzt zu werden, das hilft dem Wachstum und wir riskieren nicht, dass zu wenige Blumen im Garten blühen“, erklärte Jonghyun, während er vor uns her lief. „Und natürlich werden dort auch die Rosen für die baldige Hochzeit gezüchtet. Was, um es mal anzumerken, wirklich großartig wird, da Sie im Frühling heiraten und die Blumen wunderschön aussehen werden.“
 „Sehr schön“, nickte Kwanghee und schien sehr zufrieden mit Jonghyuns Erklärungen.
 „Natürlich nicht so schön wie manch andere Menschen“, fügte Jonghyun hinzu und Key schnaubte leise.
 Vor  einer gläsernen Türe hielt Jonghyun kurz an, bevor er sie nach innen aufschwingen lies und wir plötzlich von einem süßen Duft empfangen wurden. Ich staunte nicht schlecht über die unfassbare Schönheit die sich vor mir ausbreitete. Rosen, wohin das Auge auch fiel. In den unterschiedlichsten Farben und Größen. Es war eine natürliche Pracht.  
 Während Kwanghee, Key und Jonghyun begannen über das Geschäftliche zu sprechen, seilten wir anderen uns ab, um eigenstädig herum zu laufen.
 Gedankenverloren schritt ich durch das Dickicht von grün und Farbe und lies mich einlullen von der Ruhe und der Schönheit die sie aussrahlten. Ich achtete bald  nicht mehr darauf, den Weg zu den anderen zurück zu finden, sonder erkundete das Gewächshaus auf eigene Faust, selbst als ich das Ende des Rosenraumes erreicht hatte und die Glastür zum nächsten Abteil erreichte, kehrte ich nicht um und schritt stattdessen durch die Türe. Was folgte, war ein kleiner Dschungel mit Pflanzen die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Sie wandten sich in so komplizierten Spiralen und Formen das ich lange Zeit nur da stand und sie versuchte zu verstehen.
 Auch den Dschungel lies ich bald hinter mir und die nächste gläserne Tür eröffnete den Weg zu einer neuer Welt. Zumindest fühlte es sich so an. Hinter der Tür trat ich auf einen dünnen Steinweg der von gestutzter Wiese umrandet wurde. Nadelbäume und Laubbäume standen nebeneinander und Gänseblümchen, wie auch Pusteblumen lagen zu ihren Füßen und wild verteilt auf dem Grün der Landschaft. Hier fühlte ich mich augenblicklich sehr wohl. Dieser Raum war schlichter, als alle anderen zuvor, doch ich mochte es.
 Um alles noch etwas ordentlicher aufnehmen zu können, kam ich vom Steinweg ab und schritt tiefer ins Dickicht der Bäume die dicht nebeneinander standen, immerhin war der Platz in einem Gartenhaus (auch wenn man dies schnell vergessen konnte) recht begrenzt. Mit den Fingerspitzen strich ich über die Rinde der Bäume an denen ich vorbei schritt, ehe sich alles plötzlich wieder lichtete. Ich blickte zurück, wo ich auf den Steinweg schauen konnte, während vor mir eine Lichtung lag. Das Gras wuchs hier höher, ungestutzt aber ebenfalls gepflegt. Das Gras reichte mir beinhahe bis zu den Knien und vielleicht war das der Grund das mir erst jetzt der Körper auffiel der inmitten der Lichtung auf dem Boden lag. Das gebrochene Licht der Sonne, das durch die Glaswand schien, spielte auf dem ruhigen Gesicht des anderen, das vollkommen friedlich und glücklich aussah. Es bildete einen krassen Kontrast zu den Malen an denen ich es zuvor gesehen hatte. Damals im Gang, als es verletzt verzogen war und in meinemTraum, als Schatten und Dunkelheit es fremd und distanziert hat scheinen lassen.
 Jetzt und hier, schien jedoch alles im Reinen zu sein und ich war unglaublich froh, dass Monate nachdem ich Sehun das letzte Mal gesehen hatte, seine anklagenden Augen nicht das erste waren, was ich von ihm zu Gesicht bekam.
 Hier musste er sich also die letzten Monate lang versteckt gehalten haben. Hier, anstatt in der Bibliothek, wie er es früher getan hatte. Hier, weil die Bibliothek von mir besetzt worden war.
 Wie von unsichtbaren Schnüren gezogen, setzten sich meine Füße in Bewegung, bevor meine Knie neben Sehuns Körper nachgaben.
 Mit liebevoller Vorsicht strich ich ihm ein paar seiner blonden Strähnen aus der Stirn und spürte förmlich wie schwer mein Herz in meiner Brust lag. Wie sehr ich den Jüngeren nur vermisst hatte und wie schrecklich ich mich selbst in den letzten Monaten, für das was ich ihm angetan hatte, gehasst hatte.
 An seinem schlafenden Gesicht versuchte ich die Risse seiner Seele zu erkennen, doch ich sah sie nicht, egal wie gründlich ich ihn betrachtete. Mit einem Seufzen strich ich ihm durchs Haar und genoss diesen Augenblick aus vollem Herzen. Sehun an meiner Seite fühlte sich so richtig, so schön an.
 Meine Gedanken wurden schließlich unterbrochen, als Sehuns Augenlider zu flattern begannen und seine schläfrigen Augen sich fokusierten. Sofort lies ich meine Hand von seinem Haar fallen.
 „Luhan?“, fragte er mit rauer Stimme und blinzelte mehrmals.
 „Ich-...mh entschuldigung ich wollte dich nicht wecken, ich wollte eigentlich überhaupt nicht-“, begann ich herunter zu rattern und hätte mich gern selbst geohrfeigt. Was tat ich denn da? Nach allem was ich Sehun angetan hatte, wagte ich es ihm so nahe zu kommen? Er musste mich doch mittlerweile hassen, verdammt noch mal.
 „Tut mir Leid“, spuckte ich schließlich aus und versuchte auf die Beine zu kommen, doch Sehuns Griff um mein Handgelenk hielt mich auf. Er setzte sich ebenfalls auf, so dass wir beinahe auf der selben Augenhöhe waren.
 „Bleib“, flüsterte er mit sanftem Blick. „Bitte geh nicht.“
 Ich schluckte schwer. „Sehun, es...es tut mir wirklich Leid.“, brachte ich zwischem dem Kloß in meinem Hals hervor. „Ich wollte dir niemals weh tun, ich...“
 Sehun legte seinen Zeigenfinger auf meine Lippen und betrachtete mich lächelnd. „Luhan, es ist schon in Ordnung, keine Sorgen.“ Er atmete tief ein und aus. „Mir war von Anfang an klar, dass du und ich...das wir nicht einfach zusammen sein können, auch wenn ich diesen Umstand für eine Weile vor mich her geschoben habe.“ Sein Gesicht wirkte müde, sein Blick ausgelaugt. „Aber hey, das ist was ich mir ausgesucht habe, als ich mich in dich verliebt habe, nicht wahr?“ Er war so sanft, seine Stimme so verständnisvoll und es verengte mir die Brust.
 „Sehun-...“
 Ein Kuss auf die Stirn brachte mich zum Schweigen. „Mir ist in den Monaten in denen du beschäftigt warst etwas klar geworden“, sprach er leise. „Du kannst mich nicht lieben Luhan. Selbst wenn du es tust, du darfst es nicht. Und das wird für immer zwischen uns stehen.“
 Ich starrte ihn an. Er hatte exact erfasst, was mich seit einer gefühlten Ewigkeit in der Mitte auseinanderriss. Und leider, konnte ich es nicht leugnen.
 „Bald, so früh wie möglich um genau zu sein, werde ich den Palast verlassen und mir irgendwo ein eigenes Leben aufbauen“, gestand er, während er den Kopf in den Nacken legte und durch die Glaskuppel hindruch, zum Himmel sah. „Ich werde fort gehen und ich weiß, dass du mir nicht folgen wirst.“ Er lächelte, doch ich sah keine Freude in der kleinen Geste.
 „Ich-...“
 „Also“, unterbrach er mich sanft „lass uns einfach das bisschen Zeit das wir noch haben ausleben. Auch wenn es viel verlangt ist“ er zog mich sanft näher und ich war mehr als willig mich in seine Arme treiben zu lassen. „Lass mich dich noch für ein kleines Weilchen länger lieben.“ Sein warmer Artem strich mir über den Hals und ich klammerte mich an sein Shirt, als würde mein Leben davon abhängen. Mein Herz ächzte und krächzte in meiner Brust, wie eine alte Maschine und ich wünschte mir es würde weniger weh tun. Dieses Leben, diese Liebe, dieser hinausgezögerte Abschied.

Königlich VerliebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt