Besinnung

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Die Rückkehr in den Palast entlockte mir ein leises Seufzen. Das große Gebäude schien jetzt, da ich fast ganze zwei Wochen auf engstem Raum mit Kai gelebt hatte, wie das Paradies schlechthin. Nichts gegen Kai aber ich war froh über die Ausweichmöglichkeiten die das Anwesen zu bieten hatte.
 Bevor wir Kais Eltern gegenüberstehen sollten, schickte man uns zunächst in unser gemeinsames Zimmer, wo wir uns frisch machen sollten und vielleicht auch ein wenig schlafen könnten. Ich spürte die hügelige Rückfahrt noch in meinen Knochen und war froh noch einmal warm zu duschen bevor Kais Eltern uns erwarteten.
 Letztlich ließen wir beide uns  wahrlich genug Zeit. Jeder von uns duschte ausgiebig und danach warfen wir uns geschafft auf das Doppelbett. Nachdem ich drei Tage lang auf einer Couch in einer Berghütte geschlafen hatte, kam mir das Doppelbett vor wie Wolken im Himmel. Weich und kuschellig. Das Kai neben mir eindöste war mir sogar völlig egal.
 Vier Stunden später, war die Sonne bereits fast untergegangen und wir entschieden das wir den Besuch beim Königspaar nun nich mehr weiter hinausschieben könnten. Wir kleideten uns in unserem jeweiligen Badezimmer an, ich kämmte mir kurz durchs Haar und strich über meine vom Schlaf aufgeblasenen Wangen.
 Ich gähnte immer mal wieder, während wir den Gang hinunter liefen und ich steckte Kai jedes Mal aufs Neue wieder an, woraufhin wir beide gähnend durch den Gang liefen.
 Ich war verschafen genug um meine Umgebung gar nicht wirklich wahr zu nehmen, daher hob ich bereits die Hand an um gegen die Tür der Haupthalle zu klopfen, als Kai mein Handgelnk von seinem Griff umschlang und sie an ihrem Tun hinderte.
 „Was ist...?", fragte ich veriwrrt, doch Kai hielt sich den Zeigefinger gegen die Lippen. Seine Augen waren groß und er deutete mit einem Kopfnicken zur Tür. Endlich hörte auch ich richtig hin und sobald mir auffiel was Kai meinte, konnte ich nicht fassen, dass ich es zuvor überhaupt überhört haben könnte. Hinter der Tür tobte ein Streit, zwischen einer männlichen und einer weiblichen Stimme. Unverkennbar Kais Eltern, doch noch nie hatte ich das Königspaar mit solch wütenden Stimmen gehört und ich war neugierig was sie dazu veranlasste. Somit war klar, das wir erst einmal abwarten würden um die beiden 'nicht zu stören'.
 „...ich sage dir wir wurden verraten!", brüllte die Person mit der helleren Stimmfarbe. Die Königin klang wütend und frustriert zugleich.
 „Das ist unmöglich, wie sollten solch wichtige Pläne schon in die Hände dieser Verbrecher fallen?"
 „Sag du es mir doch!"
 „Ich?" Der König klang völlig verdutzt. „Was willst du mir damit unterstellen?"
 „Ich möchte dir nichts unterstellen! Viel eher deinem widerlichen Balg!" Kai neben mir versteifte sich und ich blickte besorgt zu ihm hinüber. Er starrte geradewegs auf die geschlossene Tür, als könne er durch sie hindurch sehen.
 „Wage es nicht so über meinen Sohn zu sprechen."
 Die Königin lachte laut auf, wobei der Spott mir eine Gänsehaut bescherte. „Du nennst ihn also deinen Sohn? Dieser Bastard den du mit deiner Mattresse gezeugt hast?"
 „Ich warne dich..."
 „Nein, mein Lieber. Ich warne DICH. Das Kind das du in die Welt gesetzt hast und mit dem dein echtes Kind unter einem Dach leben muss...sag mal schämst du dich gar nicht?"
 „Sehun ist ebenfalls mein echtes Kind."
 Sie schnaubte laut. „Du widerst mich an mit diesen falschen Vatergefühlen. Ist dir eigentlich bewusst dass dieses Kind nur darauf wartet uns in den Rücken zu fallen? Ist dir klar, dass es das wahrscheinlich bereits getan hat?"
 „Sehun hat nichts damit zu tun!", erwiderte der König in seinem Zorn und kurz herrschte Stille.
 „Du gefährdest das Leben von Kai, verstehst du das?"
 „Ich gefährde sein Leben nicht", flüsterte der ältere Mann und klang plötzlich sehr erschöpft. „Ich vertraue darauf dass Sehun seine Familie nicht verrät, er würde nicht..."
 „Familie?!" Die Königin klang als würde das Wort ihr einen Herzinfarkt bereiten. „Das Balg gehört nicht zur Familie. Er gehört zu seiner dreckigen Mutter, einer Bürgerlichen, wohlangemerkt. Wer weiß? Vielleicht ist es ja ihren Verbindungen zu verdanken das Sehun die Möglichkeit gesehen hat uns zu verraten."
 „Sehuns Mutter ist tod", erklärte der König langsam, gar vorsichtig, doch die Trauer war nichtsdestotrotz sehr deutlich aus seinem Ton heraus zu hören. „Sie ist fort, schon seit mehreren Jahren. Sehun war doch nur ein Kind, wie kannst du denken er hätte schon seit damals Verbindungen zu diesen Verbrechern gehabt?"
 „Ich will nur Sichergehen das wir jede Wahrscheinlichkeit abgewogen haben."
 „Du unterstellst ihm diese Dinge doch bloß, weil du vor Hass gar nicht mehr klar denken kannst."
 „Wir werden sehen."
 „Was?"
 „Wir werden sehen", wiederholte die Königin und sie klang wütend und zufrieden gleichzeitig.
 „Was meinst du damit?"
 „Ich habe eine Wache ausgesandt um das Kind hierher bringen zu lassen."
 „Du hast WAS getan?"
 „Ich werde nicht zulassen dass das Balg weiterhin ungestraft durch mein Zuhause wandert, während es vertrauliche Informationen an unsere Feinde verkäuft. Du bist einfach zu blind um der Wahrheit ins Gesicht zu blicken."
 „Du lässt Sehun in Frieden! So haben wir es damals abgemacht!"
 „Als ob ich..."
 Die Königin brach ab, als Kai unerwartet die Türe aufschwingen lies. Er hatte sich das Klopfen gespart und ich trat schnell hinter ihm in den Saal ein - selbst auch ein wenig überrascht, dass er sich so spontan dazu entschieden hatte, die beiden in ihrem Streit zu unterbrechen. Ehrlich gesagt hätte ich ihnen gerne noch etwas weiter zu gehört.
 „Kai!" Der eben noch wütende Tonfall in der Stimme seiner Mutter schwang sofort zu einem glücklichen Zirpsen zurück. „Luhan, schön euch zu sehen." Sie schritt auf uns zu und umarmte uns beide gleichzeitig. Dann wandte sie sich mir zu. „Bist du in Ordnung? Wir haben uns schreckliche Sorgen um dich gemacht."
 Ich nickte ein wenig überfordert. „Ja, verzeiht bitte, aber mir geht es gut."
 „Man hat uns die Geschichte erzählt", sie lächelte sanft. „Zumindest hast du keine Schäden von deinem kleinen Erlebniss davon getragen, das ist das wichtigste." Ich nickte beschwichtigend und sie lies von mir ab.
 „Entschuldigt wir wollten euch bei eurem Streit nicht unterbrechen."
 Das Königspaar spannte sich sichtlich an.„Ihr habt uns zugehört?"
 „Sagen wir, wir konnten euch schlecht überhören", erwiderte der dunkelhaarige und blickte mit engen Augen zwischen seinen Eltern hin und her. „Ihr schuldet uns Antworten. Von welchem Verrat war die Rede? Was ist geschehen? Und wieso wird Sehun verdächtigt?"
 Die Königin sog scharf etwas Luft ein. „Kai sprich diesen Namen nicht aus!"
 Doch der angesprochene kümmerte sich gar nicht um seine Mutter, sondern blickte starr in das Gesicht des Königs. „Ich will Antworten."
 „Das braucht dich nicht zu kümmern."
 Kai öffnete den Mund für eine Erwiderung, als verhalten an die Tür in unserem Rücken geklopft wurde.
 „Herein!", befahl der König sogleich, vermutlich auch um seinem Sohn auszuweichen.
 Ein Mann mit gebeugtem Kopf und hängenden Schultern trat ein und blickte unsicher zur Königin hinüber, diese freute sich offensichtlich den jungen Mann zu sehen. Sie schenkte erst ihm, dann dem König ein Lächeln. „Sie haben ihren Befehl ausgeführt?"
 Der Mann biss sich verunsichert auf die Unterlippe. „Verzeiht das ich euch dies mitteilen muss, doch es scheint ein Problem zu geben."
 Kais Mutter legte den Kopf zur Seite. „Nun sprich endlich."
 „Die Person die ich hierher bringen sollte, ist unauffindbar meine Königin."
 „Wie bitte?" Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung und plötzlich hatte auch der König großes Interesse an seinen Worten.
 „Wie sollen wir das verstehen?", hakte er nach.
 Der Soldat wirkte sichtlich angespannt und Nervosität veranlasste ihn dazu seine schwitzenden und zitternden Hände immer wieder aneinander zu reiben. Eventuell war ihm auch sehr kalt. „Nun. Er ist nicht hier. Ich habe alles absuchen lassen, doch...er ist unaffindbar."
 „Das...das kann nicht sein", flüsterte der König.
 „Das heißt er hat den Palast verlassen?"
 „Ja, so scheint es meine Königin", bestätigte er.
 Kais Mutter blickte zu ihrem Ehemann hinüber. „Das Balg ist verschwunden und die Rebellen werden aktiv, was für ein Zufall, nicht wahr? Ab hier übernehme ich, so wie wir es abgemacht haben." Ihre Miene lies keinen Widerspruch zu und überrraschenderweise erhielt sie auch keinen.
 Der Schock in der Miene des Herrschers bereitete auch mir ein unbehagliches Gefühl. „Die Wachen müssen nicht ordentlich geguckt haben. Sehun kann nicht einfach...er..." Er schüttelte den Kopf.
 „Sei nicht lächerlich. Natürlich würde er uns früher oder später verraten, ich habe es immer gewusst."  
 Ich wollte diese Frau wirklich anschreien, sie sprach von Sehun als würde sie ihn tatsächlich kennen und mir wurde schlecht von ihrer komplett verkehrten, allwissenden Art.
 „Bring Minseok hierher!", befahl der König und der Diener eilte sofort aus dem Raum, wobei er beinahe mit einer eintretenden Frau kollidierte. Sie blickte ihm Sitrinrunzelnd hinterher, zuckte dann jedoch die Achseln.
 Die Frau schloss behutsam die Tür hinter sich und schwebte förmlich in den Raum hinein. Sie bewegte sich fließend wie Wasser und machte kein einziges Geräusch beim Auftreten auf dem Fußboden. Sie hatte langes braunes Haar, war schlank und ich schätzte sie auf ungefähr Mitte zwanzig, vielleicht auch jünger.
 „Ist es unpassend Eure Hoheit?", fragte sie mit einer kurzen Verbeugung. Ich starrte in ihr all zu vertraut wirkendens Gesicht, konnte jedoch nicht wirklich sagen, woher ich die schöne Frau zu kennen schien. Grübchen an den Mundwinkeln, braune, warme Augen, hohe Wangeknochen, eine spitze, kleine Nase...die Erkenntnis zappelte vor meinen Augen, wollte es sich jedoch nicht in meinem Geirn vergemütlichen.
 „Nein Minhae, du kommst genau richtig."
 „Tatschlich?", sie neigte den Kopf leicht zur Seite, stellte jedoch keine weiteren Fragen. Ich wollte mir die Haare vom Kopf reißen vor Verzweiflung, ich war mir so sicher das ich sie schon einmal...
 Sie blickte mir plötzlich direkt in die Augen, verbeugte sich leicht und verzog sich dann in die Schatten der hinteren Ecke des Raumes. Der König und die Königin beachteten sie gar nicht weiter.
 „Vater!", meldete sich Kai schließlich wieder zu Wort, er sah nicht erfreut darüber aus, gerade so brüsk unterbrochen worden zu sein. „Was ist geschehen?"
 „Kai ich habe gerade wirklich keine Lust dieses Gespräch mit dir zu führen", er seufzte und rieb sich erschöpft mit dem Handrücken über die Stirn, dann über die Augen.
 „Stecken wir in Schwierigkeiten?", mutmaßte der bruanhaarige und der König zögertem doch sein Schweigen sprach für sich. „Welche Art von Schwierigkeiten?"
 Er erhielt keine Antwort, als ein Atemloser Diener in den Raum gestürzt kam, direkt hinter ihm ein weitaus besser konditionierter Minseok.
 „Ich habe ihn... so schnell wie möglich hier-her...gebracht", keuchte der Diener und wurde dann just entlassen. Der arme Kerl wirkte so glücklich darüber nicht noch einmal mit einer Enttäuschung hier angekommen zu sein, das er sich ständig bedankte, dabei lief er rückwärts und klappte seinen Körper immer wieder in der Hälfte zusammen, um sich ordentlich zu verbeugen.
 „Ihr liest mich rufen?", erhob Minseok zögerlich das Wort, als der Diener die Türe wieder geschlossen hatte. Kurz flackerten seine Augen zu mir herüber, doch er ließ sich ansonsten nicht anmerken, dass er mich kannte. Das war ziemlich klug von ihm, denn andernfalls würden wir in Kürze beide in großen Schwierigkeiten stecken.
 „Ich möchte das du etwas für mich tust."
 „Was auch immer Ihr wünscht." Minseok verbeugte sich auf ein neues.
 „Versuch Sehun mit einem Zauber aufzuspüren. Er muss hier irgendwo sein."
 Die Königin schnaubte leise.
 Minseok schluckte schwer hinunter. „Ich soll...Sehun suchen?"
 „Ja. Mit einem Zauber. Sofort." Der Herrscher wurde offensichtlich ungedulig und die Nervosität war ihm ins Gesicht geschrieben. Er machte sich offenbar Sorgen um seinen jüngsten Sohn.
 „Eure Majestät", begann Minseok, wobei seine Stimme nur noch einem verhaltenen Flüstern glich.
 „Minseok, tu einfach was ich dir befohlen habe, ja? Erspar mir die Einzelheiten."
 Die schöne Frau hatte sich unbemerkt aus den Schatten gelöst und stand plötzlich mit besorgter Miene neben dem bebenden Magier. „Eure Hoheit, Minseok kennt diesen Zauber nicht."
 Kais Vater stöhnte frustriert auf. „Dann hol seine Erinnerung zurück."
 Sowohl Minhae als auch Minseok versteiften sich bei diesem Befehl. „Eure Hoheit, ich habe Minseok diesen Monat bereits einmal....therapiert. Ich bitte Sie sich die Sache noch einmal zu überlegen, es ist wirklich nicht empfehlenswert ihn ein weiteres Mal...."
 „Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt", schallte der König. „Ich habe mir dieses erbärmliche Schauspiel schon zu lange angeguckt. Mein fähigster Magier weiß nicht einmal mehr wie man eine einzelne Person aufspürt! Das ist doch lächerlich!"
 „Minseok hat mit den letzten Therapien große Fortschritte gemacht und Teile seiner Erinnerungen sind auch wieder zurück gekommen, doch wir müssen der Sache Zeit lassen,andernfalls..."
 „Mich interessieren die Umstände nicht mehr", fiel er ihr ins Wort und sein Tonfall duldete keine weiteren Widersprüche. Ich verstand derweil kaum etwas.
 Mir war klar das Minseok seine Erinnerungen verloren hatte und dies weil er damals diesen Zauber auf Kai abgefeuert hatte, wobei der Reflectare den Kai besaß, den Zauber auf Minseok zurück geschickt hatte. Nun hatte diese Frau jedoch gesagt das Minseok einen Teil seiner Erinnerungen aufgrund von....Therapien zurück erhalten hatte und dies machte wohl Sinn. Ich erinnerte mich daran, dass als Lay mir von Sehuns angeknackstem Seelenspiegel erzählt hatte, Minseok sofort an die einzige Seele gedacht hatte, die mal vor seinen Augen komplett zerbrochen ist.
 Nach dem was Kai mir erzählt hatte, musste es sich dabei um den Seelenspiegel des Magiers Tao gehandelt haben der Kai in Folge dessen den Reflectare auferlegt hatte. Und daran hatte sich Minseok wieder erinnert, obwohl seine Erinnerung ja eigentlich als ausgelöscht galt...war dies also das Produkt der...'Therapien' wie Minhae sie genannt hatte?
 „Aber...!"
 „Ich DULDE keine Widersprüche mehr!", rief der König aus und die schöne Frau beugte untertänig den Kopf. „Na los jetzt und benutze mehr Energie als bei den Malen zuvor."
 'Energie?', fragte ich mich verwirrt, hatte Minhae nicht die ganze Zeit von 'Therapie' gesprochen?
 Ich sah sie kurz die Augen schließen und schwer hinunter schlucken, dann wandte sie sich mit entschuldigender Miene zu Minseok um. Der Magier stand zitternd vor ihr, sein Körper war völlig seinem Willen entglitten und das ängstliche Beben lies sich nicht unterdrücken.
 „Es tut mir Leid", flüsterte die Frau mit trauriger Stimme, bevor sie tief einatmete. Einmal. Zweimal. Die Zeit lief langsamer. Staubpartikel tanzten in der Luft. Die Vögel im Garten unterbrachen ihr Lied. Kein Insekt zirpste. Der Wind legte sich nieder. Minhae hob ihre schmalen Hände an. Minseok entließ ein leises wimmern. Die Welt stand still.
 Ein Moment der Ruhe.
 Die Ruhe vor dem Sturm.  
 „Was macht sie da?", hörte ich mich flüstern, doch ich vernahm meine eigene Stimme wie aus scheinbar weiter Ferne. Wenn mir irgendjemand geantwortet haben sollte, so ging dies unter in den Schreien die kurz darauf einsetzten.

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