Es war eine Schande das 'Staatsfeind Nummer Eins' noch immer auf freiem Fuße durch das Königreich spazierte und es war eine noch weitaus größere Schande das besagter 'Staatsfeind Nummer Eins' auf ein Neues, alle Macht auf seiner Seite hatte. Denn er hatte wieder einmal alle Erlaubnis meine Essensportionen zu kürzen und zu kürzen und zu kürzen. Was ihm von meiner Seite her gehorsame Unterwerfung und stilles Ertragen einbrachte. Was nützte mein Status als Prinz schon, wenn ein einfacher Eventplaner mir alles Essentielle im Leben mit einem Fingerschnippen wegnehmen konnte? Eine Ode an mein Leben...
Kwanghee kratzte sich am Hinterkopf und vielleicht lag es ja daran, weil er spürte wie meine Blicke sich in seine Haut brannten...vielleicht juckte es ihn aber auch bloß. Das blieben Spekulationen.
„Wenn Sie Ihre Stirn nicht glätten bekommen Sie Falten Luhan", murmelte Key konzentriert und richtete eine abstehende Strähne um neunzig Grad in die entgegengesetzte Richtung. Anschließend trat er mit verengten Augen einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. Er drehte dieselbe Strähne mindestens noch vier Mal herum, bevor er seufzend aufgab. „Kann ich die einfach weg schneiden? Sie passt nicht in mein Bild."
Ich betrachtete meine Haare im Spiegel. „Wieso? Ich sehe keinen Unterschied."
„Natürlich nicht", grummelte er empört. „Sie verstehen von solchen Dingen nichts."
Innerlich verdrehte ich die Augen (ich wagte es nicht dem Drang tatsächlich nachzugeben, aus Angst Key würde mir dann den Kopf rasieren) und wandte mich wieder Kwanghee zu, der nichts ahnend an einem Stück Gebäck herum kaute. Kalter Hass brodelte in mir hoch. Das hätte mein Gebäck sein können!
Genau wie vor zwei Jahren hatten Kai und ich uns auch dieses Mal nicht so recht mit Kwanghee anfreunden können (das Wiedersehen nach anderthalb Jahren wurde weder von uns noch von ihm wirklich glücklich begrüßt) und genau wie damals auch, nutzte der Eventplaner jede Chance aus, um uns seine Rache spürbar zu machen.
Das Event das er nun jedoch plante war ein weitaus größeres und spektakuläreres als die Hochzeit vor zwei Jahren. Die Krönungszeremonie die Kwanghee leiten sollte, raubte uns allen auch den letzten Nerv.
Vor allem da ich auf ein Neues auf eine Diät gesetzt wurde (die meiner Meinung nach völlig unbegründet war) uns zwar mit der Begründung das ich 'gewisse Dinge ganz schön vernachlässigt hatte'. Natürlich hatte Kwanghee das Eis zwischen uns somit nicht gebrochen sondern in Flüssigen Stickstoff verwandelt (ein Chemikalischer Stoff von dem mir Lay einmal erzählt hatte). Erst zwei Wochen zuvor hatte ich das hungern so sehr satt (haha Wortspiel) das ich mich spät abends in die Küche geschlichen hatte, mit der Entschlossenheit eine Nudelsuppe zuzubereiten. Dass das Rezept, das ich Jahre zuvor bei Lóng zum ersten Mal erprobt hatte, tatsächlich einmal zum Einsatz kommen würde, hätte ich gewiss nicht erwartet, doch umso mehr freute ich mich darauf. Obwohl sie etwas fahl schmeckte und bei weitem nicht an den Geschmack der damaligen Nudelsuppe herankam, war ich dennoch aufgeregt genug gewesen, um in mein Zimmer zurück zu hüpfen, Kai aus den Federn zu ziehen und in Richtung Küche zu deportieren.
Noch immer halb am Dösen ( Kai brauchte immerzu eine Ewigkeit um wach zu werden) setzte ich ihm einen Teller dampfender Nudelsuppe vor die Nase und drückte ihm einen Löffel in die Hand, weil ich ihm das Essen mit Stäbchen gerade wirklich nicht zutraute. Sobald das Nutzgerät in seiner Hand lag tauchte er es automatisch in die Flüssigkeit und dann zu seinen Lippen. Die Verbrennung die er davon erhielt rüttelte ihn wach, doch er hörte nicht auf zu essen.
„Und gefällt sie dir?"
„Ich liebe dich", hatte er bloß zwischen zwei Bissen geantwortet und zufrieden mit der Antwort hatte ich mich an meinen eigenen Teller gesetzt. Als beide Teller leer waren, machten wir uns gar nicht mehr die Mühe uns neu einzuschöpfen, sondern stellten den Kochtopf einfach auf den Tisch zwischen uns und tauchten unsere Löffel dort ein.
Mit aufgeblasenen Bäuchen und einem warmen Gefühl ihm Leib waren wir, eine gefühlte Tonne schwerer, ins Bett gefallen, wobei ich meinen Kopf, wie üblich, auf seiner Schulter ablegte.
Die Bahn meiner Feuerspeienden Augen wurde unterbrochen von einem recht kleinwüchsigen Mann, der den Raum gerade betreten hatte, einen Korb voll Blumen am Arm hinunter baumelnd. „Tut mir Leid für die Verspätung", entschuldigte sich Baekhyun und schenkte uns eines seiner Markenzeichen-Lächeln. Breit und blendend. „Ah Kwanghee, jemand hat einen Kerzenständer im Zeremonie Saal umgeworfen und Wachs auf den teuren, roten Teppich vergossen, ich glaube das sollten Sie wiss-" Baekhyun hatte den Satz noch nicht einmal vollendet, da war der zum Eventplaner degradierte Hochzeitsplaner auch schon zur Türe hinaus. Ich hatte ihn noch nie zuvor so schnell rennen gesehen.
„Ach du meine Güte, das gleicht ja einer Katastrophe", keuchte Key erschrocken. „Was ist mit den Vorhängen? Ich hab sie eigenhändig genäht! Wehe dem armen Trottel der mein Meisterwerk ruiniert hat!" Key krempelte bereits seine Ärmel hoch, während er zur Tür marschierte, als Baekhyun in Gelächter ausbrach.
„Keine Sorge. Ich hab nur geblufft." Mit einem Augenzwinkern kramte der junge Diener ein in Papier eingewickeltes etwas aus dem Blumenkorb und warf es mir in den Schoß.
„Und aus diesem Grund bist du mein Lieblings Persönlicher Diener", erklärte ich mit einem Funkeln in den Augen, als ich das Papier um den großen Muffin aufwickelte.
Key und ich entließen gleichzeitig einen Seufzer der Erleichterung.
„Ich weiß", grinste Baekhyun nur und reichte seinen Korb dann an den Designer weiter.
„Sind das die Blumen für den Anzug?" Er runzelte verwirrt die Stirn. „Ich hatte doch nur eine einzige Rose bestellt."
„Ja. Ich soll dir ausrichten das der Rest für dich ist."
Key errötete peinlich berührt, holte eine Rose aus dem Blumenstrauß heraus und warf den Korb dann zurück auf den Tisch. „So ein Volltrottel", murmelte er, während er mir die Blume in die Westentasche schob. Das Key damit Jonghyun, den Floristen aus dem Gewächshaus, meinte, war natürlich allen Anwesend (sprich Baekhyun und mir) klar, dass er die Beleidigung jedoch nicht wirklich ernst meinte, offenbarte der glänzende, goldene Ring den Key seit einer Weile am Ringfinger trug, wobei die eingeritzten Initialen ‚K+J' verräterisch zu uns herüber lächelten. Auch die Tatsache das Key das Blumenkörbchen mit liebevollem Blick musterte wenn er glaubte Baekhyun und ich schenkten ihm keine Beachtung, sprach Bände für sich.
„Und, waren Minseok und Lay bereits hier?", fragte mein Persönlicher Diener, während er sich auf die Couch warf und es sich gemütlich machte.
„Nein, komischerweise nicht", gestand ich, wobei meine Verwirrung deutlich aus meiner Stimme heraus zu hören war. Eigentlich hätte ich erwartet das die Magier aufgrund eines so wichtigen Events nicht mehr von meiner Seite zu lösen wären, auch wenn es nur darum ging mich zu sticheln und nervös zu machen, doch eigenartigerweise hatte ich beide seit bereits einer Woche immerzu nur flüchtig zu Augen bekommen.
Baekhyun zuckte die Achseln. „Vielleicht haben sie's vergessen."
Das entlockte mir ein helles Lachen und ich schüttelte den Kopf. „Ich würde behaupten, das ist unmöglich, aber wer weiß das schon bei den beiden." Baekhyun und Key stimmten mir zu.
Dass die Bande zwischen Lay, Minseok und mir in den vergangenen zwei Jahren noch stärker geworden war, hatte mich zugegeben ein wenig überrascht.
Nach Sehuns Verschwinden war Lay nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen, entschlossen den Palast ebenfalls zu verlassen und nach seinem besten Freund zu suchen, schien er sich immer weiter abzukapseln. Die Gelegenheit kam jedoch niemals auf. Während Kai und ich durch das Land gejagt wurden, von einer Stadt zur nächsten, dann in alle Herzogtümer und sogar in jedes Dorf das auf unserem Weg gelegen war, wurde Lay von seinen Königlichen Hoheiten befohlen im Palast zu verweilen und ihnen Fortschritte in Sachen Magischer Künste vorzuweisen. Es war als wollten der König und die König nun alles perfektionieren. Kai und mich in unseren Studien der Herrschaftsausübung und Lay und Minseok mit dem Gebrauch ihrer Magie.
Kai und ich konnten uns zunächst keinen Reim auf unsere Lage machen. In Kompanie von dutzenden von Soldaten verbrachten wir ein ganzes Jahr damit das Königreich zu bereisen. Was zunächst ziemlich ernüchternd für uns ausfiel.
Die Herzogtümer begrüßten uns immerzu mit Prunk und Jubel, doch je kleiner die Stadt oder das Dorf wurde und desto ärmer die Menschen die darin lebten, waren, desto leiser viel die Freude aus uns zu sehen und im ersten Dorf in dem wir Halt machten, bildeten die Menschen einen stillen Pfad an den Rändern der Straße und blickten still und wütend zu uns hinauf. Kein Jubel, kein Wort, kein Lächelndes Gesicht. Sie blickten uns an und mir gefror das Blut in den Adern. Ich sah ihren Gesichtern den puren Hass und die Abscheu an und fühlte mich schrecklich in meiner eigenen Haut.
„Was haben diese Menschen gegen uns?", hatte ich Kai leise gefragt und er hatte ein schweres Seufzen entlassen.
„Sie denken der Adel lebt so prunkvoll auf Kosten der armen Arbeiter dieses Landes. Die halten uns für hochnäsig und arrogant." Auch Kai sah von diesem Umstand ziemlich bedrückt aus. „Mach dir keine Gedanken um sie. Am besten wir verlassen dieses Dorf so schnell wie möglich wieder, dann wird uns auch nichts geschehen."
'Aber das würde der Sache nicht helfen', hatte ich gedacht und aus dem Kutschenfenster in die düsteren Gesichter der Passanten geblickt. 'Jetzt und hier einfach an ihnen vorbei zu fahren, wird ihr schlechtes Bild von uns nicht reinigen'. Und im Bruchteil einer Sekunde hatte ich einen Plan entworfen der mich eventuell Kopf und Kragen gekostet haben könnte.
„Halt!", hatte ich laut ausgerufen und der Kutscher zog erschrocken die Zügel der Pferde an um sie anzuhalten.
„Luhan was hast du vor?", hatte Kai mir noch hinterher rufen können, bevor ich die Kutschentüre auch schon aufgedrückt hatte und, ohne auf die Soldaten zu achten, aus dem Fahrzeug ausgestiegen war. Meine Füße sanken ein in den nassen Boden, doch ohne mir auch nur das geringste Unbehagen anmerken zu lassen, trat ich ein paar Schritte von der Kutsche fort, bevor ich, vor mich her pfeifend, die Straße hinunter lief. In dem gesamten Dorf war es ganz still geworden. Nicht einmal die Soldaten sprachen und niemand herrschte mich an mich wieder in die Kutsche zu setzten oder mein irrationales Benehmen zu schälten.
Nur meine Füße die durch den Schlamm wateten konnte man deutlich hören. Die Stille begleitete mich etwa zehn Meter lang, bis von hinten plötzlich jemand auflachte, ein dumpfer Schlag zu hören war und Schritte die sich mir schnell annäherten. Kai war plötzlich an meiner Seite aufgetaucht, verschränkte unsere Finger miteinander und schwang unsere Hände hin und her. Wie zwei Kinder die Händchenhaltend durch die Stadt liefen, ganz versunken in ihrer eigenen Welt.
„Ich hab Hunger, wie steht es mit dir?", fragte Kai grinsend und sah sich um, auf der Suche nach einem Lokal in dem man etwas zu Essen bekäme. Gegrüßt wurde er einzig von ein paar sehr fassungslosen Gesichtern. Nichtsdestotrotz begann die Menge sich langsam zu bewegen und auch die Kutsche mit den Soldaten rollte langsam weiter. Niemand hinderte uns daran weiterhin durch den Schlamm zu laufen.
„Ich bin dabei!", bestätigte ich euphorisch und folgte Kais Blick in die Menge. „Mh Entschuldigen Sie bitte, wir sind ein paar Reisende durch das Land und bräuchten dringend eine Kleinigkeit zu essen, könnten Sie und eine Gastronomie empfehlen? Wir können auch gut bezahlen."
„Verschwindet! Wir haben nichts was fein genug ist für euch!", schrie eine Männerstimme aus der Menge zu uns hinüber und ich ließ gespielt enttäuscht die Schultern sacken.
„Ist ein Bier und etwas Reis wirklich zu viel verlangt?" Mir war klar, dass dies das 'Arme Leute Essen' schlechthin war und ich wurde von langem Schweigen entlohnt.
„Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?"
Bevor die Soldaten eingreifen konnten, lachte Kai auf. „Okay okay, entschuldigen Sie, mein Ehemann hat untertrieben. Eine Nudelsuppe würde uns schon eher zu Gute kommen." Und damit taute das Eis plötzlich auf. Von überallher hörte ich Menschen leise Lachen und schließlich rief uns jemand etwas zu. „Nur die Straße hinunter Hoheiten, das große gelbe Haus hat Bier und Nudelsuppen und ein wenig Brot, wenn sie nett fragen."
Kai seufzte erleichtert aus. „Gott sei Dank, so ein Stück Brot würde mir jetzt echt den Tag erwärmen. Heute ist ein Glückstag Luhan!" Ich lachte mit der Menge mit und alle Dorfbewohner schritten neben uns her, während die Sensation des Tages, Seite an Seite mit ihnen durch den Schlamm marschierte. Dabei Dreck in alle Richtungen spritzen lies und sich nicht im Geringsten um die Flecken scherte. Von wegen arrogant und hochnäsig. Das hatten wir mit dieser Aktion deutlich bewiesen.
Leider war dieses eine spezielle Dorf (in dem wir ganze drei Tage verbrachten, einfach weil es uns so gut gefiel) keine Ausnahme. Niemals hätte ich erwartet das die Königliche Familie so unpopulär in ihrem eigenen Reich sein könnte und es stellte sich uns immer öfter die Frage was wohl schief gelaufen war in den letzten Jahren.
Zumindest wussten wir nun also, dass Kais Eltern uns auf Reisen geschickt hatte, weil das Volk ihr Königshaus nicht mehr liebte (wie es zu früheren Zeiten der Fall war) und mit ein wenig Volksnähe sollte dies geändert werden.
Eine andere Sache die wir auf unserer Reise zu hören bekamen, außer die Anschuldigungen bezüglich unserer scheinbaren Arroganz und so weiter, war das eine ganz andere Gruppe von Menschen gerade ordentlich Hass über das Königshaus verteilte. Die Gruppe bestand aus Rebellen, die Anhänger im Volk suchten, um sie gegen den Adel zu verbünden. Und offensichtlich waren sie nicht erfolglos geblieben.
Ich wusste dass der König und die Königin schon einmal von diesen Rebellen gesprochen hatten, doch niemand wollte Kai und mir mehr Informationen zu ihrem Ursprung oder ihrer Mitgliederzahl geben. Man meinte nur, dass sie sich gerade im Untergrund stark machten und auf den richtigen Zeitpunkt warteten. Viele jedoch bezweifelten das dieser Zeitpunkt jemals kommen würde. Und mit genug Anstrengung seitens Kai und mir, würde dies auch der Fall werden.
Lay, der während der gesamten Zeit im Palast gefangen war, beneidete Kai und mich wegen unserer Reisen und das erste was er mich fragte, als wir in den Palast zurückkehrten war, ob Sehun Kontakt zu mir aufgenommen hatte.
Was ich leider verneinen musste.
Über das ganze Jahr hinweg hatte ich immerzu ein Auge offen gehalten falls irgendwo plötzlich Sehun zu sehen wäre. Doch nicht ein einziges Mal hatte ich den blonden Jungen in einer der Mengen erspähen können. Vielleicht war dies jedoch mit Hinsicht auf die vielen Soldaten und Magier die uns auf unserer Reise immerzu begleitet hatten, ganz gut gewesen. Lay hatte dies schweren Herzens akzeptiert.
Von da an, hatte er sich vorgenommen die Zeit einfach verstreichen zu lassen und versucht sich weniger Gedanken um seinen Freund zu machen. Und es war die richtige Entscheidung gewesen, denn bald hatte ich endlich wieder den alten Lay zurück erhalten. Und während dieser langsam wieder aufblühte, taute auch Minseok wieder auf. Als wäre Lays Fröhlichkeit eine ansteckende Krankheit.
Minseok hatte mittlerweile fast alle seine Erinnerungen an sein früheres Leben zurück erlangt. Alles dank Minhaes 'Therapien' die Minseok über sich ergehen lassen musste, während Kai und ich auf Reisen waren. Mit jeder Erinnerung schien Minseok ein wenig mehr zu zerbrechen und beugte sich förmlich unter der Last seiner Erfahrungen, bis bald nur noch Schatten und Dunkelheit von ihm übrig waren. Doch mit Lay's positiver Einstellung kehrte auch Minseoks fröhliches Selbst wieder zurück und es war eine enorme Erleichterung.
Eine Erleichterung für jeden der sich um Minseok gesorgt hatte, so zum Beispiel Baekhyun, mein Persönlicher Diener, der seit nunmehr zwei Jahren in meinen Diensten stand. So zumindest wollten wir es irgendwie erscheinen lassen, doch ehrlich, wir hatten schon längst vergessen dass wir nicht einfach nur gute alte Freunde waren. So eigenartig es auch klingen mag.
In all den Jahren in denen Kyungsoo als mein Persönlicher Diener fungiert hatte, hatte ich den jüngeren Mann in mein Herz geschlossen, doch niemals hätte ich oder er gewagt, die Grenzen unserer Sozialen Stände einfach zu überschreiten und einander gleichauf zu behandeln. Irgendwie hatte dies bei uns nie funktioniert. Baekhyun dagegen war ganz anders. Ich hatte sofort das Gefühl das er mich mehr als Freund, als als Vorgesetzten betrachtete und ehrlich, irgendwie mochte ich diese neue Ungezwungenheit mit der sich ein Diener in meiner Nähe bewegen konnte. Keine steifen Verbeugungen, kein unnötiges Majestät hier und da und keine Sandhandschuhe wenn ich mal eine ernsthaft, kritische Meinung wollte. Baekhyun war all das, offen, warmherzig, ehrlich und gleichzeitig freundlich und fürsorglich.
Vielleicht fiel ihm diese lockere Einstellung so leicht, weil er die Standesgrenzen mit Chanyeol schon einmal überschritten hatte, oder es war einfach seine Art.
Lang fasst sich kurz, Baekhyun wurde ein echter Freund für mich und gerne teilte ich meine Freunde auch mit ihm. Chanyeol hatte ich ja bereits hoffnungslos an den Braunhaarigen verloren, doch Minseok und Lay standen noch bereit für ein Kennenlernen und wie erwartet, schlossen sie den lustigen Diener (und seine größere, andere Hälfte mit dem gruseligen Grinsen) gleich mit in ihr Herz. Somit war unsere Gruppe aus fünf erst einmal komplett.
Was Chanyeol überhaupt im Palast machte, ließ sich der Öffentlichkeit problemlos erklären: 'Prinz Luhan möchte seinen Kindheitsfreund als seinen Persönlichen Berater in Sachen Koreanischer Adelssitten und Politik und was ihn eben sonst noch so beschäftig halten sollte, machen.' Damit war Chanyeol bei ihm Zuhause im Süden des Landes ein gefeierter Mann, während hier im Palast eine andere Person gefeiert wurde: Ich.
Da ich Baekhyun hierher gebracht hatte und 'gestattete' das dieser und Chanyeol ein Paar sein konnten (diskret und ohne Aufsehen zu erregen) wurde ich mit Dank und Tränen überschüttet und fand das ich nichts von beidem wirklich verdiente. Immerhin hatte ich mich anfangs so schrecklich verhalten, doch mir wurde glücklicherweise verziehen und somit ließ auch ich das schlechte Gewissen das immerzu an mir genagt hatte, einfach davon gleiten. Ohne Felsen die einem auf die Seele drücken ist das Leben gleich viel leichter.
Was uns allen, zwei Monate nach Chanyeols und Baekhyuns Erscheinen, einen kleinen Schrecken einjagte, war die Tatsache dass nun auch Chen in den Palast kommen sollte. Als Chanyeols Verlobtem sollte er zumindest schon einmal anfangen im selben Haushalt wie sein zukünftiger Ehemann zu leben...Diese Begründung war natürlich Quatsch mit Soße, doch seine Eltern wollten ihren Sohn wirklich sehr dringend auch im Palast neben dem Königspaar wissen, also schüttelten sie aus den Ärmeln was sie nur konnten. Und Kais Eltern stimmten Achselzuckend ein. Der Palast war immerhin groß genug und wenn Chanyeol schon da war, wieso Chen nicht auch einfach?
Um ehrlich zu sein freute ich mich zunächst über den Besuch meines alten Freundes, bis ich hörte das besagter Besuch auf ‚Unbefristet' festgelegt wurde und natürlich versprach dies mit Baekhyun und Chanyeol, die nicht voneinander lassen konnten, schwer zu werden.
Wir schoben eine Weile Panik und Baekhyun hatte bereits seine Sachen gepackt, um das gemeinsame Zimmer mit Chanyeol zu verlassen und in das Bediensteten Zimmer zurück zu ziehen, dass er offiziell ohnehin bewohnte, bis Chen schließlich ankam.
Er wirkte ein wenig zerknirscht, fast durch den Wind, als er sich vor Kai und mir verbeugte um uns zu begrüßen. „Ich weiß eigentlich wirklich nicht, was ich hier zu suchen habe", seufzte er und zerzauste das Haar an seinem Hinterkopf. „Ich glaube ich wurde gerade von meinen Eltern aus dem Haus geworfen."
Daraufhin hatte ich gelacht, Chen fest umarmt und ihm ehrlich gesagt, dass ich mich freute ihn hier zu sehen. Kai hatte sich mir angeschlossen.
Daraufhin führten wir unseren Langzeit Gast in sein Zimmer und begegneten Chanyeol auf dem Weg. Natürlich wusste er, dass Chen an diesem Tag anreisen würde, doch er hatte nicht den Mumm gehabt ihn mit Kai und mir zu begrüßen.
Schwer schluckend war er vor uns getreten, während seine gesamte Aufmerksamkeit auf unseren Gast gerichtet war. „H-hey", hatte er ihn unsicher begrüßt und direkt zu Boden gestarrt. Das schlechte Gewissen deutlich auf dem Gesicht abgezeichnet. Großartig.
„Hi Chanyeol! Lange nicht gesehen Kumpel, alles klar bei dir?"
Der andere hatte mindestens fünf Mal genickt. Und nicht einmal seinerseits die Frage erwidert.
„Sehr schön. Scheint als würden wir uns nun öfter sehen - wie in alten Zeiten", er hatte mir ein breites, spielerisches Grinsen zugeworfen und ich schrieb eine Memo an mich selbst, dass ich ihm unbedingt Lay vorstellen musste. Mein Gefühl sagte mir dass die beiden sich hervorragend verstehen würden. (Und das war gruselig)
„Hör mal wegen der Verlobung, das tut mir leid und du bist großartig und toll und ich mag dich, nur die Verlobung eben nicht, verstehst du? Oh nein, nein, nein, so war das nicht gemeint ich meine du bist WIRKLICH super aber ich nicht. Also...verstehst du?" Chanyeol war geplatzt wie ein Luftballon und Kai und ich stöhnten beide leise auf. Sehr großartig.
„Ehrlich gesagt nein", gestand Chen. „Aber es geht um die Verlobung richtig? Keine Sorge Mann, ich hatte nie vor dich zu heiraten, weißt du wie eigenartig das wäre?" Chen schüttelte es und ich musste mir auf die Unterlippe beißen um nicht laut los zu lachen. Es gab nämlich tatsächlich mal eine Zeit (vor Baekhyun) in der Chanyeol ein wenig von Chen geschwärmt hatte (zugegeben ich auch – vor sehr, sehr langer Zeit) und wäre das mit Baekhyun nie geschehen, dann konnte ich mir gut vorstellen wie Chanyeol jetzt geschaut hätte, bei der Antwort die ihm Chen gerade gegeben hatte. Wirklich zum Brüllen komisch.
„Mh...okay? Das heißt du findest es okay, wenn wir ganz normale Freunde bleiben?"
„Natürlich!"
„So ganz ohne Verpflichtungen?", setzte Chanyeol an.
„Klar!"
„Und...du weißt schon, uns alles erzählen können und so?"
„Ja."
„So richtige Freunde eben?"
Chen schwieg für eine Weile, er wirkte mittlerweile sehr genervt.
„Also so richtige freundschaftliche Freunde, die-...."
„Weißt du was?", unterbrach ihn Chen. „Ich hab's mir anders überlegt. Wir sollten das freundschaftliche Freunde sein, einfach lassen okay? Cool so denke ich auch. Bye."
Er wollte an ihm vorbei laufen, doch der größere Mann schmiss sich an seine Seite und flehte ihn an, stehen zu bleiben und es sich noch einmal zu überlegen.
„Er ist ziemlich cool, das muss ich gestehen", flüsterte Kai mir ins Ohr, während wir die zwei anderen beim Raufen beobachteten.
„Stimmt", bestätigte ich grinsend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wir haben uns Sorgen gemacht. Wie unnötig."
„Na ja, noch weiß er nicht das Chanyeol mit Baekhyun zusammen ist."
„Und wenn schon", ich zuckte die Achseln. „Das wird gewiss auch nichts mehr ändern."
Und das tat es nicht. Chen erfuhr bereits am nächsten Tag von Chanyeol persönlich von der kleinen Überraschung, worauf Chen nur die Achseln zuckte. „Herzlichen Glückwunsch Mann", sagte und das Thema dabei belassen wurde. Kurz darauf lernte Baekhyun seinen selbsternannten ‚Rivalen' kennen und freundete sich so schnell mit ihm an, dass Chanyeol die beiden Scherze reißenden Männer nur mit offenem Mund anstarren konnte, während er vergessen links liegen gelassen wurde.
Die Begegnung mit Minseok und Lay verlief nicht anders, wobei Lay, als ich ihn förmlich Chen vorstellen wollte nur den Kopf schüttelte und zu meiner Überraschung offenbarte, die beiden würden einander schon von irgendeiner Party her kennen. Damals hatte ich nicht weiter nachgefragt weil Lay für den anderen Mann ein kurzes Lächeln aufbrachte (mehr als ich in den letzten Monaten bekommen hatte), bevor er umdrehte und in sein Zimmer verschwand. Chen hatte ihm besorgt hinterher geblickt und gefragt was mit ihm los sei. Ich antwortete ihm, dass er gerade eine schwere Zeit durchmachte, die hoffentlich bald vorbei sein würde.
Kurz darauf traten Kai und ich unsere große Reise an, wobei Baekhyun mich natürlich begleiten musste und Chanyeol ebenfalls aufs Pferd aufsprang. 'Die Pflichten die ein Persönlicher Berater zu leisten hatte, glichen denen die ein Persönlicher Diener leistet' hatte mal jemand darüber gespaßt und ich hatte mitgelacht. Zu laut und zu schief, bis Kai mir seinen Ellenbogen in die Seite gerammt hatte und ich verstummt war.
Chen blieb in dieser Zeit im Palast zurück und ich hatte ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber, doch in einem seiner ersten Briefe beschwichtigte er mich sogleich. Offensichtlich hatte die Palastbibliothek Bücher zur Verfügung die in normalen Bibliotheken unzugänglich oder schlichtweg nicht vorhanden waren, und Chen als Forscher und begeisterter Leser machte sich sogleich in ihr heimisch. Seine Hauptprofessur bestand darin, eines Tages das Stück Land seiner Familie zu erben und darüber zu regieren, doch in Wahrheit schlug sein Herz für die Forschung, Wissenschaft, Mathematik, Physik und so weiter. Auch Erfindungen die den Alltag erleichtern sollten, hatte er schon eigenhändig angefertigt. Damit wusste ich Chen zumindest glücklich und zufrieden. Und sollte er doch einmal einsam werden, so war Lay ja auch noch da. Wobei ich ehrlich gesagt, jedoch eher hoffte das Chen eine Auge auf Lay warf als andersherum. Ich machte mir wirklich Sorgen darüber, dass Lay eines Tages einfach beschloss das Schloss zu verlassen und den Adel somit zu verraten. Die Folgen wären schrecklich. Glücklicherweise ist nichts dergleichen im Zeitraum unserer Abwesenheit geschehen. Stattdessen fand ich Lay und Chen immer häufiger gemeinsam in der Bibliothek verweilen, so wie es einst Sehun und der Magier zu tun pflegten. Ich kam einfach nicht darum herum die Sache mit Sehun in Zusammenhang zu bringen, so wie mich immerzu und unweigerlich die kleinsten Details, Momente und Erinnerungen immer wieder an Sehun denken ließen.
Er fehlte mir.
Er fehlte mir so sehr.
„Wieso isst du nicht Luhan?" Baekhyun neigte den Kopf verwirrt zur Seite. „Geht es dir nicht gut?"
Ich verneinte schnell mit einem Kopfschütteln und führte das Gebäck zu meinen Lippen. Ich hatte gerade Abgebissen, als ich hörte wie die Türklinke hinunter gedrückt wurde. Key, Baekhyun und ich fuhren erschrocken zusammen, ich ließ den Muffin hinter meinem Rücken verschwinden und schluckte den großen Bissen mühsam hinunter. Ich betete zu allen Göttern, dass an meinen Mundwinkeln keine Krümel kleben geblieben waren, denn Kwanghee würde sie bemerken und seine Rache würde blutig ausfallen.
Nur trat nicht Kwanghee in den Raum ein, sondern ein Mann mit dunkelbraunem Haar und einem jungenhaften Grinsen auf den Lippen. Ich atmete erleichtert aus. „Kai, verflucht hast du mich erschrocken."
„Was ist?", fragte er, schloss die Türe hinter sich und grüßte Baek und Key mit einem kurzen Winken. „Wen hast du erwartet?"
„Kwanghee", antwortete ich ehrlich und verwirrt blickte der andere sich um.
„Stimmt, wo ist der? Man hat mich hierher geschickt weil er uns anscheinend wohin bringen soll?"
„'Wohin?' Das klingt sehr vage."
Kai zuckte die Achseln. „Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung was mit 'wohin' gemeint war, aber Taemin selbst wurde auch nicht weiter informiert, daher konnte er mir auch keine weiteren Angaben geben."
„Na dann, werden wir wohl selbst sehen müssen was uns erwartet." Dann warf ich dem anderen ein breites Grinsen zu und winkte ihn noch näher heran. Verwirrt kam er meinem Wunsch nach, bis er direkt vor mir stand und ich den Muffin hinter meinem Rücken hervor zauberte. „Tadaaaa." Kais Augen wurden rund und glücklich.
„Wow wie bist du nur an den ran gekommen?"
Ich deutete mit einem Kopfnicken zu Baekhyun der uns amüsiert beobachtet. „Ihr benimmt euch schlimmer als die Bettler auf der Straße", kommentierte er und strich sich die Haare aus der Stirn.
Kai und ich zuckten bloß die Achseln, während ich Kai das Gebäck in die Hand drückte, er einen großen Biss nahm und dann wieder zurückgab. Bevor ich ihm den Muffin das nächste Mal geben konnte, hielt er meinen Arm fest, zog mich von meinem Stuhl auf, tauschte Position mit mir, setzte sich auf meinen Platz und zog mich dann auf seinen Schoß. Dann aß er den Muffin bequem (und faul) aus meiner Hand heraus. Ich lehnte mich gegen seine Brust zurück.
„Manchmal kann ich einfach nicht glauben, dass ihr nicht vögelt", murmelte Key und Baekhyun nickte hektisch mit dem Kopf.
„Genau dasselbe habe ich auch gerade gedacht!"
„Wieso?", wollte ich stirnrunzelnd wissen. Key hatte schon vor Jahren herausgefunden dass Kai und ich unsere Beziehung auf rein Freundschaftlicher Ebene hielten und Baekhyun hatte ich die ganze Geschichte im Laufe der Jahre persönlich erzählt. Er wusste so viel wie kein anderer, wusste von dem Zauber Bescheid der mir Kyungsoos Erinnerungen implantiert hatte und somit wusste er auch dass Kai und Kyungsoo einst ein Paar gewesen waren, auch das ich eine Liaison mit Kais verstoßenem Halbbruder gehabt hatte, hatte ich meinem besten Freund irgendwann gestanden und es war eine Information die kaum jemand hatte. Weil sie so schrecklich gefährlich war. 'Ziemlich mies gelaufen', hatte er geschlussfolgert und den Rest der Weinflasche hinunter gekippt die wir an diesem Abend zwischen uns aufgeteilt hatten.
„Schaut euch doch mal an! Ihr teilt euch ein Zimmer, inklusive Bett und manchmal sogar Kopfkissen! Gott wie oft bin ich am Morgen schon bei euch aufgekreuzt, während ihr eng umschlungen geschlummert habt!", erklärte Baekhyun und warf fassungslos die Arme in die Luft.
„Kai ist anhänglich wenn er schläft!", protestierte ich und der dunkelhaarige verdrehte die Augen.
„Ich? Luhan merkst du eigentlich das DU immer nach MIR greifst?"
„Du bist schön warm, okay? Wie ein kleines Lagerfeuer an dem man sich nicht verbrennt!"
Kai prustete los.
„Okay, und was ist mit jetzt gerade?", mischte sich Baekhyun unzufrieden ein.
„Was soll schon sein?", grinste Kai spöttisch und legte das Kinn auf meiner Schulter ab um Baekhyun ein unschuldiges Lächeln zuzuwerfen.
„Ihr habt stets Körperkontakt, lacht über Witze die nur ihr versteht, passt immer aufeinander auf und seid kaum auseinander zu kriegen! Kommt schon gebt es zu, in Wahrheit seid ihr mehr als bloß Freunde!"
Kai lachte auf Baekhyuns Sherlock Holmes-Kommentar nur laut los. „Natürlich! Wir sind immerhin verheiratet und leben seit über zwei Jahren zusammen, sehen uns jeden Tag und müssen in der Öffentlichkeit Händchen halten und uns küssen. Was glaubst du denn wie wir uns dann in unserer Freizeit benehmen sollen? Kalt und distanziert?" Die Vorstellung erschien auch mir lächerlich genug um laut los zu lachen.
Es war nun einmal unbestreitbar das Kai und ich in den zwei Jahren wirklich, bemerkbar aneinander gewachsen waren. Nachdem wir endlich genug gestritten hatten und sowohl Kyungsoo als auch meine blöde Eifersucht aus dem Weg geräumt wurden, wurden wir echte Freunde. Freunde wie wir sie sicher auch von Anfang an gewesen wären, bevor diese ganze Sache mit Kyungsoo und mir geschehen ist.
„Wie ihr meint", gab sich Baekhyun geschlagen, im selben Moment als Kai einen Krümel aus meinem Mundwinkel wischte und sich den Daumen anschließend über die Lippe führte. Baekhyun presste seine eigenen Lippen fest aufeinander um ja keinen Kommentar dazu abzulassen. Key schnaubte bloß.
Kurz darauf platzte Kwanghee mit rotem Gesicht und wütenden Augen in das Zimmer ein. „Der Zeremonie Saal ist völlig in Ordnung!", rief er aus, sauer und erleichtert zugleich.
„Ach so, stimmt, muss ich wohl geträumt haben", erklärte Baek lässig und gähnte demonstrativ.
„Geträumt?", herrschte ihn Kwanghee fassungslos an.
„Ja oder eingebildet, was weiß ich."
Seufzend schüttelte Kwanghee seinen Kopf hin und her und deutete dann erschöpft auf Kai und mich. „Eure Hoheiten es wird Zeit."
„Aber die Zeremonie beginnt doch erst in drei Stunden, dachte ich."
„Das ist richtig, aber...", er wirkte selbst ein wenig zerstreut und unsicher was er nun sagen sollte. „Sie...es ist eine Anweisung ihrer Eltern, also folgen Sie mir bitte einfach."
Mit verwirrten Gesichtern kamen wir der Bitte entgegen, standen von unserem Stuhl auf und trotteten Kwanghee wie zwei Entenkinder hinterher. Key und Baekhyun wurde verboten uns zu folgen und langsam erhielt ich ein sehr, sehr ungutes Gefühl in der Magengrube.
Der Raum in den uns Kwanghee eintreten ließ, war verdunkelt, indem sämtliche Vorhänge zugezogen wurden, doch die vielen Kerzen die den sehr großen Raum an den Wänden säumten, spendeten genug Licht um die meisten Gesichter der vielen Anwesenden zu erkennen und zu identifizieren. So dauerte es keine ganze Sekunde, bis ich Lay und Minseok, neben Minhae und noch einem anderen Mann, stehen sah. Das ungute Gefühl in meiner Magengrube fühlte sich mittlerweile an wie ein schreckliches Geschwür.
„Was machen die vielen Menschen hier?", hörte ich mich unsicher fragen und ein Lachen kam mir zur Antwort.
„Aber Luhan mein Kind!" trat der König heraus und schenkte uns beiden ein breites Grinsen. „Sieh doch genauer hin, das sind keine Menschen."
Und ich sah genauer hin, doch ich sah nicht was der König wohl meinte. „Verzeihung aber ich sehe nicht den Unterschied zwischen diesen Leuten und uns." Die Königin schnappte erschrocken nach Luft und Kai zog mich am Ellenbogen näher zu sich heran.
„Es sind alles Magier", klärte er mich auf und drückte fester zu, um mir zu verstehen zu geben, dass ich nun am besten den Mund halten sollte. Was ich tat. Ich presste meine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, in der Hoffnung nicht noch einen weiteren Fauxpas durchgehen zu lassen.
„Du warst schon immer zu freundlich", winkte der König ab und lachte als wäre nichts geschehen. „Wie dem auch sei, es gibt etwas das Traditionell vor der Krönung vollstatten gezogen wird." Der König blickte zur Seite und aus den Schatten lösten sich zwei weitere Gestalten. Nur mit Mühe konnte ich mir ein erfreutes Auflachen verkneifen. Meine Eltern!
„Es ist eine Tradition die seit jeher in jedem Königreich vollstatten geführt wird. Und dieses Mal, da ihr beide unsere Könighäuser vereint habt, wird die Zeremonie der Magier, zusammen durchgeführt", erklärte mein Vater, während meine Mutter mir lächelnd zu zwinkerte.
„Zeremonie der Magier?", fragte Kai verwirrt nach. „Was bedeutet das?"
„Ich werde es dir zeigen", meinte sein Vater und drehte sich zu den Menschen die in einem großen Kreis um uns herum standen um. Sie alle wirkten sehr bleich – vielleicht hing dies jedoch auch mit dem spärlichen Licht zusammen.
„Du" Kais Vater deutete mit dem Finger auf einen kleinen Mann mit schwarzem Haar das ihm in die Augen fiel. Ich hatte ihn im Palast höchstens ein- oder zweimal gesehen und dann war er immerzu mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern an mir vorbei gelaufen. Ich hatte mich nicht weiter um ihn gekümmert. Dass er jedoch ein Magier sein könnte, hätte ich niemals erwartet. Als der König nun auf ihn zeigte, zuckte der Mann heftig zusammen und blickte langsam auf.
„J-ja Eure Hoheit?"
„Geh in Flammen auf."
Alles wurde ruhig, nur der spöttische Befehl hallte in meinen Ohren nach und erzeugte einen Druck der alle weiteren Geräusche irgendwie ausblendete. Hatte ich das gerade richtig verstanden? Der Magier schluckte schwer, er zitterte am gesamten Leib, als er den König fassungslos anstarrte. Dieser seufzte frustriert. „Na mach schon, ich will mich nicht immer wiederholen müssen." Er blickte ihn fest an. „Ich befehle dir Magier: Geh in Flammen auf." Und plötzlich brannte der Mann lichterloh. Ich stolperte zwei Schritte zurück, als der Raum plötzlich grell erhellt wurde und Wärme mir ins Gesicht schlug. Feuer war aus dem nichts aufgetaucht und hüllte den Mann ein, als stünde er auf einem Scheiterhaufen. Nur breiteten die Flammen sich nicht weiter aus, sie blieben an Ort und Stelle, leckten am Körper des Mannes entlang und brannten ihm die Haut von den Knochen. Er schrie und die Agonie in seiner Stimme trieb mir die Tränen in die Augen. Die kleine Frau die neben ihm gestanden war, zitterte am gesamten Körper, während sie das Geschehen beobachtete. Tränen auf der Wange, die Hände zu Fäusten geballt, die Zähne in der Unterlippe vergraben.
„Das reicht", sagte der König und klang milde gelangweilt. Der Zauber löste sich auf sein Stichwort sofort auf und der Magier fiel zu Boden. Die Frau neben ihm stürzte zu ihm herab und legte ihre Hände auf seine Brust. Das Wimmern des Mannes verstummte.
„W-was sollte das?", fragte Kai schockiert und das Zittern in seiner Stimme enttarnte seine Erschütterung.
„Das mein Sohn ist eine Zurschaustellung unserer Macht."
„Macht?"
„So ist es. Bevor ihr das Volk bändigt, müsst ihr zunächst die Magier bändigen. Das ist eine Tradition die sich seit Jahrhunderten nun so abspielt und mit jeder Machtübernahme wiederholt wird. Nun seid ihr an der Reihe uns abzulösen und an unserer Stelle die Magier und das Volk unter eurer Kontrolle zu halten."
Nun leuchtete es mir ein. Nun wurde mir endlich alles klar. Kais Hass auf die Magier, war ihm von seinen Eltern eingeprägt worden, um ihn zu lehren dass diese 'Wesen' keine Menschen waren und somit auch nicht wie solche behandelt werden müssten. Und Lays Ausbruch damals, als Sehun ihn an die Lektion seiner Eltern erinnert hatte, dass es ihm zu keinem Zeitpunkt gestattet war einem Mitglied des Könighauses zu verzaubern, kam ebenfalls von den Erfahrungen die seine Eltern auf Zeremonien wie diesen erlebt hatten. Das Königspaar verbreitete Angst und Schrecken über den Magiern und zwang sie zu Gehorsam. Gehorsam der keine Grenzen kannte und einen Magier so weit brachte, dass dieser sich sogar in Feuer aufgehen ließ.
Meine Augen suchten automatisch die von Lay, doch der Junge blickte nur zitternd zu Boden. Es musste seine erste Zeremonie sein, doch offensichtlich wusste er schon was ihn erwartete.
„Minseok", rief der König und kalte Angst umschloss mein Herz. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.
Der Magier löste sich von seiner Position an Lays Seite und schritt langsam in die Kreismitte. Jeder Schritt hallte in dem zu ruhigen Saal nach, bis er vor uns zu stehen kam und den Kopf zu Boden neigte.
„Wisst ihr dass es eine solch große Versammlung an Magiern noch nie gegeben hat? Alle Magier zweier Reiche sind hier versammelt, und sie alle werden euch unterwürfig. So viel Macht hat es noch nie gegeben, das könnt ihr uns glauben." Mein Vater klang sehr stolz, als er uns diesen Umstand erklärte und ich nickte nur ohne meinen Blick von Minseok zu lösen.
„Minseok hier, ist der stärkste Magier der auf diesem Planeten wandelt", der König lächelte, fast sanft. „Ihn zu brechen ist ein symbolischer Akt und zeigt, dass ihr jeden Magier unterwerfen könnt."
Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht zu jemandem werden vor dem Lay und Minseok sich fürchten müssten. Ich wollte ihr Prinz Lulu bleiben, ihr Freund. Kein schrecklich tyrannischer König dem sie gehorchen mussten.
„Minseok, geh auf die Knie." Und die Beine des Magiers wurden schwach, er fiel zu Boden und ließ auch den Kopf hängen. Der König blickte in die Runde der Magier. „Damit auch ihr niemals vergesst wo euer Platz ist. Der stärkste von euch ist nicht stark genug sich dem Adel zu widersetzten, somit ist es keiner von euch." Und in diesem Moment verstand ich auch, dass diese Magier uns hassten. Sie blieben nicht hier, weil sie es wollten oder aus Treue zu ihrem König. Sie blieben weil sie an sie gebunden waren. Sie blieben aus Angst.
„Lasst die Zeremonie beginnen", befahl der König und Kais und meine Eltern zogen sich zurück, während die Magier den Kreis um uns verengten. Ich klammerte mich an Kais Hand fest und wollte nicht, dass geschehen würde was gleich unweigerlichen passieren sollte.
„Es war einmal ein Magier", flüsterte Minseok plötzlich und stand auf um Kai und mir ins Gesicht zu blicken. Seine Augen waren ganz schwarz. „Dieser Magier verliebte sich in einen König der das Land in Frieden regierte, ohne Krieg mit seinen Nachbarländern zu führen oder das Volk zu unterdrücken." Minseok hatte Tränen in den Augen. „Der Magier liebte diesen König aus tiefstem Herzen heraus, er malte ihm Regenbogen an den Himmel, vertrieb Wolken damit sie nicht auf sein Haupt hinunter regneten und stoppte die Zeit, damit er den Sonnenuntergang betrachten könne, so lange es ihm beliebte. Ein Lachen genügte um den Magier zu entlohnen und er fiel immer tiefer in seine Liebe für diesen König hinein, bis es nichts mehr gegeben hätte, was er nicht für ihn tun würde." Minseok atmete zittrig ein. „Doch dieser König war nicht immer gut gewesen und vor allem nicht zu diesem Magier. Er liebte ihn nicht, wie der ihn liebte, doch dem Magier war das gleich, denn allein das der König ihm gestattete in seiner Nähe bleiben zu dürfen, das...das reichte ihm. Er brauchte nicht mehr. Er war zufrieden.
Als der König jedoch in Schwierigkeiten geriet, ersuchte er die Hilfe des Magiers. Er klammerte sich an ihn, bat ihn ihm zu Helfen und ihm seine Feinde vom Hals zu schaffen. Diese Feinde waren die Königshäuser um ihn herum, die ihm sein Land streitig machen wollten und der Magier zögerte nicht dem König jeden Wunsch zu erfüllen. Er im Alleingang zerstörte das Land und den Palast der anderen Könige und kehrte zurück in die Arme seines geliebten Königs." Minseok atmete tief aus. „Als der König verstand was für eine Macht dieser Magier besaß, begann er ihn zu lieben, nicht als Menschen sondern als Waffe, doch das verstand der Magier nicht. Er war geblendet und verliebt und bereit alles zu tun was in seiner Macht stand um dem König zu helfen. Also tat er etwas das er nicht hätte tun dürfen. Der König bat ihn darum ihm seine Seele auszuhändigen, ihm alles zu geben was er besaß und sich dem König völlig auszuliefern.
Und der Magier tat, worum der König ihn gebeten hatte.
Mit einem Schwur band er sich an ihn.
Und der König befahl ihm auch alle anderen Magier an den König zu binden und so tat er es. Denn er war der stärkste Magier der jemals auf diesem Planeten gewandelt hat. Doch seine Liebe hatte ihn zu einem Sklaven gemacht und der König kommandierte ihn herum und übertrug das Kommando seit jeher an jeden seiner Nachfolger." Minseok schloss die uralten Augen als er sich an die uralte Geschichte zurück erinnerte. „Der Magier hat sich und alle anderen Magier um sich herum mit versklavt und das bis zum heutigen Tage. Der König ist eines Tages gestorben, doch der Magier blieb am Leben und ist bis heute an diesen einen Schwur gebunden, den er aus einseitiger Liebe geleistet hat."
Ich starrte Minseok an und spürte wie seine Macht um Kai und mich herum wirbelte. Meine Haare hoben und senkten sich, als Minseok auf die Knie ging und alle Magier es ihm gleich taten, als würde seine Macht alle anderen ebenfalls dazu drängen es ihm gleich zu tun. Und plötzlich fühlte ich mich sehr warm, als ich die Magie die mich durchfloss spürte und wusste das sie es mir erlaubte über all diese Magier zu gebieten. Sie banden ihre Seelen an Kai und mich, so wie es einst dieser uralte Magier für diesen König getan hatte. Der uralte Magier der bis heute der stärkste Magier auf diesem Planeten war.
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Königlich Verliebt
FanfictionEin Funke entfacht, als Kai und Luhan einander versprochen werden. Unfreiwillig, denn sie sind Fremde und stammen aus zwei unterschiedlichen Königreichen, die ihre Erde noch vor Jahren in fremdes Blut getaucht haben. Luhan und Kai sind sich ihrer V...