Ein Spielkamerad

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,,Tialda! Ich möchte einen Spielkameraden!"

Überrascht sah ich zu Rondra. Ihre durchdringende Stimme hatte mich aus meinen Gedanken über Kailan geholt.

,,Wie bitte, kleine Herrin?"

,,Du hast es doch gehört, oder warum würdest du sonst überrascht schauen? Ich möchte jemanden in meinem Alter mit dem ich Spielen kann."

Trotz des Rates von Kailan hatte sie mich schließlich so weit gehabt mit ihr zu Wiol zu gehen. Jetzt flochten wir ihm grade die Mähne ein und schmückten sie mit Blumen. Den Rosanen natürlich.

,,Wie kommst du darauf?"

,,Als ich neulich mit Vater in der Stadt war habe ich überall Kinder in Gruppen gesehen, die gespielt und geredet haben. Es sah so aus als hätten sie Spaß."

Neugierig sah ich sie an. ,,Du spielst nicht oft mit anderen Kindern, nicht wahr?"

,,Bis jetzt hatte ich noch keine Gelegenheit. Meine Mutter hatte eine Freundin, die einige Male vorbeikam und ihre Tochter mitbrachte. Doch ich mochte sie nicht, sie war gemein."

Es schien, als hätte Rondra noch nie die Möglichkeit gehabt Kinder in ihrem Alter kennenzulernen. Wie auch, sie durfte ja das Haus nicht verlassen. Aber war das nicht erst nach dem Tod ihrer Mutter so?

,,Sah dein Vater es schon immer nicht gerne, wenn du hinausgingst?" Formulierte ich vorsichtig.

,,Als Mutter noch lebte, durfte ich hinausgehen, aber nicht mit den Kindern auf der Straße sprechen. Mutter meinte sie wären ein schlechter Umgang."

Mir tat es Leid, dass sie nie die Möglichkeit gehabt hatte etwas mit Gleichaltrigen zu unternehmen. Als ich klein war, hatten mein Bruder und ich ständig mit den Kindern aus unserem Dorf gespielt. Und immer jede Menge Spaß gehabt. Ich war sehr traurig gewesen, als ich mit 13 oder 14 feststellt hatte, dass ich langsam zu alt dafür wurde. Mein Bruder spielte allerdings munter ohne mich weiter.

Plötzlich kam mir eine Idee. Eine verrückte, wahnsinnige Idee...

,,Sag, Herrin. Würdest du nur ein Mädchen als Spielkamerad wollen, oder würde auch ein Junge gehen?"

,,Das ist mir völlig gleich! Du besorgst mir also jemandem, mit dem ich spielen kann?"

Ich rieb Wiol über den Hals. ,,Das kann ich noch nicht sagen, aber wir werden heute Abend mit deinem Vater sprechen."

Rondra brach in Jubelschreihe aus. ,,Danke, Tialda!"

Als wir schließlich wieder durch den Garten zurück zum Haus gingen, sah ich Salimm, der allen Anschein nach Unkraut zupfte. Ich grüßte ihn und fragte ob das Wetter nicht schön wäre. Er nickte nur kurz bestätigend, ohne aufzusehen.

Ail hatte ihn mir am Tag vorher vorgestellt, was mir wegen den Ermittlungen sehr gut gelegen hatte. Er hatte allerdings kein Wort geredet, Ail meinte er wäre Fremden gegenüber ,,scheu wie ein Reh".

Salimm war praktisch das Gegenteil von Ail. Klein, dunkelhaarig, schüchtern und sehr schweigsam. Bisher hatte ich ihn nur mit Pflanzen reden gehört.

Entmutigt seufzte ich. Salimm hatte ja laut Ail die ehemalige Herrin ebenfalls nicht gemocht. Könnte er der zweite Mörder sein? Meine Mutter sagte stets, dass sich hinter stillen Stirnen die merkwürdigsten Gedanken regten. Bei Salimm sah man nie was er dachte oder fühlte.

Allein Kailan war der Meinung, dass Schotiji nicht die alleinige Mörderin war. Ich traute seinem Urteil, doch wenn es nach mir ginge, wäre Schotiji schon längst gefasst und bestraft worde. Es war für mich klar wie Kristall, dass sie die Mörderin war und es machte mich krank jeden Tag so viele Stunden in ihrer Gegenwart verbringen zu müssen. Deswegen fieberte ich den täglichen Ausflügen in den Garten inzwischen fast so entgegen wie Rondra.

Beiläufig pflückte ich eine der blauen Blumen und steckte sie mir hinters Ohr, bevor ich das Haus wieder betrat. Bald würde Kailan zurück sein und ich wusste das diese seine Lieblingsblumen waren.

Doch als ich mich zu Schotiji in die Küche gesellte nahm sie mir die Blume fort und warf sie weg. ,,Weißt du nicht, dass diese Blumen giftig sind? Was trägst du sie hinterm Ohr, sie könnte in den Topf fallen! Nicht auszudenken, wenn das passiert wäre!" Rügte sie mich.

,,Verzeihung, ich wusste nicht das sie giftig ist. Ist sie sehr gefährlich?"

Ängstlich betastete ich die Haut hinter meinem Ohr. Sie winkte ab. ,,Nur wenn man sie isst. Dann lässt sie dein Herz zu schnell schlagen, beim Verzehr von sehr großen Mengen kann das tödlich enden. Doch nur an der Haut kann das Gift nichts ausrichten. Wasch dir die Hände und komm hilf mir Gemüse zu schneiden!"

Gründlich wusch ich mir die Hände und die Stelle hinterm Ohr.

Wir kochten gemeinsam und schwiegen beide. Dann deckten wir den Tisch und waren grade fertig, als man hörte wie Kailan und der Herr nach Hause kamen. Schotiji mochte villeicht eine Mörderin sein, die auf besessene Art in den Herrn verliebt war, doch ihr Zeitgefühl war unvergleichbar.

Ich rannte nach oben, um die Herrin zu holen. Es war Zeit mit dem Herrn über meine Idee zu reden. Ich wagte noch nicht, zu hoffen das er zustimmen könnte. Doch wenn er es tat...

,,Wie bitte? Ihr wollt mich den Bruder von Tialda als Spielkamerad für dich finden lassen?"

Rondra nickte strahlend.

Der Herr strich seiner Tochter müde über den Kopf. ,,Mein Liebling, das mit dem Spielkameraden für dich lässt sich machen, wenn du gerne einen willst, besorge ich dir einen. Doch warum muss es der Bruder von Tialda sein? Einen bestimmten Sklaven in Dunja zu suchen, ist wie die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Dunja ist ein riesiges Reich und ihr Bruder könnte überall sein. Das verstehst du doch sicher, mein kluges Mädchen."

Rondra kniff die Lippen zusammen. Kailan warf mir einen Blick zu. ,,Aber Vater, du hast für die Arbeit schon oft die Nadel im Heuhaufen gesucht und gefunden."

,,Schweig, Kailan! Niemand hat nach deiner Meinung gefragt."

Bei seinem plötzlichen hartem Tonfall, zuckte ich zusammen, aber Kailan gab nicht auf. ,,Vater, du könntest doch einfach ein oder zwei Männer auf die Suche schicken und wenn sie nach drei Tagen niemanden gefunden haben, nehmen wir jemand anderen für Rondra."

Vor Spannung hielt ich die Luft an.

Der Herr seufzte. Er schien mit jeder Sekunde erschöpfter zu werden. ,,Nein. Das ist zu viel Mühe. Rondra, mein Augenstern, wir werden nach einem anderen Sklaven in deinem Alter Ausschau halten."

Rondra zog einen Schmollmund. ,,Aber ich will den Bruder von Tialda! Sie hat mir schon so viel über ihn erzählt."

,,Und Vater, denke doch auch an Tialda. Das ist die wohl einzige Möglichkeit für sie, jemals ihren Bruder wiederzusehen. Sie verbindet dasselbe Blut, sie sind Familie. Und Familie sollte nicht getrennt werden, nicht wahr...?" Kailan's dunkle Stimme war zum Ende hin leiser geworden. Eindringlich.

,,So könntest du Familie wieder vereinen. Wenn jemand unsere Familie wieder vereinen könnte, doch es wäre ihm zu viel Mühe und so würde er es nicht tuen... Was würdest du fühlen?"

Er wusste genau was er tat. Jedes Wort glich einem Messerstich. In den Augen seines Vaters standen Tränen.

Er räusperte sich. ,,Nun sicher, Rondra. Was immer du wünschst, mein Schatz. Ich werde Morgen ein paar meiner Männer auf die Suche schicken, sie kennen sich damit aus bestimmte Leute zu finden. Sag, Tialda, Wie sieht dein Bruder aus und wie heißt er?"

Ich räusperte mich, mit dem Gefühl meine Stimme würde mir nicht gehorchen.

,,Tallis." Tränenschleier verschwommen meine Sicht. Kailan trat hinter mich und hielt mich fest, da meine Beine zitterten. ,,Er heißt Tallis."

Would you look at that, ich gewöhne mir endlich mal an regelmäßig Absätze zu machen:)

TialdaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt