Morgen Grauen

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,,Also, was machen wir jetzt?" Fragte ich Kailan.

Er zuckte mit den Schultern. ,,Ich habe dich bis zum Ende dieser Nacht gekauft. Die Tür ist verschlossen. Es scheint so, als müssten wir nichts weiter tuen als den Morgen abzuwarten."

,,Und was machen wir bis zum Morgen?"

Er schloß und öffnete seine Augen langsam. Die Spitzen seiner Wimpern streiften seine Brauen. ,,Schlafen."

In einer fließenden Bewegung erhob er sich und ließ sich auf dem Rand der, im Raum stehenden, Liege nieder. Er zog ein Bein an und begann seine Sandalen aufzuschnüren. ,,Bist du nicht müde?"

Abwartend sah er zu mir, die ich immernoch auf dem Boden saß. ,,Ich denke ich werde auf dem Boden schlafen." Murmelte ich und senkte die Lider. Natürlich war ich müde, wie könnte ich nach den Erlebnissen heute und der letzten Tage nicht müde sein. Aber ich würde nicht neben einem fremden, gleichaltrigen Jungen schlafen. Niemals!

,,Nun gut. Es ist dir überlassen." Seine Stimme bekam wieder diesen spöttischen Tonfall. ,,Aber du hast durch mich bereits blaue Flecken an den Armen, wenn du auf dem harten Boden schläfst, werden es villeicht noch mehr."

Ich fixierte ihn finster. Worauf wollte er hinaus?

,,Wer weiß ob deine nächsten Kunden trotzdem den vollen Preis zahlen werden?"

Erbost wollte ich etwas sagen, aber ließ es bleiben. Seine dunklen Augen schienen mich auszulachen.

Beleidigt erhob ich mich, um die Öllampe an der Wand zu löschen. Dann rollte ich mich auf dem Boden zusammen, bis meine Knie fast meine Stirn berührten. Mein Bruder hatte mich früher immer mit meiner Art zu schlafen aufgezogen. ,,Vater, Mutter, schaut doch. Sie schläft wie ein Tier, wie ein Waschbär oder ein Fuchs."

Mir war als hörte ich seine helle Stimme direkt neben mir in der Finsternis. Ich hatte wahnsinnige Angst davor ihren Klang zu vergessen, doch jede Erinnerung an ihn erfüllte mich mit Trauer. ,,Nun villeicht ist sie ja eins." Hörte ich meinen Vater lachen. Meine Mutter hatte ihn dann immer in die Seite gestoßen. ,,Lasst Tialda doch! Wenn sie so schläft schirmt sie ihren Körper vor Alpträumen ab."

,,Wie heißt du eigentlich wirklich?" Fragte Keilan von der anderen Seite des Raumes und riss mich aus meinen Erinnerungen. ,,Der Name den du am Tisch genannt hast war falsch."

,,War er nicht."

,,Doch das war er. Man merkte es dir an. Du hältst dich villeicht für eine gute Lügnerin, aber du bist es nicht. Und Dasselbe gilt anscheinend auch fürs Kämpfen."

Entnervt hob ich den Kopf. ,,Mein richtiger Name ist Tialda. Warum schläfst du nicht einfach?" Ich hörte ein Rascheln, vermutlich veränderte er grade seine Schlafposition. ,,Tialda, also. Ein schöner Name. Warum hast du ihn nicht am Tisch genannt?"

Ich konnte ihm keine Antwort nennen. Ich hatte schlicht nicht gewollt das diese Gruppe von Männern meinen Namen wusste.

,,Glaub mir, sie hätten ihn sofort wieder vergessen." Sagte er nüchtern, als ich ihm das mitteilte. Kurz musste ich schmunzeln. ,,Wer sind diese drei Männer eigentlich und wie stehst du zu ihnen?"

Ich hörte wie er gähnte. ,,Das darf ich dir nicht sagen, aber sei gewiss das sie nicht meine Freunde sind."

,,Und warum warst du dann mit ihnen hier?"

Seine Antwort hatte mich stutzig gemacht. Stutzig und neugierig.

,,Nun, sie wollten hier herkommen." Murmelte er ausweichend. Seine Stimme klang schläfrig. Ich ließ es darauf beruhen und legte den Kopf wieder auf den kühlen Fliesenboden.

Seine ruhigen Atemzüge, die ich in der Finsternis deutlich hörte, schläferten mich langsam ein.

Ich wachte davon auf, dass jemand sanft an meiner Schulter rüttelte.
Kailan?

Ich öffnete die Augen und sah in das Gesicht einer hübschen Frau um die 20. Ihre Haut war dunkel und glatt, sie trug die eng gelockten Haare streng in zwei Flechten gezwängt. ,,Es ist Zeit zum Aufstehen. Ich habe dir dein Essen mitgebracht, komm in die Halle wenn du fertig bist."

Sie schien auch eine Sklavin hier zu sein. Mir war als hätte ich sie gestern Abend kurz in der Menge gesehen.

Ich richtete mich auf und bemerkte das der Raum von Tageslich durchflutet war, es musste schon längst Morgen sein. Neben mir stand eine Schüssel mit Eintopf, ein großer Krug mit Wasser und eine Feige. Zumindestens das Essen hier war nicht schlecht. Ich dankte der Frau mit einem Lächeln und sie wandte sich zum Gehen, wobei ihr Kleid hinter ihr herwehte. Kailan war fort.

Nachdem ich gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Halle, die bei hellichtem Tage fast noch dunkler war, als mitten in der Nacht.

Iness leitete Frauen und zwei muskulöse Männer an, die Becher auswuschen und Tische abwischten. Sie sah mich und winkte mich heran. Ich neigte leicht den Kopf vor ihr was sie mit einem süßlichen Lächeln quittierte.

,,Der junge Mann von letzter Nacht sagte er wäre sehr zufrieden, deswegen war dein Essen heute besonders gut. Wenn du so weitermachst gibt es das auch weiterhin. Jetzt geh und helfe beim Abwasch, danach kannst du einfach den anderen Mädchen folgen. Sie zeigen dir wo der Brunnen ist wo ihr euch wäscht. Wenn ihr fertig seid ist es Zeit die anderen Räume zu putzen."

Sie scheuchte mich fort und ich gesellte mich zu einem der Männer und der Frau von eben und half ihnen Krüge auszuspülen. Es waren nicht mehr allzu viele, sie mussten schon länger an der Arbeit sein.

Ich ließ den Blick durch den Raum wandern und meinen Gedanken freien Lauf. Kailan war also gegangen bevor ich aufgewacht war. Und er hatte Iness gesagt das er sehr zufrieden gewesen war?! Sollte das ein Witz sein? Ich hatte ihn gewürgt und versucht ihn zu schlagen.

Nun gut, ich konnte mich nicht beschweren. Er hatte nicht einmal versucht mich zu berühren und ich hatte ihm das gute Essen zu verdanken. Eigentlich hatte ich allen Grund zufrieden mit dem Ausgang von letzter Nacht sein.

Eine bekannte Gestalt mit einem blonden Zopf fiel mir ins Auge. Syltje wischte den Boden und hielt sich mit einer Hand den Unterleib. Hatte sie Schmerzen?

Mir wurde das Grauen klar was ihr gestern passiert sein musste. Ich hatte das Bedürfnis sofort zu ihr zu rennen, musste aber wohl oder übel warten. Iness überwachte uns ohne zu helfen und sie wäre sicher nicht sehr angetan davon, dass ich meine Arbeit unterbrach um mit Syltje zu reden. Sicher war hier der Anblick eines von Schmerzen geplagten Mädchens etwas ganz natürliches, dachte ich traurig. Obwohl ich Syltje kaum kannte, sah ich sie als Freundin. Sie war nett zu mir gewesen und wir teilten das gleiche Schicksal. Davon abgesehen hätte ich niemandem ein solches Erlebnis gewünscht.

Mir wurde klar wie anders der gestrige Abend hätte ausgehen können und auf einmal war ich Kailan sehr dankbar.

,,Es scheint als wäre alles fertig." Sagte die junge Frau neben mir und lächelte mich an. Ihr Gesicht hatte etwas Freundliches.

Wir hingen die Lappen zum Trocknen auf und ich folgte den Frauen, die in einer Gruppe auf den Gang zusteuerten. Ich rannte ein paar Schritte um Syltje einzuholen, sie ging leicht gekrümmt und ihr Anblick bereitete mir Sorge. ,,Ist alles in Ordnung? Hast du Schmerzen?"

Sie nickte. ,,Mmh. Aber es wird schon besser. Hast du keine?"

,,Nein."

Ich wollte nach ihrer Hand greifen um ihr Beistand zu leisten, bereute es aber sofort als sie vor der Berührung zurück zuckte.

TialdaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt