Am nächsten Tag führte ich ein langes Gespräch mit Tallis. Ich sagte ihm, dass ich mir nun eingestanden hatte, dass unsere Mutter nicht mehr lebte. Das es mir Leid tat, wie ich anfangs reagiert hatte. Ich sagte ihm auch, dass Kailan, Rondra und die Anderen nichts dafür konnten, was mit unserem Dorf und unsere Familie passiert war. Am Ende weinten wir beide.
Generell weinte ich viel in den darauffolgenden Tagen. Ganz plötzlich, ohne es kontrollieren zu können, sobald ich etwas sah das mich auch nur im Entferntesten an meine Mutter erinnerte. Ein Vogelnest im Garten, wo ich die Elternteile beim Füttern der Küken beobachtet hatte, die Forelle in der Küche, die meine Mutter immer so gerne gegessen hatte. Einmal fragte mich Schotiji ob ich verrückt geworden war, weil ich angefangen hatte zu weinen, als sie mich wegen meiner Art ein Messer zu halten tadelte. Meine Mutter hatte das auch immer gemacht.
Doch nicht nur die Trauer um meine Mutter hatte Kailan zur Oberfläche gebracht, auch die um meinen Vater kam nun mit voller Wucht zurück. Um alles, genauer gesagt, was mir genommen worden war. Ausnahmslos jeden Abend waren meine Augen verquollen. Kailan bemerkte es, sprach mich aber nicht darauf an. Er lud mich oft ein nach dem Abendessen noch zu ihm zu kommen und zu reden. Über den Mörder und die Verdächtigen beispielsweise. Meist lehnte ich ab. Über den Mord einer Mutter zu reden erinnerte mich zu sehr an den Mord meiner eigenen Mutter.
Auch fiel es mir schwer Zeit mit Kailan zu verbringen. Ich wusste er hatte mir nur helfen wollen und er wusste schließlich wie es war seine Mutter zu verlieren, doch trotzdem war seine Methode grausam gewesen. Villeicht würde ich es eines Tages, doch noch konnte ich ihm dafür nicht dankbar sein.
Erst als es erneut einen Feiertag gab, an dem nicht gearbeitet wurde, kam es dazu, dass Kailan und ich wieder über den Mordfall redeten. Es war früher Nachmittag und wir saßen zusammen auf einer Wiese im Garten.
Rondra und der Herr waren in die Stadt gegangen um etwas zu unternehmen und dank Rondras Überredungskünste hatte sie ihren Vater überzeugt Tallis mitzunehmen. Sie hing bereits sehr an ihrem neuen Spielkamerad auch wenn Tallis mir versicherte, dass sie keine Freunde waren und es auch nie werden würden. Dabei schien er selber anzufangen Rondra wertzuschätzen.
,,Wie geht es dir?" Fragte Kailan. Ich zögerte. ,,Es geht schon. Bist du dem Mörder ein wenig mehr auf die Spur gekommen? Ich habe dir in den letzten Tagen kaum geholfen." Ich wollte nicht mit ihm darüber sprechen wie es mir ging.
Er schüttelte den Kopf. ,,Nein weitergekommen bin ich nicht wirklich und Vater auch nicht, obwohl er sich jede Minute des Tages damit beschäftigt."
,,Was hat er gesagt, als du ihm von unseren Überlegungen erzählt hast? Glaubt er auch, dass es Schotiji ist? Sicher war es ein Schock für ihn über sie zu erfahren."
Ich wusste nicht wie ich reagiert hätte, hätte mir jemand erzählt das ein anderer Haare und Fingernägel von mir aufhob und Zeichnungen von mir anfertigte. So etwas war keine Bewunderung oder Wertschätzung, es war Besessenheit, es war nicht normal.
Kailan wandte den Blick ab. ,,Ich habe ihm noch nichts dergleichen erzählt."
Ich stutzte ,,noch nichts? Ach, ich erinnere mich, du befürchtest er würde sie dann auf der Stelle töten." Das hatte er mir gesagt, in der Nacht wo wir zusammen in seinem Bett geschlafen hatten. Ich dachte oft an diese Nacht zurück.Er nickte. ,,So ist es. Deswegen habe ich ihm auch nichts von unseren anderen Überlegungen gesagt. Wenn er wüsste, dass es vermutlich einer aus diesem Haus war, würde er seine eigenen Gesetze vergessen und sie alle foltern lassen, bis ihm jemand ein Geständnis liefert."
Ich konnte seine Gedanken nachvollziehen, er wollte keine Unschuldigen foltern lassen, doch seinem Vater gar nichts von unseren Fortschritten zu erzählen kam mir merkwürdig vor. ,,Heißt das, dein Vater denkt immernoch, dass es Außenstehende waren, denen es nur um das Geld ging?"
,,So ist es. Und daran wird sich fürs Erste hoffentlich nichts ändern."
DU LIEST GERADE
Tialda
Historical FictionDas junge Mädchen Tialda wird als Sklavin genommen, als die Dunja ihre Provinz erobern. Durch einige Umwege landet sie schließlich in dem Haushalt einer reichen Familie, wo nichts so ist wie es scheint... Gründe es zu lesen: Es gibt altmodische Spra...