Am nächsten Morgen stand ich mit Schotiji in der Küche und half ihr das Frühstück vorzubereiten. Die Sonne ging grade auf und färbte den Raum orange-golden.
Schotiji war immer noch schweigsam, villeicht war das einfach ihre Art, doch wenn ich sie etwas fragte antwortete sie mir in beinahe herzlichem Tone.
Also fragte ich sie: ,,Was ist eigentlich mit der Mutter der beiden Kinder des Herrn?" Das was Kailan mir gestern gesagt hatte, hatte mich neugierig gemacht. Sie sah einen Moment lang von dem Obst auf, dass sie schnitt. ,,Nun, sie haben verschiedene Mütter."
Dies wusste ich bereits, aber sie sollte nicht herausfinden, dass Kailan es mir gesagt hatte. Oder das ich überhaupt mit ihm geredet hatte. So tat ich überrascht. ,,Haben sie das?! Bitte erzähl mir von ihnen."
,,Na gut. Die Mutter des jungen Herrn war die erste Frau des Herrn. Es war eine arrangierte Ehe mit der Tochter einer einflussreichen, alten Familie."
,,Was ist eine arrangierte Ehe?"
Sie schien überrascht über mein Unwissen.
,,Eine Heirat aus praktischen Gründen, die von den Eltern organisiert wird. Unter den reichen Familien ist das üblich. Jedenfalls war seine erste Frau einige Jahre älter als er, schön war sie, aber so kalt wie ein Stein und beide wollten die Heirat nicht." Langsam kam sie ins Erzählen. ,,Der Druck der Familien war jedoch sehr groß und so wurden sie Mann und Frau. Erst Jahre später gebar sie den Jungen. Doch die Frau freute sich nicht und redete kaum mit ihm. Sie ignorierte ihn völlig. Manchmal verschwand sie tagelang und trieb sich in Wirtsstuben herum. Das eine Mutter ihr Kind so wenig beachten kann!" Ihre Empörung war ihr anzumerken. ,,Sein Vater arbeitete von früh bis spät und kümmerte sich auch nicht um seinen Sohn. Dabei war er ein so reizendes Kind. Und jetzt ist er so ein reizender junger Mann, immer höflich und arbeitet hart für seinen Vater! Nun wie dem auch sei, als er etwa fünf Jahre alt war, raffte eine Krankheit seine Mutter dahin und niemand trauerte um sie. Einen furchtbaren Charakter hatte diese Frau!"Das Kailan so wenig mütterliche Führsorge erfahren hatte, tat mir Leid.
,,Was war mit der zweiten Frau? Der Mutter der jungen Herrin?",,Sie war eine Goldschmiedin. Ihre Familie war wohlhabend, aber weder alt noch einflussreich. Das der Herr sie zur Frau nahm, sahen viele seiner weiter gefassten Verwandte als Empörung an und wandten sich von ihm ab. Kein Verlust, wenn du mich fragst. Dreckige Halsabschneider waren sie allesamt!"
Sie sprach mit einer Inbrust, die ich der kühlen Frau gar nicht zugetraut hatte. Ich hing an ihren Lippen.
Sie fuhr fort.
,,Sie war keine so atemberaubende Schönheit wie seine erste Frau, hatte aber doch recht ansehliche Züge und schöne Augen, so hell wie Bernstein. Die Herrin sieht ihr sehr ähnlich.",,Und wie kam es, dass sie starb?"
Schotiji zögerte. ,,Ich bin mir unsicher, ob ich dir das erzählen sollte."
,,Oh Bitte. Niemand wird erfahren, dass ich es weiß."
Sie wiegte den Kopf hin und her. ,,Nun gut. Es begab sich vor etwa sechs Monaten, villeicht auch sieben. Die Herrin war am Tag vorher vom Pferd gefallen, sie mochte Pferde und ließ sich vom Herrn beibringen zu reiten. Ihr Bein war beim Fall gebrochen worden. Nichtsdestotrotz ging sie am Tag darauf ihre Familie in der Stadt besuchen, sie ließ sich in einer Sänfte tragen. Auf dem Rückweg jedoch wurde sie von einer Gruppe Räuber überfallen und konnte ihnen nicht weglaufen, so das diese sie mitnahmen."
Ich schlug die Hände vor den Mund. Wie konnte ihr Tonfall so gleichgültig bleiben?
,,Was haben die Räuber ihr angetan?" Eine Frau mit gebrochenem Bein, die nicht weglaufen konnte und eine Bande von Männern, die sie entführt hatten... mich schauderte es.
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Tialda
Historical FictionDas junge Mädchen Tialda wird als Sklavin genommen, als die Dunja ihre Provinz erobern. Durch einige Umwege landet sie schließlich in dem Haushalt einer reichen Familie, wo nichts so ist wie es scheint... Gründe es zu lesen: Es gibt altmodische Spra...