Einleitung

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Meine Feder kratzt über das blass-gelbe Papier und nur der flackernde Schein einer Kerze erhellt den muffigen, kalten Raum. Ein Holztisch, ein alter Schemel, Kerze samt Halter und das schwarze Tintenfass sind die einzigen Dinge, die den kleinen beengtem Raum zieren. Ich lebe schon Jahre von der Gesellschaft abgeschottet. Nicht, weil ich muss, eher weil ich die Wahrheit hinter der Freiheit kenne, die unsere Gesellschaft als richtig und notwendig erachtet. Es bricht mir das Herz, in die lachenden Gesichter der Menschen zu sehen und zu wissen, welches Blut an ihren Händen klebt, ohne das es ihnen bewusst ist.

Das Tageslicht schwindet schon eine geraume Zeit, nicht dass es einen Unterschied in dem von Brettern notdürftig umrahmten Raum gemacht hätte. Es gibt eh kein Fenster, welches Licht in das Dunkel der Kammer bringt. Draußen fegt ein kalter, ausdauernder Wind um die Latten und entlocken den Angeln der kleinen Tür immer wieder ein Quietschen.

Ich betrachte meine alten und grauen Hände im unbeständigem orangenen Schein der Flammen und bin mir sicher, dass an den meinen mit das meiste unschuldige Blut klebt. Ich kann Geschehenes nicht mehr rückgängig machen, das weiß ich, aber ich möchte, dass die Menschen eines Tages verstehen, wie es wirklich um dieses neue, schöne, unschuldige Königreich bestellt ist.

Mir bleibt nicht mehr endlos Zeit um diese Geschichte zu Papier zu bringen und mit dem Ablaufen meiner Tage geht mein Gedächtnis immer schwerer voran. Auch, wenn sich das Bild der leichten goldenen Haaren, gesprenkelt von roten Blut, die zarten roten Lippen, welche keinen Atem mehr passieren lassen würden und das glückliche, unendlich zufriedene Lächeln auf dem steifen, leblosen Gesicht wie heißes Schmiedeeisen in meinen Kopf gebrannt haben, weiß ich das neben dies auch kleine Nichtigkeiten gab, die am Ende aber die Klarheit schafften, die ich erst jetzt, viele Jahre, nach der Tragödie erkannt habe. Also versuche ich mich krampfhaft zu erinnern, während die Feder schwer über das kalte, leere Stück Papier kratzt. Meine Gedanken werden wirr und die Umgebung verschwimmt mit den Bruchstücken meiner vergangenen Tage. Die Tinte färbt sich in Blut und wie von selber bewegt sich meine Hand im Rhythmus meiner Gedanken, um aufzuschreiben, was ich der Nachwelt als die Wahrheit hinterlassen werde.

The Story of Evil (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt