1.1 Das Versprechen

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Die Strahlen wärmten den Garten und obwohl die Mauern riesig waren, konnten sie die Sonne nicht aussperren. Die Kinder waren sich sehr ähnlich, Nur Rins langes Haar unterschied sie von ihrem zarten, dünnen Bruder. Die goldenen Augen beider waren auf einen kleinen zappelnden Vogel zu ihren Füßen gerichtet und hatten die Schönheit das Gartens um sie herum völlig ausgeblendet. Nur das Rauschen der Ahornbäume summte im Wind, während die Kinder regungslos vor dem hilflosen Geschöpf standen.

„Er hat sich verletzt", brach Len das Schweigen und nahm das panische Tier zwischen seine weichen, zarten Hände. Aus Angst ihm könnte noch schlimmeres widerfahren, mobilisierte der Vogel all seine Kräfte, um aus der Umklammerung zu entkommen. Die Todesangst erfasste ihn und seine Augen schimmerten voller Verzweiflung als sich Lens Hände vollends um ihn schlossen. „Komm wir bringen ihn rein. damit die Katze ihn nicht frisst", sagte der kleine Junge, dessen liebevoller Blick auf seine Schwester gerichtet war. Ein schimmerndes, zartes Lächeln umspielte seine kindlichen Züge und er stapfte los in Richtung der Hofküche.

Als Len das junge, gefiederte Kind aus seiner Hand befreite und in ein weiches Tuch entließ, offenbarte sich, dass es sich alle Mühe gegeben hatte den Klauen seines Widersachers zu entkommen. Sein Gefieder war gesprenkelt von dem Blut, aus den Bissen und Kratzern, die der Todeskampf in der kleine Hand hinterlassen hatte. „Len, oh nein du blutest. Du wolltest ihm doch nur helfen." Die zarte, tränengetränkte Stimme hallte von den kalten Mauern wider. „Nicht schlimm, Rin" beruhigte ihr Bruder sie, während er eine Schale mit Wasser und ein paar Körner zusammensuchte. „Er hatte Angst. Er weiß nicht, dass wir ihm nur helfen wollen" spricht er sehr erwachsen und stark weiter, als er beides dem Vogelkind hinstellt. In Rins Gedanken hatte es der Vogel nicht verdient zu leben, wie konnte er es wagen die Hand die ihn retten wollte, so zu verletzen? Selbst jetzt auf ein trockenes Tuch gebettet, versucht das Tier nach der schale zu beißen und drückt sich panisch in eine Ecke. Rins Tränen tropften auf den Staub zu ihren Füßen und offenbarten ihre Gefühle. Glücklich hob ihr Bruder sein Gesicht, doch als sein Blick auf die feuchten Wangen seiner Schwester fiel, geriet seine Fassung ins Wanken und für den Bruchteil einer Sekunde verschwand das Lächeln seiner Mundwinkel. Schweigend trat er auf die weinende, zierlich Gestalt, dessen Hände vor Wut und Unverständnis zu Fäusten geballt waren, zu. Ohne etwas zu sagen, nahm er sie in die Arme und das Blut trocknete an Rins Kleidung. Nach einer geraumen Zeit hauchte er „Hab keine Angst, ich werde immer bei dir sein", und strich dabei über ihr weiches Haar.

The Story of Evil (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt