19.

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„[Dein Name]? Hast du gerade gehört was Miss Bustier gesagt hat?"
Überrascht schaue ich zu Marinette, die sich neben mich setzt und ihr Buch vor uns aufschlägt.
„Ehrlich gesagt, nein ...", entgegne ich leise.
Ich lege meinen Stift zur Seite mit dem ich bis vorhin noch gedankenverloren auf meinem Notizblock herum gekritzelt habe.
„Nicht schlimm", beruhigt sie mich und wiederholt die uns genannte Aufgabenstellung. Sie und ich sollen gemeinsam an einem Projekt arbeiten, welches wir bis zur nächsten Stunde fertiggestellt haben sollen. Ich beschließe mich wieder zusammenzureißen und mit ihr gemeinsam zu unserem Thema zu recherchieren.
Nach einer halben Stunde purer Konzentration, kommen Nino, Alya und Adrien auf uns zu.
„Na ihr Zwei, wie kommt ihr voran?", fragt Nino und grinst uns an.
„Ganz gut würde ich behaupten", antworte ich und schaue zu Marinette neben mir. Diese nickt bloß zustimmend und konzentriert sich wieder weiter auf das Blatt vor ihr.
„Ist alles okay, Marinette?", fragt Alya leicht überrascht. „Du guckst als müsstest du eine Strafe absitzen!"
Nino schmunzelt während Adrien ebenfalls verwundert zu Marinette rüber schaut.
Marinette entwischt ein leises Seufzen. „Kann ich dich für einen Moment sprechen, Alya? Alleine."
„Klar."
Die beiden verschwinden aus dem Klassenraum und die zurückbleibenden Drei - inklusive mir - schauen ihnen dabei hinterher. Nino beginnt sich am Hinterkopf zu kratzen. „Hm", murmelt er vor sich hin, „damit habe ich jetzt irgendwie nicht gerechnet."
„Mich überrascht es nicht so sehr wie euch Zwei", antworte ich leicht trotzig. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass Marinette mich nicht sonderlich mag. Zu dem Rest der Klasse scheint sie mega hilfsbereit und nett zu sein, bei mir ist sie hingegen stumpf und neutral. Also quasi das komplette Gegenteil, wenn ich das so sagen darf."
Nino stützt sich mit den Händen vor mir auf dem Tisch ab. „Ach Quatsch, Cousinchen. Das bildest du dir ein." Er tippt mir zweimal auf die Stirn, ehe ich seinen Finger augenrollend wegschiebe und mir ein Lächeln nicht länger verkneifen kann. Was wäre ich nur ohne ihn an dieser Schule?
Adrien verschränkt die Arme vor der Brust. „Naja, wenn ich ehrlich bin ist mir das auch schon aufgefallen ...", sagt er und sieht seinen besten Freund an. Nino hingegen zuckt mit den Achseln und beteuert erneut, dass er keine Ahnung hat wovon wir sprechen.
„Naja", winke ich ab, „es ist aber auch nicht so schlimm solange wir keinen offensichtlichen Streit haben. Vielleicht sympathisiert sie einfach nicht so sehr mit mir wie mit dem Rest von euch."
„Mach dir keine Sorgen", besänftigt Adrien mich und lächelt mich an. „Ich kann mal mit ihr darüber reden?"
„Oh Gott", platzt es aus mir hervor und ich zucke zusammen. „Bloß nicht, bitte!"
„Aber warum denn nicht? Ich würde dir gerne helfen ..."
„Es wäre peinlich wenn ich mich irre und sie damit in Verlegenheit bringe. Sollte es mich in der nächsten Zeit doch noch derart stören oder mir einfach weiterhin auffallen, werde ich sie selbst darauf ansprechen."
„Okay. Ich möchte aber, dass du trotzdem weißt: Ich bin immer für dich da."
Unweigerlich spüre ich wie sich meine Wangen daraufhin erröten und ich versuche meine [deine Haarfarbe] Haare ein wenig darüber zu legen, damit es nicht so auffällt. Nino aber grinst mich schelmisch an und macht es damit nicht besser.
„Wir sind wieder da", kündigt Alya sich und ihre beste Freundin wieder an. Damit beginnen Marinette und ich uns wieder an unsere Arbeit zu setzen während die anderen Drei wieder zurück auf ihre Plätze gehen.

Marinette und ich verlassen gemeinsam das Schulgebäude.
„Sollen wir uns vielleicht noch ein wenig in den Park setzen und unsere Karteikarten durchgehen?", frage ich sie.
„Können wir machen, ich habe allerdings nicht sehr viel Zeit."
„Das ist nicht schlimm. Sag einfach Bescheid wenn du gehen musst." Ich lächle sie freundlich an, doch sie erwidert es nicht und geht bloß voran.
Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust mir den Kopf darüber zu brechen, weshalb sie zu mir anders ist als zum Beispiel zu Adrien oder Nathanaël. Dennoch erwische ich mich immer mal wieder dabei wie ich mich eben genau das frage. Mir fällt nicht ein einziger Moment in der Vergangenheit ein, in dem ich vielleicht doof oder unhöflich zu ihr gewesen sein könnte. Und ich wohne nun schon seit einer Weile hier, sodass ich es auch nichtmal mehr darauf schieben kann, dass sie bloß zurückhaltend gegenüber ‚der Neuen' ist.
Im Park setzen wir uns auf eine Bank und beginnen die Karteikarten einzeln nacheinander durchzugehen. In einer Sache sind wir uns jedenfalls sicher: Wir möchten beide eine gute Note erhalten. Deshalb würde ich trotz der vielleicht vorhandenen persönlichen Differenzen behaupten, dass wir ein ganz gutes Team abgeben.
„Denkst du ich rede zu viel über den Teil oder sollte ich ihn so lassen?", frage ich sie und zeige dabei auf meine mit Stichworten gefüllte Karteikarte.
Sie neigt den Kopf leicht um zu überlegen, bis sie schließlich lächelt und antwortet: „Nein, den solltest du so lassen. Er ist wichtig für meinen Teil danach."
„VORSICHT!"
Ich höre wie eine männliche Stimme überaus laut in die Menge schreit, wodurch Marinette und ich uns direkt nach dieser umdrehen. Chat Noir rennt auf uns zu, zumindest ist es das wonach es zunächst aussieht. Denn in Wirklichkeit läuft er auf mich zu, schnappt sich meine Hand und rennt direkt weiter.
„MARINETTE, LAUF!", ruft er nur hinter sich zu meiner verdutzten Teampartnerin und sieht dann wieder nach vorne.
„Hey, was soll das?!", frage ich völlig vor den Kopf gestoßen und versuche sein Tempo mitzuhalten. „Du hast vielleicht Nerven!"
„Keine Zeit, Kleines! Ich muss dich auf der Stelle in Sicherheit bringen!"
„Sonst was?!"
Allmählich merke ich wie meine Beine lieber einen Ticken langsamer voranschreiten wollen aber Chat Noir denkt nichtmal eine Sekunde daran nicht noch schneller zu laufen. Ich höre ihn nur noch kurz seufzen, bevor er seinen Kopf zu mir dreht und fordert: „Hör bitte auf so stur zu sein und lauf weiter!"
Energisch schaut er mich für eine Sekunde lang an und ich sehe in seinem Gesichtsausdruck wie ernst es ihm ist. Auch wenn ich mich gerade am liebsten von ihm reißen würde, um ihm danach direkt eine Ansage zu machen dass er mich mit seinem stetig wechselnden Verhalten in letzter Zeit gewaltig auf die Palme bringt, kann ich nicht anders als ihm weiter blind zu vertrauen. Denn am Ende glaube ich immer noch fest daran, dass er mir nichts böses will. Er wird einen guten Grund dafür haben weshalb er mich mit sich zieht und das sollte mir für diesen Augenblick auch einfach reichen. Zudem habe ich ihn noch nie so ernst mit mir reden hören ...
Wir halten unter einer Brücke an und er presst sowohl sich selbst als auch mich mit dem Rücken gegen die Wand darunter. Schützend lässt er einen Arm vor meinem Oberkörper weilen und schaut über uns. Ich will gerade fragen worauf er wartet, als ich eine Menge von Leuten um Hilfe schreiend über die Brücke rennen höre.
Chat Noir schaut mich mit zugezogenen Augenbrauen an und beginnt zu erklären: „Ich habe keine Ahnung wie das passieren konnte aber Hawk Moth hat eine unglaubliche Menge an Akumas auf die Pariser gehetzt. Es reicht aus, dass sie bloße Angst haben und sobald ein Akuma sie erwischt, stehen sie unter seinem Kommando. Ladybug habe ich noch nicht gesehen aber als ich sah wie du mit Marinette im Park gesessen hast, musste ich dich auf der Stelle mitnehmen um dich zu beschützen."
Bevor ich etwas dazu sagen kann, schaut er erneut über sich und ich tue es ihm nach. Düstere Wolken brauen sich über Paris zusammen. Ein mulmiges Gefühl steigt währenddessen in mir auf, wobei ich noch nicht genau zuordnen kann woran das liegt. An der beunruhigenden Situation mit den Akumas oder daran, dass mich Chat Noir soeben in Sicherheit gebracht hat obwohl ich ihm beim letzten Mal nichtmal mehr zuhören wollte, sondern stattdessen davon ausgegangen bin, dass er mir ohnehin nichts nettes zu sagen haben wird nachdem Ladybug aus dem Nichts aufgetaucht ist und alles andere als guter Dinge war.
"Hör mir bitte zu, [dein Name]", beginnt Chat Noir und konzentriert sich wieder völlig auf mich. "Ich bitte dich für einen Augenblick zu vergessen, dass du wütend auf mich bist ... oder traurig wegen mir ... und auch ansonsten jegliche andere negative Gefühle mir gegenüber empfindest. Ich weiß, dass ich alleine die Schuld dafür trage aber ich bitte dich wirklich, dass du hier bleibst und auf mich wartest. Die Akumas sind längst über uns hinweg gezogen, weswegen ich nicht davon ausgehe, dass sie nochmal hierher kommen werden. Falls doch, versuche bitte stark zu bleiben und denk an die schönen Dinge! Deine Mutter, deinen Cousin, deine Freunde ... All das, was dich zum lächeln bringt. Wenn ich wieder zurück bin, darfst du alle bis dahin unterdrückten Gefühle rauslassen. Ich verspreche es dir!" Er legt seine linke Hand auf seiner Brust ab, an der Stelle wo auch sein Herz unter dem schwarzen Anzug schlägt. Plötzlich weicht sein Gesichtsausdruck weiter auf und er sieht mich durch seine traurigen, grünen Katzenaugen an. "Ich weiß, dass ich ... nicht immer die klügsten Entscheidungen treffe, geschweige denn perfekt bin. Aber ich weiß, dass du mir sehr wichtig geworden bist und ich nicht will, dass dir irgendwas zustößt. Bitte ... Vertrau mir."
Ohne weiter nachzudenken, lasse ich seine Worte bloß auf mich wirken bis ich zustimmend nicke. Es ist gerade keine Zeit dafür großartig über unsere Gefühle zu philosophieren, denn am Ende des Tages ist Chat Noir nunmal eben auch ein Teil des Superhelden-Duos von Paris - und darin ist er selbstverständlich besonders gut, weshalb er keine weitere Zeit verlieren darf.
"Nun geh schon", sage ich mit sanfter Stimme und lächle ihn an. "Mach das worin du am allerbesten bist: Ein Held sein. Ich werde bis dahin hier bleiben, deinen Rat befolgen und auf dich warten."
Sein trauriger Gesichtsausdruck hellt sich genauso schnell wieder auf wie er kam. Er schnappt sich seinen Stab, hält ihn vor sich und dreht sich um, um sich auf den Weg zu machen. Bevor er ihn aber benutzt, um damit in die Höhe zu schnellen und über die Pariser Dächer zu verschwinden, wirft er noch einen kurzen Blick zu mir zurück und versichert mir: "Ich werde nicht so lange brauchen, dann bin ich wieder für dich da, [dein Name]. Das schulde ich dir."

Wer auffällt, ist noch kein Held | Adrien Agreste / Chat Noir X LeserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt