2.

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Als Nino und ich das Schulgebäude betreten muss ich überraschenderweise doch staunen. Es ist gewaltig! Um einiges größer als meine alte Schule und ein völlig anderer Aufbau. Es hat was altes und uriges aber dennoch modernes an sich. Es würde mich nicht wundern wenn es hier so etwas wie Schuluniformen gäbe aber beim weiteren Umsehen stelle ich fest, dass dem definitiv nicht so ist. Ich sehe einige Schüler unbeschwert herumlaufen und merke, wie das bereits einen guten Eindruck bei mir hinterlässt.
"Dort oben ist mei- äh, ich meine unsere Klasse!", grinst mein Cousin schief.
Ich kichere über seinen Versprecher. „Schon gut, für mich ist es doch auch eine völlig neue Situation."
Er lächelt mich ermutigend an. "Komm, wir sollten uns ein bisschen beeilen", hetzt er plötzlich, wobei er meine Hand nimmt und mich mit sich zieht, "der Unterricht fängt jede Sekunde an!"
Ich versuche nicht über meine eigenen Füße zu stolpern, bis wir schließlich über eine Stahltreppe am Klassenraum angelangt sind. Er lässt meine Hand wieder los, ehe er vor geht. Ein Flau macht sich in meinem Magen breit. Zögernd folge ich ihm. Ich weiß irgendwie gefühlt auf einmal gar nicht mehr wie man neue Leute kennenlernt ... geschweige denn auf sie zugeht.
"Glück gehabt", lacht er leicht, "Madame Bustier ist noch nicht da!"
"Wer?", frage ich verwirrt.
"Achja ... Tut mir leid. Madame Bustier ist unsere Klassenlehrerin."
Ehe ich mich versehe stehe ich auch schon mitten im Raum. Einige Gesichter drehen sich zu mir, als ich einen Blick durch den Raum werfe. So viel Aufmerksamkeit auf einmal bin ich gar nicht gewohnt. Ich versuche mir dennoch nichts davon anmerken zu lassen, dass es mich leicht nervös macht.
"Wer ist denn das?", höre ich unerwartet jemanden abwertend fragen. Mein Blick richtet sich automatisch auf die Richtung, aus der die etwas schrille Stimme kam, aus.
"Ignorier sie", flüstert Nino mir zu, während er seine Augen auf ein blondes Mädchen ausrichtet. Sie trägt ihre Haare zum Pferdeschwanz zusammen, eine Sonnenbrille auf dem Kopf - obwohl nicht einmal wirklich die Sonne scheint -, ein - für mich furchtbar - grellgelbes Outfit und zudem auch noch blauen Lidschatten, was dem ganzen nochmal einen oben draufsetzt. Im Klartext: Sie ist die perfekte verwöhnte Göre. Ihrem herrischen Ton nach zu urteilen liege ich da auch gar nicht mal so falsch.
Sie steht auf und kommt auf mich und Nino zu. Ihre Augen sind erst fest auf mich, dann auf meinen Cousin gerichtet.
"Hallo?! Hörst du schwer?! Ich habe dich was gefragt!"
Herablassend tippt sie, während sie spricht, mit dem Zeigefinger auf Ninos Brust herum. Dieser blickt nur erzürnt zurück, sagt aber nichts. Der Anblick dieser Situation geht mir innerhalb kürzester Zeit komplett gegen den Strich.
"Wie gehst du mit meinem Cousin um?!", werfe ich plötzlich ein. Sehr zu meiner eigenen Verwunderung über mich selbst.
Ein schreckhaftes Geräusch ertönt aus einigen Mündern, als ich das frage. Als hätte ich eine Autorität in Frage gestellt. Nino sieht mich ebenfalls schockiert an.
Das blonde Mädchen wendet sich nun zu mir: "Was denkst du eigentlich wer du bist, hm?"
"Ich denke ich bin [dein Name] und deinen Namen will ich gar nicht erst erfahren."
Langsam verschränke ich die Arme vor der Brust. Unsicher darüber was ich hier gerade eigentlich tue, bleibe ich meinem aufmüpfigen Verhalten treu. Währenddessen erkenne ich aus dem Augenwinkel wie sich Ninos Blick in ein Grinsen verwandelt.
"Du sprichst hier gerade mit der Tochter des Bürgermeisters!"
Mein erster Eindruck von ihr bestätigt sich damit erneut. Verwöhnte Göre.
"Und?", frage ich unbeeindruckt.
Ihr finsterer Gesichtsausdruck nimmt schlagartig ab.
In diesem Moment geht die Tür auf und wir Drei drehen uns um. In Erwartung dass Madame Bustier den Raum betritt, ist es stattdessen ein blonder Junge mit grünen Augen in einem schwarzen T-Shirt, das verziert mit drei verschiedenfarbigen Streifen ist und darüber ein weißes, offenes Hemd trägt sowie eine blaue Jeans drunter und schlussendlich ein Paar orangene Chucks. Schnurstracks geht er auf meinen Cousin zu.
"Hey", begrüßt er diesen mit einem Faustschlag.
"Alles klar, man?", entgegnet Nino. Er scheint sich über den Neuzugang in diesem Gespräch zu freuen.
"Adrien!", gibt die Blondine neben mir laut melodramatisch von sich, "ein Glück bist du da!"
Sie fällt ihm um den Hals, nachdem sie Nino aus dem Weg geschubst hat. Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu, doch seiner zurück vermittelt mir, dass ihr Verhalten nicht unüblich ist.
"Was ist los, Chloé?", fragt der blonde Junge und befreit sich vorsichtig aus ihrem Griff.
Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Blondschopfe richte, schlägt es bei mir ein wie ein Blitz. Dieser Adrien, das ist der selbe Junge wie auf dem Werbeplakat von vorhin auf dem Schulweg! Zumindest sieht er diesem verdammt ähnlich ... Kann das denn überhaupt sein?! Würde so jemand auf eine öffentliche Schule gehen?
"Die da", antwortet Chloé mit ausgestrecktem Zeigefinger, der auf mich gerichtet ist, "war so unfassbar unfreundlich zu mir!"
"Ähm ...", entgegnet Adrien und sieht zu Nino rüber, während er Chloé noch ein wenig weiter von sich weg schiebt.
Scheinbar hat er kein wirkliches Interesse an ihrem Gerede ...
Nino packt mich am Handgelenk, bevor er seinen gesamten Arm um mich legt und an sich drückt. Adrien geht zwei Schritte weiter auf uns zu und lässt Chloé damit hinter sich stehen.
"Das ist meine Lieblingscousine [dein Name]!", stellt Nino mich erheitert Adrien vor, "in zwei Wochen geht sie auch hier zur Schule!"
Ich kann nicht anders als schief zu lächeln, denn so sehr wie er sich darüber freut, kann ich es noch nicht. Zumal ich alles andere als begeistert von dieser blonden Schnepfe namens Chloé bin. Adrien mustert mich für eine kurze Weile, ehe er beginnt mich freundlich anzulächeln.
"Freut mich dich kennenzulernen, [dein Name]. Ich bin Adrien."
Ich komme gar nicht dazu noch irgendwas darauf zu sagen, da Nino bereits antwortet: "Das weiß sie doch jetzt auch schon, dank der da hinten."
Chloé gibt eine Art Grummeln von sich, als sie erkennt, dass sie maßlos von dem blonden Jungen ignoriert wird.
"Aber was du noch nicht weißt", wendet Nino sich wieder zu mir, "Adrien ist mein bester Freund!"
Dieser lacht verlegen darüber und streicht sich einmal durch sein blondes Haar. Wie ich ihm dabei zuschaue werde ich mir immer sicherer, dass er und der Junge auf dem Plakat Ein und der Selbe sind ... Wahnsinn.
"Und er ist Model! Sein Vater ist der weltberühmte Designer Gabriel Agreste!"
Da habe ich die Bestätigung, auf die ich insgeheim gewartet habe. Gabriel lautete die Marke, für die mit der Anzeige geworben wurde. Ein echtes Model ... Hier, direkt vor mir. Kaum zu fassen.
"Nino ...", lacht Adrien verlegen.
Ich erkenne wie sich die Wangen des Jungen ein wenig rötlich färben. Vermutlich wollte er gar nicht, dass Nino mir das direkt erzählt.
"Guten Morgen, Klasse!"
Eine große, schlanke Frau mit rotorangenen Haaren, zu einem Dutt geformt, und weißer Arbeitskleidung betritt den Raum. Das muss Madame Bustier sein. Chloé und Adrien begeben sich auf ihre Plätze, während Nino mit mir zusammen zu der Lehrerin geht. Diese sieht mich und weiß direkt, wer ich bin.
"Ah", kommt es aus ihr herausgeschossen, "du musst also [dein Name] sein. Willkommen in Paris, auf dieser Schule und in dieser Klasse. Es ist so schön ein neues Gesicht zu sehen!"
"Die Freude ist ganz meinerseits", blöffe ich gut. Nino strahlt.
"Da hinten ist noch ein Platz frei, du darfst dir aber auch einfach selbst einen aussuchen", schlägt die Lehrerin mir freundlich vor. Ich nehme den hinteren Platz ohne weiteres an. Nino sitzt zusammen mit Adrien in der ersten Reihe, wodurch er sich schnell von mir entfernt. Mit meiner Tasche auf der rechten Schulter mache ich mich auf den Weg dorthin. Als ich dort ankomme erkenne ich erst, dass da noch jemand sitzt. Ein rothaariger Junge, der seinen Kopf auf dem Tisch abgelegt hat und somit hinter dem großen, breiten Jungen, der vor ihm sitzt, verschwunden ist. Leise lasse ich mich neben ihm nieder. Nicht leise genug, denn als meine Tasche den Boden trifft, schreckt er auf und starrt mich verwundert an.
"Ähm ... Hallo", begrüße ich ihn lächelnd.
Er zeigt keinerlei Reaktion. Ich strecke ihm höflicherweise meine Hand hin.
"Ich bin [dein Name] und du?"
Ein paar Sekunden weiter verzieht sich keiner seiner Gesichtsmuskeln, doch plötzlich lächelt er ebenfalls, wenn auch nur ganz klein und leicht.
"Ich bin Nathanaël", stellt er sich sanft vor und kommt meiner Hand entgegen, indem er sie kurz schüttelt.
"Freut mich."
Seine Stimme hat etwas ausgesprochen sympathisches. Scheinbar habe ich Glück gehabt mit meinem Sitznachbarn.
Ich richte meinen Blick nach vorne zur Lehrerin, die gerade versucht den Unterricht zu beginnen, jedoch in letzter Sekunde durch ein hektisch in den Raum eilendes Mädchen aufgehalten wird.
"Es tut mir so leid!", spricht sie schnell und rennt zu ihrem Platz. Dabei hüpfen ihre schwarzen, zu zwei Zöpfen gebundenen Haare rauf und runter und sie stolpert fast, als sie sich gerade hinsetzen will.
"Marinette!", spricht Madame Bustier kopfschüttelnd, "Das kann so nicht weitergehen!"
"I-Ich weiß ... Tut mir leid! Es kommt nie wieder vor!"
Die Lehrerin sagt nichts mehr dazu und beginnt schließlich mit dem Unterricht, der schon längst hätte anfangen sollen.

Wer auffällt, ist noch kein Held | Adrien Agreste / Chat Noir X LeserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt