21.

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Diesmal würde ich nicht darauf warten, dass ich Chat Noir durch Zufall wieder treffe. So viel stand für mich ein paar Tage nach unserem letzten Wiedersehen, welches abrupter als ich dachte geendet hat, fest. Mittlerweile akzeptiere ich auch den Gedanken, dass ich mich durch und durch in ihn verknallt habe - und das obwohl ich ja nicht einmal weiß, wer er überhaupt in Wirklichkeit ist.
Funktioniert sowas überhaupt?!
Offensichtlich, denn sonst würde ich mich nicht in dieser misslichen Lage befinden.
Nach Schulschluss packe ich meine Sachen und will mich direkt auf den Weg zum Eifelturm machen, da dort in den meisten Fällen auch Ladybug und Chat Noir anzutreffen sind. Zumindest weiß ich das vom Ladyblog, den Alya nach wie vor fleißig führt. Auch wenn er mehr auf Ladybug ausgerichtet ist, so ist sie doch sehr selten ganz alleine unterwegs oder aber es lässt sich nicht mehr lange auf Chat Noir warten.
Ich will gerade loslaufen um aus dem Klassenzimmer zu stürmen, da stoße ich schnurstracks in Nino hinein. Dieser wiederum fällt zurück auf Chloé, die hingegen empört aufschreit und mit dem Fuß aufstampft nachdem sie ihre Sonnenbrille wieder auf den Kopf gesetzt hat. Diese wäre nämlich nahezu runtergefallen und damit hätte das Drama vollendet sein können.
"BIST DU EIGENTLICH VÖLLIG BESCHEUERT?!", schreit sie und zieht Nino vor sich weg um mich direkt mit ihrem finsteren Blick ermorden zu können.
Eine rhetorische Frage, ganz klar.
Im Augenwinkel erkenne ich, wie Nino seine Cap sowie Schultasche auf der Schulter wieder richtet. Er tätschelt Chloé die Schulter und lacht in sich hinein. "Es ist ja nichts passiert, entspann dich."
"ENTSPANNEN?! Nachdem dieser ... dieser Bauerntrampel fast meine Sonnenbrille kaputt gemacht hätte?! Die ist so teuer, so viel Geld werdet ihr niemals in eurem Leben überhaupt BESITZEN!"
Ich muss mich kurz räuspern, um nicht loszulachen und damit alles nur noch schlimmer zu machen. Auch wenn sie mich einen Bauerntrampel genannt hat, ist es irgendwie amüsant ihr dabei zuzusehen, wie sie sich derart in die Situation reinsteigert.
"Tut mir leid", entschuldige ich mich mit ruhiger Stimme bei ihr, "ich habe es nur etwas eilig."
Chloés Miene wechselt von wutentbrannt zu abwertend. "Für wen um alles in der Welt könntest du so wichtig sein, dass derjenige nicht eine Minute länger auf dich warten kann? Versuch mich nicht für dumm zu verkaufen."
"Dabei habe ich nichtmal von irgendeinem Treffen gesprochen aber nun gut. Einen schönen Tag noch!" Ich grinse sie mit meinem herzlichsten Lachen an und verfolge meinen eigentlichen Plan weiter, indem ich so schnell es geht die Schule verlassen will. Dieser wird jedoch erneut durchkreuzt, indem Adrien plötzlich vor mir steht. Dieser schaut jedoch nicht mich an, sondern an mir vorbei und sagt genervt zu Chloé: "Du hast doch gesehen, dass [dein Name] das nicht mit Absicht gemacht hat. Außerdem hat sie nicht nur dich getroffen, sondern auch Nino und der beschwert sich auch nicht, denn es ist schließlich nichts weiter passiert."
"Ist schon gut, Adrien", wende ich ein. "Ich mach mir nichts draus."
Nun sieht er mich mit gerunzelter Stirn an. "Es ist aber nicht fair von Chloé so zu tun, als hättest du ihr großen Schaden zugefügt wenn es keinen gab."
Nino geht auf Adrien zu und hält neben mir an. "Was soll's, Bro. Wir haben schulfrei und ich habe keine Lust hier auch nur eine Minute länger zu verbringen."
"Adrikins!", quietscht Chloé in gespielter Verzweiflung. "Wie kannst du nur denken, dass ich meine Erschütterung vorspiele?!"
Adrien schüttelt nur noch mit dem Kopf, ehe er Anstalten macht ebenfalls den Klassenraum zu verlassen. Vorher aber reicht er mir die Hand und ich schaue ihn irritiert an.
"Ähm ... Wofür?", frage ich nur verdattert und frage mich, ob ich das offensichtliche übersehe oder zurecht keine Ahnung habe, was er von mir möchte.
Anstatt auf meine Frage zu antworten, schnappt er sich meinen Rucksack den ich bislang nur auf einer Schulter getragen habe und möchte wissen: "Sollen mein Bodyguard und ich dich irgendwohin mitnehmen?"
Ich merke augenblicklich, wie mir warm im Gesicht wird. Dabei ist es schon eher lächerlich, wie ich über so eine einfache und freundliche Geste nicht wie ein normaler Mensch antworten kann sondern mich erstmal in die neue Situation einfinden muss. Adrien Agreste mag ein Model und Sohn des größten Designers Paris' zu sein, doch er bildet sich auch wirklich keine Sekunde irgendwas darauf ein. Stattdessen erleuchtet seine warmherzige Persönlichkeit nur so förmlich jeden Raum, den er betritt und lässt dabei auch mich eindeutig viel zu weich werden ...
"Nein", antworte ich nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens letztendlich doch noch. "Danke aber ich bin ... verabredet!"
"Oh, okay ..." Sein Blick sieht enttäuscht aus. "Dann lass mich dir wenigstens noch die Tasche raus tragen, bevor du dann zu Fuß weitergehst."
Ich lehne sein charmantes Angebot nicht ab und wir unterhalten uns noch weiter, während wir gemeinsam mit Nino das Schulgebäude verlassen.
Nach einer kurzen Verabschiedung von den beiden, mache ich mich auf den Weg zum Eifelturm. Dort angekommen, sieht es nach einem eher unspektakulären Nachmittag aus. Ich nehme Platz auf einer Bank und beginne meine Hausaufgaben zu machen und dabei Musik zu hören. Ein wenig bescheuert komme ich mir schon dabei vor, dass ich insgeheim auf Chat Noir warte aber jedesmal wenn dieses Gefühl in mir aufsteigt, schüttle ich es ab und versuche mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Als ich beinahe alle Hausaufgaben fertig erstellt habe und gerade dabei bin meinen Essay für die morgige Englischstunde fertig zu stellen, höre ich in weiterer Ferne laute und begeisterte Rufe. Ich wende meinen Blick dorthin und mein Warten wird belohnt: Ich sehe wie Ladybug und Chat Noir Fotos von sich machen lassen und nebenbei interviewt werden für die Nachrichten. Schnell packe ich meine Sachen wieder zusammen und begebe mich dorthin. Als ich nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt bin, fällt mir allerdings auf dass ich die Sache nicht ganz zu Ende durchdacht habe. Was soll ich machen, um Chat Noir dazu zu bewegen mit mir zu reden? Und das auch noch vor all diesen anderen Menschen?!
Na klasse, [dein Name]. Das war mal wieder eine grandiose Idee ...
Meine Füße lassen sich von dieser Erkenntnis aber nicht abhalten und ich stehe keine zwei Minuten später mittendrin in der Masse. Ich versuche mich nach vorne durchzuwinden, doch das ist schwerer als ich zunächst gedacht habe. Plötzlich merke ich, wie ich von hinten gestoßen werde und falle über meine eigenen Füße nach vorne. Für meinen freien Fall machen die Leute selbstverständlich Platz und plötzlich finde ich mich Ladybug zu Füßen wieder.
"Och nein", ächze ich nur und schäme mich ein wenig für diese Szene.
"[Dein Name]?!", höre ich Ladybug sagen.
Ich habe beinahe vergessen, dass wir uns bereits schonmal begegnet sind. "Entschuldigt bitte ..." Sie hilft mir wieder auf und klopft mir etwas Staub von der Jacke weg. Ich schaue kurz nach, ob mein Rucksack sich zufällig durch diesen Auftritt geöffnet haben könnte und als ich wieder nach vorne Blicke, sehe ich in Chat Noirs verdutztes Gesicht.
"Ist denn alles gut? Tut dir nichts weh?", fragt Ladybug und ich winke nur ab, während ich ihr versichere, dass mir nichts passiert ist. Dabei spüre ich Chat Noirs Blick immer noch auf mir verweilen, bis er auch endlich was sagt: "Komm, ich bringe dich nach Hause. Einmal hinfallen sollte für heute reichen."
Er lächelt und nickt Ladybug zu, ehe er mich auf Händen trägt und mithilfe seines Stabs mit mir aus der Menge verschwindet. Er wirkt heute anders auf mich als noch vor ein paar Tagen, wo er mich mit Luka zusammen gesehen hat und wir eigentlich miteinander reden wollten nachdem er sich heldenhaft wiedermal an der Schadensbeseitigung von Paris durch eine Akuma-Attacke beteiligt hat. Den ganzen Weg über zu mir nach Hause spricht er dennoch kein weiteres Wort und ich will auch nicht mit der Tür ins Haus fallen, solange wir uns nicht anständig gegenüber stehen.
Auf meinem Balkon zuhause angekommen, setzt er mich sanft ab und steckt den Stab wieder weg. Folglich lehnt er sich mit dem Rücken an das Geländer und verschränkt die Arme vor der Brust, ehe er seufzt. "[Dein Name] ..."
Ich lege meinen Rucksack ab und schaue ihn unweigerlich mit meinen [deine Augenfarbe] Augen verzweifelt an. "Können wir jetzt bitte miteinander reden?"
Er sieht zur Seite und ich mustere den Teil seines Gesichts, der noch zu sehen ist. Niemals hätte ich mir auch nur ansatzweise vorstellen können mich für jemanden zu interessieren, den ich eigentlich gar nicht kenne.
Was weiß ich denn schon über ihn?
Bis auf seine Identität als Superheld, die Flirtversuche, die teilweise freche Art wie er mit mir umgeht und dass er ein guter Küsser ist ... Aber das macht einen Menschen ja nicht aus. Da steckt noch so viel mehr hinter dieser Maske.
Ich merke wie er nicht dazu bereit ist mit mir zu sprechen, also sehe ich keinen anderen Ausweg als selbst damit anzufangen. "Chat Noir ... Ich weiß eigentlich gar nicht was genau ich dir sagen will, weil mein Kopf förmlich davor ist zu platzen vor lauter Dingen, die ich dir zu sagen habe. Was ich aber weiß ist, dass ..."
Ich unterbreche, da ich mir nicht sicher bin inwieweit ich komplett ehrlich mit ihm sein sollte. Was ist wenn ich alles damit nur noch schlimmer mache als es eh schon ist? Seit unserem ersten Kuss hat sich die ganze Sache zwischen uns nur weiter verkompliziert. Dabei will ich am liebsten zu diesem Moment zurück, in dem es passiert ist. Denn für ein paar Augenblicke hatte ich das Gefühl wirklich glücklich zu sein und über nichts viel mehr nachzudenken, als darüber wie sehr dieser Junge mich gerade umhaut. Auch wenn ich es am liebsten zu verhindern gewusst hätte. Aber wer hat schon die vollständige Kontrolle über seine Gefühle?
Er löst die Arme vor seine Brust und lässt sie wieder an den Seiten herabfallen. Sein Blick ist nun auch erneut auf mich gerichtet. "Ich bin mir gerade auch nicht sicher was ich dir sagen soll, [dein Name]." Die wenigen Schritte, die uns voneinander noch trennen, beginnt er nun hinter sich zu legen und hält direkt vor mir still um auf mich leicht herab zu sehen. Er legt eine Hand unter mein Kinn und hebt es damit leicht an, sodass ich seinem Blick nicht ausweichen kann so wie er es noch vor ein paar Sekunden getan hat. "Bis ich mir aber darüber im Klaren bin, kann ich mich nicht länger zurückhalten ... Nicht nur mein Kopf platzt sonst, sondern auch der gesamte Rest ..."
Ich dachte stets, dass Kommunikation extrem wichtig ist. Davon bin ich auch immer noch der Überzeugung aber ich würde lügen wenn ich behaupten würde, dass ich gerade lieber mit ihm reden als ihn küssen wollen würde. In dem Moment als er seine Lippen auf meine presst und seine Hände an meine Wangen legt, um den Kuss noch ein wenig fester werden zu lassen, werden meine Beine butterweich ... ganz zu Schweigen von meinem Kopf und dem Gedankenchaos, das bis vorhin noch darin gewuselt hat.


Wer auffällt, ist noch kein Held | Adrien Agreste / Chat Noir X LeserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt