14.

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Es ist eine Woche vergangen seit Adrien mich unerwartet angerufen und mich an seinen Gefühlen gegenüber seinem Vater hat Teil haben lassen. Noch immer bin ich berührt davon, dass er sich mir geöffnet hat und hätte am liebsten mit Nino darüber gesprochen um ihn zu fragen, ob er das wirklich so selten macht wie es den Anschein hat. Andererseits würde ich mich dabei fühlen, wie als würde ich Adrien hintergehen. Auch wenn Nino sein bester Freund ist und ihn schlussendlich immer noch besser kennt als ich derzeit. Aber wer weiß, vielleicht komme ich ihm ja auch noch so nahe?
"[Dein Name], hier ist der Eistee, den du haben wolltest."
Wenn man vom Teufel spricht. Oder denkt.
Adrien reicht mir die kleine Flasche, die mit dem Süßgetränk bis zum Rand gefüllt ist, und lächelt mich an.
"Danke", erwidere ich und nehme sie entgegen, um folglich einen Schluck da raus zu nehmen.
"Es freut mich, dass du mit mir die Freistunde zusammen verbringst. Auf Dauer fühlt es sich doch irgendwie komisch an immer wieder das fünfte Rad bei Nino und Alya zu sein, auch wenn sie mich in dieser Dreierkombination bisher niemals ausgeschlossen haben. Sie freuen sich bestimmt auch darüber eine Weile zu Zweit zu sein."
Ich kichere und antworte: "Ich weiß was du meinst."
Wir sitzen auf einer Bank vor dem Schulgebäude und ein paar wenige Autos rauschen immer wieder an uns vorbei.
"Ich hoffe es stört dich nicht, dass wir jetzt auch nur zu Zweit sind", höre ich Adrien plötzlich sagen und sehe ihn an.
Täusche ich mich oder sieht er verlegen aus?
"W-Was?!" Viel mehr kommt aus meinem zugeschnürten Hals gar nicht erst raus und ich streiche verunsichert ein paar meiner Haarsträhnen hinter mein linkes Ohr. "Wie?"
"Naja", spricht er schief lächelnd weiter, "ich bin mir manchmal nicht sicher ob ich mich dir eher ... Ähm ... Wie soll ich sagen ... Aufzwinge?"
Gott sei Dank habe ich gerade keinen weiteren Schluck Eistee getrunken, ansonsten hätte ich diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit schnurstracks wieder ausgespuckt.
Mit meinen großen [deine Augenfarbe] Augen sehe ich ihn verwundert an. "Adrien, wie kommst du darauf?!"
Er zuckt mit den Schultern, woraufhin er betrübt auf seine Beine schaut. "Ich weiß auch nicht. Ich denke all diese Jahre nicht zu einer öffentlichen Schule gegangen zu sein lassen mich manchmal wenig nachvollziehbare Sachen denken."
Ich beiße mir automatisch auf die Unterlippe und kann meinen Blick nicht von ihm lösen.
Was kann ich tun, damit er sich selbst nicht immer wieder als Last für Andere empfindet?
"Hey", kommt es aus mir raus, "ich habe eine Idee."
Er sieht mich fragend an. "Und die wäre?"
"Komm mit", antworte ich und greife nach seiner Hand. Ich vernehme nur noch einen leisen Hauch seiner Stimme, verstehe jedoch nicht was er sagt, denn ich habe ihn bereits von der Bank rauf gezogen und laufe los. Dabei halte ich seine Hand weiterhin fest, damit er auch bloß nicht auf den Gedanken kommt wieder zurück zur Bank geschweige denn ins Schuldgebäude zu gehen.
Nach einer kurzen Strecke sind wir auf dem Place de Tertre, dem Künstlerplatz in Paris. Wir sind nicht allzu weit von der Schule entfernt, sodass es uns möglich ist eine Zeit lang hier zu sein und rechtzeitig wieder zum Unterricht zu erscheinen.
"Ähm, [dein Name] ... Warum wolltest du mit mir hier hin gehen? Und sollten wir das Schulgelände nicht eigentlich lieber nicht verlassen?"
"Es wird Zeit dass du merkst, dass ich wirklich gerne Zeit mit dir verbringe", entgegne ich und wundere mich im nächsten Augenblick selbst darüber, wie verdammt selbstbewusst das klang. Direkt darauf merke ich, dass ich noch immer Adriens Hand festhalte und werfe einen kurzen Blick dorthin. Ich kann aus dem Augenwinkel erkennen, dass er das selbe macht. Erst jetzt, wo ich das wirklich wahrnehme, spüre ich eine wohlige Hitze in mir aufkommen und mein Herz beginnt deutlich schneller und stärker zu pochen. Als hätte uns diese Berührung auf einmal einen Stromschlag verpasst, lassen wir ruckartig wieder voneinander ab. Ich will etwas sagen, doch mir fällt nicht ein was und vermutlich würde auch nur sinnloses Gefasel dabei rumkommen. Ich brauche wieder ein paar Sekunden um mich zu fassen und meinen Herzrhythmus wieder ins Gleichgewicht zu bringen, doch als ich das geschafft habe beginne ich weiter im Text: "Und mir gefällt dieser Platz sehr. All diese Straßenkünstler, die an ihren Staffeleien malen und Bilder innerhalb kürzester Zeit wie gedruckt aussehen lassen. Das ist meiner Meinung nach wirklich beeindruckend. Hier gibt es außerdem immer etwas neues zu sehen. Und ich weiß ja, wie streng dein Vater bezüglich deines Freizeitprogramms ist, also dachte ich mir dass diese Freistunde eigentlich die perfekte Gelegenheit ist um mal wieder etwas anderes als die Schule zu sehen." Ich lächle ihn freudig an und bekomme ein ebenso breites Lächeln zurück. Er lässt seinen Blick einmal umher schweifen, bevor er mich wieder anschaut. "Das ist eine wirklich liebe Idee von dir. Danke", spricht er sanft aus. Gleichzeitig zieht ein leichter Windzug an uns vorbei und seine Haare lassen sich ein wenig mitziehen, indem sie sachte vor sich hin wehen. Vielleicht tut mir die Sonne und das heutige warme Wetter nicht gut aber wenn ich ihn mir so anschaue, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich nicht eine Art beste Freundin für ihn werden möchte.
"OH NEIN! SCHNELL WEG HIER!"
Wie wach gerüttelt von dem Geschrei schüttle ich mit dem Kopf. Adrien sieht nach links und rechts hin und her, bis er nach einem meiner Arme greift. "Komm! Du musst hier weg!"
"Aber-"
"Kein Aber!"
Er wirkt derart entschlossen, dass mir gar nichts weiteres einfällt als mit ihm zu rennen. Menschenmassen laufen mit in unsere Richtung, einige stürmen sogar regelrecht an uns vorbei. In eine Seitenstraße biegt Adrien mit mir nach einigen Metern des Laufens ein, um sich dann mit mir hinter einen Baum zu stellen und vorsichtig drum herum zu schauen.
"Ich verstehe gar nicht was auf einmal los ist", spreche ich viel mehr zu mir selbst als zu ihm.
"Ich auch noch nicht aber du solltest dir am besten merken, dass sobald hier Leute beginnen in Panik auszubrechen, man besser einfach mitzieht."
"Sollte man nicht lieber vorher abchecken, ob das überhaupt nötig ist? Vielleicht ist es auch ein falscher Alarm?"
Als wären diese Fragen das bescheuertste überhaupt, was ich in diesem Moment hätte sagen können, sieht der sonst so engelsgleiche Blondschopf mich aus seinen smaragdgrünen Augen finster an. "[Dein Name], willst du erst abwarten bis die potenzielle Gefahr direkt vor dir steht?"
"N-Nein, ich ...", stammle ich, doch mir fällt nicht viel mehr ein.
Er gibt einen deutlichen Seufzer von sich, ehe er sich mit seinem kompletten Körper zu mir wendet und seine Hände auf meinen Schultern ablegt. Er macht noch zwei Schritte nach vorne und das erste was ich wahrnehme ist sein Geruch. Er hat etwas heimisches an sich. Etwas wohliges und vertrautes. Sein finsterer Blick nimmt wieder ab und er sieht mich nur noch besorgt an. "Vertraust du mir?", fragt er.
Ich nicke. Viel zu sehr fesselt mich sein Anblick, um über die Aneinanderreihung von Worten zu denken.
"Dann nimm dir das bitte zu Herzen ... Ich ... Ich will doch nur, dass dir nichts zustößt. Dafür bist du mir zu wichtig, als dass ich mir das jemals verzeihen könnte."
Ohne auch nur irgendwas dagegen tun zu können, steigt mir die Hitze zu Kopf und meine Wangen werden schlagartig rot. Paradoxerweise zieht sich auch noch eine Gänsehaut über meine Arme, sodass mein Körper völlig überfordert damit ist, ob ihm nun heiß oder kalt ist.
"Bleib hier, okay? Ich hole Hilfe!"
Er lässt mir gar keine Zeit mehr zu antworten, da ist er auch schon längst über alle Berge. Ein Gefühl von Schwindel überkommt mich und ich lehne mich mit dem Rücken an den Baumstamm an. Das Getümmel, das derzeit an mir weiter vorbei zieht, erscheint auf einmal völlig nebensächlich und ich halte mich einfach an das, was Adrien gesagt hat. Ich bleibe hier, bis er wieder zurück kommt.

Nach ungefähr einer viertel Stunde habe ich mich auf den Boden niedergelassen. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr verleiht es mir ein Kribbeln im Bauch, was Adrien zu mir gesagt hat.
Ich bin ihm wichtig.
Dennoch verstehe ich nicht ganz warum er gesprochen hat, als läge es wirklich in seiner alleinigen Macht mich zu beschützen. Nicht dass ich das nicht schön finden würde, ganz im Gegenteil. Ich würde es nur gerne besser verstehen.
Ein Schatten huscht plötzlich von oben herab zu mir runter und ich stehe reflexartig auf. Dabei presse ich mich derart gegen den Baum, dass die Rinde sich schon leicht in meine Haut eindrückt. Vor mir erscheint Chat Noir, der allerdings im Gegensatz zu sonst nicht grinst sondern mich ernst mit seinen Katzenaugen ansieht.
"Keine Angst", sagt er mit beruhigender Stimme. "Ich bin es nur."
Ich stoße einen erleichterten Atemzug aus. "Du hast mich ganz schön erschrocken ..."
"Das habe ich gesehen, tut mir leid."
"Was machst du hier? Müsstest du nicht gerade eigentlich damit beschäftigt sein Paris vor dem zu retten, was alle in Angst und Schrecken gejagt hat?"
Nun schmunzelt er leicht und ich sehe wieder den Chat Noir vor mir, wie ich ihn üblicherweise bisher erlebt habe. "Das haben Ladybug und ich bereits erledigt, kleine Lady."
"Oh, okay - Das ging ja schnell."
Er verbeugt sich vor mir. "Wir leisten nur grandiose Arbeit", prahlt er und zwinkert mir folglich zu, ehe er sich wieder aufrichtet.
Ich kann nicht anders als zu lächeln. Ich muss mittlerweile wirklich zugeben, dass mir seine Art gefällt. Sie ist stets unterhaltsam und hat was einzigartiges an sich.
"Hat Adrien dich etwa zu mir geschickt?", frage ich neugierig nach. "Er wollte eigentlich wieder kommen."
"Oh- ... Äh, ja. Er hat mir gesagt, dass seine gute Freundin noch auf ihn wartet, bevor sein Chaffeur ihn wieder eingesammelt hat um ihn mit nach Hause zu nehmen. Aufgrund der entstandenen Umstände ist nämlich der restliche Schultag für euch hinfällig." Er lacht schief und ich schaue ihn einen Moment skeptisch an, bis mir wieder einfällt, dass er keinen Grund dazu hätte mich anzulügen. "Und deshalb bin ich jetzt hier. Damit ich quasi dein Chaffeur bin."
"Du willst doch jetzt wohl nicht ernsthaft versuchen mir weiß zu machen, dass du einen Führerschein besitzt, oder?"
Er bricht in schallendes Gelächter aus, sodass seine Körperhaltung sich sogar ein wenig krümmt und er sich den Bauch festhält. "Sehr witzig, chérie. Aber nein, das will ich nicht." Er kommt auf mich zu und hebt mich so geschickt an, dass ich im nu mit meinem gesamten Körper im in seinen Armen liege. "Halt dich an meinem Hals fest, die Fahrt kann ein wenig holprig werden", scherzt er, doch ich befolge seine Anweisung. Vorsichtig lege ich meine Arme um ihn und komme ihm dabei mit meinem Gesicht unweigerlich näher. Er schaut mich noch einmal an und lächelt mir zuversichtlich zu, woraufhin er beginnt sich mithilfe von Mülltonnen, einer Straßenlaterne und einer Feuerleiter auf die Dächer von Paris zu schwingen. Sein Griff an mir ist fest, jedoch tut er mir nicht weh. Und er hat recht - diese 'Fahrt' ist holprig. Die verschiedenen Höhen der Dächer machen es alles andere als entspannt auf diese Art nach Hause gebracht zu werden. Doch auch wenn es sanftere Wege gibt, fühle ich mich alles andere als unsicher. Ist es wahnsinnig zu glauben, dass ich ihm vertrauen kann? Jemandem, den ich kaum kenne aber immer wieder plötzlich vor meiner Nase auftaucht?
"Ich höre deine Gedanken bis hier hin", höre ich ihn schmunzeln. "Du bist verhältnismäßig still heute."
"Das kann ich von dir eher nicht behaupten", stimme ich in sein Lachen mit ein.
Er sieht kurz zu mir runter, konzentriert sich aber dann wieder auf den Weg vor ihm.
"Es ist wahrscheinlich unnötig das zu sagen aber ich würde zu gerne wissen, wer du in Wirklichkeit bist", spreche ich vermutlich wider seiner Erwartung aus.
Seine Augen vergrößern sich, soweit ich das erkennen kann, und er sieht zur Seite. "Mal ganz davon abgesehen, dass ich das sowieso niemandem offenbaren darf - Ist es auf diese Art nicht viel interessanter? Vielleicht würde es dich nur enttäuschen wenn du wüsstest, wer ich ohne diese Maske bin."
Wow. Das war eine tiefgründigere Antwort, als ich die mit der ich eher gerechnet habe. Keine Selbstgefälligkeit weit und breit.
"Ich glaube nicht", antworte ich leise. "Jemand der mir mit Maske sympathisch erscheint, wird es mit Sicherheit auch ohne."
Er lächelt mich an und bleibt stehen. Ich schaue nach vorne um zu sehen wo wir sind und ich stelle fest, dass wir auf dem Dach vor unserem Balkon stehen. Er befindet sich nur noch ein kleines Stück unterhalb von uns.
Chat Noir lässt mich wieder runter und als ich wieder den Boden unter meinen Füßen spüre, schaue ich ihn an. Auch wenn er eben noch ein wenig rumgescherzt hat, wirkt er nachdenklich. Vielleicht hätte ich ihm lieber nicht sagen sollen, dass ich gerne wissen würde wer er ist.
"Tut mir leid, dass ich das vorhin gesagt habe. Ich respektiere natürlich voll und ganz, dass ich nie erfahren werde wer du außerhalb von Chat Noir bist."
Er schaut zur Seite und vermeidet den Augenkontakt mit mir, doch ich bleibe mit meinem Blick standfest. "Wer weiß, vielleicht bin ich ja genauso wie du mich kennst und du weißt nur nicht inwiefern sich mein äußeres Erscheinungsbild ändert?"
"Wie meinst du das?"
Er sieht mir wieder in die Augen und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Katzenaugen haben etwas unfassbar anziehendes, es ist mir immer noch ein Rätsel wie sie so echt aussehen können. Als würden sie wirklich einer Katze gehören.
"So wie ich es gesagt habe", erwidert er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. "Ich will dich jetzt aber auch nicht weiter aufhalten. Geh am besten rein zu deiner Mutter, sie hat sich bestimmt schon Sorgen um dich gemacht."
Mit diesen Worten neigt er sich ein Stück zu mir runter und drückt mir unerwartet einen leichten Kuss auf die Wange.
"Bis bald", verabschiedet er sich und verschwindet so schnell, wie er gekommen war.

Wer auffällt, ist noch kein Held | Adrien Agreste / Chat Noir X LeserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt