[02]

639 57 14
                                    

Jisung PoV

"Jisung, kann ich einmal bitte mit dir reden?", fing mich mein Englischlehrer nach meiner letzten Stunde ab. Ich wusste natürlich schon worum es gehen sollte.

'Warum konzentrierst du dich im Unterricht nicht? Du könntest so viel besser sein. Mach deine Hausaufgaben regelmäßiger.'

Um sowas ging es doch immer. Nie darum was bei den Schülern los war. Verständnis? Brauchte man nicht.

Er wartete noch, noch bis der letzte Schüler draußen war, bevor er anfing zu reden.

"Ich mache mir wirklich Sorgen um dich, Jisung."

Minho's Hände ruhten auf meinen Schultern. Wieder war er da und leistete mir Beistand, weil ich mental nicht auf dieses Gespräch vorbereitet war. Ich wollte meine Hände auf seine legen, doch griff ins Nichts, weshalb ich es als kratzen abtat.

"Ich weiß, dass es wirklich schwierig ist, mit zu arbeiten, wenn es einem schlecht geht und deshalb verstehe ich, dass du deine Aufgaben nicht aus Faulheit nicht machst, aber es ist so stark schwankend, dass ich mir da echt Gedanken drum mache... Und auch im Unterricht bist du entweder sehr gut dabei und sagst wirklich gute und schlaue Sachen oder du wirkst komplett abwesend, als wärst du gar nicht richtig hier. Genauso wie jetzt. Es ist, als wärst du irgendwo so tief in deinen Gedanken, dass du mich nicht mehr richtig wahrnehmen kannst. Würde es dir vielleicht helfen, wenn wir dich umsetzen?"

Was?! Nein! Dann hätte vielleicht ich keinen Ausblick auf Minho mehr! Und saß womöglich auch noch weiter vorne! Garantiert nicht!

"Ich denke nicht, dass das etwas bringt...", antwortete ich und spielte nervös mit meinen Fingern herum.

"Kannst du mir sagen, was dein Hauptproblem hier ist? Vielleicht finden wir ja eine Lösung dafür."

"Es... Naja... Es ist halt ziemlich voll... und eng... und laut... das ist ein bisschen viel für mich... Aber das ist okay! Ich lerne schon noch irgendwie damit umzugehen."

"Verstehe... Kann ich nicht vielleicht doch irgendetwas tun, damit du dich im Unterricht wohler fühlst?"

"Ich wüsste nicht was.", gab ich zu.

"Naja, ich könnte bei der nächsten Sitzordnung Minho neben dich setzen."

"Minho? Wie kommen Sie auf ihn?", versuchte ich zu überspielen, wie gut mir diese Idee doch in Wirklichkeit gefiel.

"Du magst ihn. Sowas bekommt man als Lehrer mit. Keine Sorge, Jisung, ich habe rein gar nichts gegen Schwule. Ich kann mir selbst nicht vorstellen, wie Heterosexuelle Sex haben. Will ich auch gar nicht."
(A/N: Die Tatsache, dass mein Deutschlehrer die letzten beiden Sätze zu meiner besten Freundin gesagt hat, die offen lesbisch ist... Macht mich immer noch fertig.)

Er machte ein angeekeltes Gesicht und brachte mich damit zum Lachen.

"Bitte machen Sie das nicht.", lachte ich. "Ich bekomme das mit ihm schon noch allein geregelt."

"Wenn du dich umentscheidest und irgendwann meine Hilfe bei irgendetwas brauchst - Egal wobei -  oder einfach nur jemanden zum Reden brauchst, kannst du mich gerne ansprechen oder mir eine Mail schreiben. Du musst nicht alleine seinund ich hoffe, dass du das weißt, Jisung."

Ja, das würde definitiv nicht passieren. Ich würde ihm nicht schreiben, egal wie schlecht es mir ging. Da konnte ich mich alleine besser durch prügeln. Außerdem wusste ich ja nicht, ob er das alles für sich behalten würde. Am Ende verpetzte er noch alles meiner Mutter und ich würde mich dafür rechtfertigen müssen, warum ich ihm das denn erzählt hatte. Nein, danke.

"Vielen Dank.", meinte ich nur und wollte gehen, doch er stoppte mich.

"Wie geht es dir, Jisung? Und bitte sei ehrlich zu mir."

"Wenn ich draußen bin eher positiv und wenn ich Zuhause bin eher negativ. Deshalb bin ich im Moment viel draußen."

"Gehst du gerne draußen spazieren?"

"Ich gehe gerne ein Stück weit und setze mich dann irgendwo hin, wo ich dann meine Zeit verbringe und zeichne oder so..."

"Du zeichnest auch gerne mal in meinem Unterricht.", stellte er fest. "Du bist echt gut."

"Dankeschön. Hat ziemlich viel Übung gebraucht."

"Das glaube ich sofort. Aber es hat sich ja wirklich gelohnt. Du bringst dir das selbst bei?"

Ich nickte. Was genau sollte das hier eigentlich werden?

"Beeindruckend..."

Ich lachte nur nervös. Mit Komplimenten umgehen zählte definitiv nicht zu meinen Stärken.

"Aber ich will dich eigentlich jetzt auch nicht noch länger aufhalten. Du willst doch mit Sicherheit auch nach Hause."

"Ja, mein Essen wartet."

Richtig, die vier Kekse, die täglich mein Mittagessen ersetzten, erwarteten mich. Aber wenn ich ihm das sagen würde, wäre er wahrscheinlich nur noch besorgter und das musste ich ihm ja nicht antun.

"Dann entlasse ich dich jetzt. Wir sehen uns dann spätestens Freitag wieder zu Englisch."

"Bis Freitag.", verabschiedete ich mich und ging, als er ein "Bis Freitag" erwiderte.

-Das war doch gar nicht so übel.-

Ja, sagst du, Minho. Du hättest mir ja auch mal helfen können.

-Sagt der, der es abgelehnt hat, neben mir zu sitzen.-

Du weißt genau, dass das so nicht läuft. Außerdem bekomme ich das alleine hin.

-Pff sicher. Läuft ja auch so gut.-

Du nervst schon wieder, merkst du das eigentlich?

-Du weißt, dass ich nicht gehe, Jisung. Egal wie oft du mir das noch sagst. Und wir wissen beide, dass du eigentlich auch nicht willst, dass ich gehe.-

Manchmal bereue ich es echt, dass ich angefangen habe, mit dir zu reden...

-Sounds like a You-Problem to me.-

Und lustig bist du auch nicht.

-Dann geh doch zum echten Minho. Vielleicht ist der lustiger.-

"Fresse jetzt...", murmelte ich und hielt mir dabei die Hand vor den Mund. Die Menschen um mich herum mussten das ja nicht unbedingt mitbekommen. Ich sah zwar niemanden, aber das hieß ja nicht unbedingt, dass hier niemand war. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, dass er sich wieder aus meinem Kopf verziehen sollte, aber wie gesagt, waren hier nunmal auch andere Menschen.

Erstaunlicherweise schwieg Minho nun tatsächlich, doch es dauerte nur ein paar Stunden bei mir zu Hause, bis ich ihn mir zurück wünschte und ich wieder in seinen Armen lag. Oder es zumindest so vor mir sah...

____________________________

Headcrush || MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt