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Jisung PoV

Der nächste Morgen kam und das meiste an Euphorie von gestern war bereits wieder vergangen, doch trotzdem musste ich mich leider für die Schule fertig machen. Gestresst suchte ich meine Sachen zusammen und würde nur noch gehetzter, als es auf einmal an der Tür klingelte.

"Mama, gehst du?", fragte ich und stopfte meine Mappen in die Tasche.

"Bin unterwegs."

Ich ignorierte einfach alles, was danach an Stimmen zu hören war und eilte dann durch den Flur, aus dem meine Mutter bereits wieder verschwunden war.

"Bekomme ich keine Begrüßung von meinem Babyboy?", hörte ich auf einmal und drehte mich dann zu dem grinsenden Jungen, der in der Tür stand.

"Minho?!", fragte ich überrascht.

"Der einzig wahre. Ich dachte mir, ich hole dich einfach auf einem Weg ab."

"Du dachtest, du fängst einfach schon mal früher an mich zu nerven.", erwiderte ich und zog mir meine Schuhe an. "Wir hatten die Diskussion über den Spitznamen schon."

"Jaja, nicht mein Babyboy blablabla... Und jetzt beeil dich, wir müssen los, Ji."

"Ist ja gut."

Ich band mir meinen zweiten Schuh fertig zu, schnappte mir meine Tasche und ging zu Minho raus, der meine Hand sofort nahm.

"Bis nachher!", rief ich meiner Mutter noch hinterher, ehe wir uns auf den Weg zur Schule machten. Mal wieder auf in den täglichen Horror...

Im Klassenraum ließ Minho meine Hand gezwungenermaßen los und setzte sich an seinen Platz, wo er von einem seiner Freunde in ein Gespräch verwickelt wurde. Auf meinem Platz dagegen empfing mich nur ein Zettel mit der Aufschrift 'Schon Arschschmerzen, kleine, hässliche Schwuchtel?', den ich zusammen knüllte und in meine Hosentasche steckte. Ich hatte gerade nicht die Motivation, um zum Mülleimer zu laufen.

Neidisch beobachtete ich Minho, der sich mit seinem Sitznachbarn unterhielt. Warum konnte er nicht stattdessen mit mir reden? Ich brauchte ihn doch...

-Du hast immer noch mich, Sungie... Auch wenn es weh tut, dass du ihn bevorzugst. Warum tust du mir das an...?-

Ich tue dir nicht weh. Du bist nicht echt. Du hast keine Gefühle.

-In den Momenten, in denen du es wolltest, war ich echt. Ich habe gefühlt, Jisung.-

Ja, aber jetzt will ich das nicht mehr. Ich will, dass du mich in Ruhe lässt. Ich will den richtigen Minho.

Nur am Rande bekam ich mit, wie mein Lehrer den Raum betrat und mit dem Unterricht begann. Alles, was ich wahrnahm, war der Minho in meinem Kopf.

-Aber du wirst den richtigen Minho niemals haben können. Ohne mich bist du nichts, Han Jisung. Du bist ein einsamer Nichtsnutz und du wirst niemals etwas anderes sein.-

Du lügst. Hör auf zu lügen! Hör auf mir weg zu tun! Hör auf, hör auf, hör auf!

-Aber, aber, Sungie... So redet man doch nicht mit einem langjährigen Freund... Wie wäre es damit, wenn wir heute Abend wieder so kuscheln, wie du es am liebsten magst, hm? Dann kannst du dir diesen Jungen aus dem Kopf schlagen, denn der Platz ist für mich reserviert.-

"Jetzt lass mich doch endlich in Ruhe, verdammte Scheiße!", rief ich laut und bereute es sofort, als sich die Augen meiner Mitschüler und meines Lehrers auf mich richteten. Nach einem kurzen Schockmoment rannte ich aus dem Raum raus und fiel fast die Treppe runter, weshalb ich mich dann dazu entschied, einfach im Treppenhaus sitzen zu bleiben. Ich zog meine Knie an meinen Körper und begann leise zu weinen.

"Hannie?!", hörte ich Minho's Stimme durch den Schulflur schallen. "Hannie, wo bist du?! Jisung?!"

Dann sah ich den Älteren angerannt kommen. Er stoppte kurz, als sein Blick auf mich fiel, doch kam dann zügig zu mir, wo er sich auf den Boden kniete und seine Hand in mein Haar wandern ließ, um mir beruhigend durch zu fahren.

"Hey... Nicht weinen, mein Hübscher...", meinte er sanft.

"D-du tust mi-mir weh, Minho... Wa-Warum... tust du mir weh?", stotterte ich und sah in seine traurigen Augen.

"Ich will dir nicht weh tun, Jisung... Ich will auf dich aufpassen, hörst du? Ich will für dich da sein..."

"Warum bist du es dann nicht...? Und warum sagt er das von sich auch...? Er tut mir auch weh, Minho. Sehr sogar..."

"Ich weiß...", seufzte er. "Ich weiß. Ich hab gehört wie du letztens mit ihm geredet hast. Darf ich... Darf ich wissen, wer er ist?"

"Er ist du, aber anders. Er ist neidisch darauf, wie wichtig du mir bist... Und er will die Liebe, die ich ihm so lange schon gebe... Im Endeffekt ist er eigentlich ein bisschen wie ich..."

"Was meinst du mit 'Er ist du, aber anders'?"

"Er sieht aus wie du, er fühlt sich an, wie du dich anfühlst, er heißt wie du. Seine Stimme ist die gleiche wie deine. Aber er ist ein kleiner Psycho und du nicht. Er kann sich nicht entscheiden, ob er mich liebt oder hasst."

"Und du? Liebst du ihn oder hasst du ihn?"

"Ich... Das klingt so verrückt... Ich habe ihn geliebt, aber jetzt will ich ihn nur noch loswerden, er lässt mich aber nicht...
Er sagt Dinge. Wenn ich ihn loswerden will, beleidigt er mich und macht mir Schuldgefühle... Und ich... Ich halte das nicht mehr aus... Es ist nicht nur die Einsamkeit, die mich so schlecht fühlen lässt. Meine eigenen Gedanken verletzen mich... Und ich habe Angst, dass... Naja, dass..."

Ich konnte meinen Satz nicht beenden, da ich heftig aufschluchzte und stärker anfing zu weinen.

"Du musst mir nicht sagen, wovor du Angst hast, Ji... Das ist okay... Ich bin auch so für dich da.", erwiderte er und umarmte mich nun richtig.

"Ich habe Angst, dass er mich umbringt, Minho.", sagte ich trotzdem und nun begann auch der Ältere leise zu weinen.

"Du wirst nicht sterben, verstanden? Du bleibst bei mir, Hannie. Wir schaffen das... Zusammen... Ich helfe dir... Nur komm nicht in mein Leben, um dann gleich wieder zu gehen. Dafür bist du mir zu wichtig..."

"Du bist mir auch sehr wichtig, Min... Können wir bitte irgendwo anders hin...? Ich will nicht zurück in den Klassenraum."

"Ich hole unsere Sachen und dann können wir zu mir nach Hause. Das ist ja wahrscheinlich gerade am besten."

"Ist es. Danke, Min."

"Alles für meinen kleinen Hannie."

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Headcrush || MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt