Jisung PoV
Sportunterricht. Die große Qual eines jeden Schülers, der nicht mit 3 Jahren bereits angefangen hatte, Marathon zu laufen.
Unmotiviert standen wir alle vor dem Eingang zu unserer Sporthalle, doch ich stand wie immer ein wenig abseits von den anderen, um so nicht in Mitten der redenden Schülergruppen zu stehen. Bedauerlicherweise war Minho von einem seiner Freunde gerufen worden und ich hatte nicht mit zu ihnen gewollt, deshalb war ich nun allein. Ein anderes altbekanntes Gefühl machte sich in meiner Brust breit, als ich den Älteren mit seinen Freunden reden sah.
Neid.
Wie ein Messer bohrte er sich langsam in mein Herz und tat immer mehr weh. Ich war neidisch, dass seine Freunde in ihm so einen tollen Freund gefunden hatten. Dass sie nie so vereinsamen würden wie ich, denn sie würden immer füreinander da sein.
-Ich werde auch immer für dich da sein, Sungie. Das weißt du doch...-
Dieses Mal versuchte ich nicht, die Stimme in meinem Kopf los zu werden, denn in diesem Augenblick fühlte es sich an, als würde jemand eine warme, gemütliche Decke um mich legen, die mir Schutz und Geborgenheit gab. Noch immer verspürte ich den Neid, doch nun glich er eher einem leichten Ziehen als einem Messerstich. Für einen kurzen Moment war ich nicht mehr allein.
Dann kam mein Sportlehrer und wie auf einen Schlag war das einzige, worauf ich mich konzentrieren konnte, nicht in das Gedränge an Menschen, die alle gleichzeitig durch die Tür wollten, zu geraten. Als letzter betrat ich die Halle und wollte wie sonst auch in die letzte Umkleide gehen, in der für gewöhnlich niemand außer mir war, doch heute ließ man mich nicht.
"Hannie, kommst du zu uns?", fragte Minho, der nun auf dem Weg zur Umkleide stehen blieb.
"Ich uhm...", stotterte ich. Natürlich wollte ich zu Minho, aber ich wollte mich nicht vor den anderen aus unserer Klasse umziehen.
"Der will doch nur nicht zeigen, wie hässlich seine Narbe eigentlich ist.", kommentierte einer unserer Klassenkameraden mit einem blöden Grinsen, weshalb ich nur beschämt zu Boden sah. Ja, ich wollte nicht, dass da Witze drüber gemacht wurden, deshalb zeigte ich nie, wie lang sie eigentlich war, aber es half offensichtlich nicht.
"Ich geh mich lieber alleine umziehen...", murmelte ich und ging einfach in die Umkleide, wo ich mich auf eine Bank setzte und meine Taschen einfach zu Boden gleiten ließ. Es sollte mir nicht mehr weh tun, aber das tat es. Jedes einzelne Mal, dass ich so etwas über mich hören musste, versetzte mir einen neuen Stich ins Herz und jedes Mal schwor ich mir, dass ich es nicht mehr an mich ranlassen würde.
-Hey... Es ist okay, Sungie...-
"Nein, ist es nicht. Egal, wie oft du das sagst. Ich sollte da endlich drüber weg kommen, aber ich kann es einfach nicht. Ich bin schwach.", antwortete ich leise und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. "Und noch dazu bin ich verrückt. Was wenn Minho rausbekommt, dass ich mit dir rede, huh? Und das letztens unter der Dusche? Er wird mich hassen. Er wird mich so sehr hassen."
-Es ist doch normal, dass man in deinem Alter sowas macht. Die Hormone-...-
"Ja, genau. Wahrscheinlich hab ich mir nur wegen der Hormone einen auf Minho runter geholt.", erwiderte ich sarkastisch. "Ich bin krank und das weißt du genau. Du willst es nur nicht zugeben, weil du dann gehen musst. Also versuchst du mir zu erklären, dass ich es nicht wäre, um dich selbst zu schützen, egal wie kaputt du mich machst. Und jetzt verzieh dich endlich. Ich hab da gerade keine Zeit und keine Geduld für."
-Du wirst mich bald zurück wünschen, Baby.-
Er hatte Recht und ich hasste es, dass er Recht hatte. Ich konnte nicht mit ihm leben, aber es war zu spät, um ohne ihn zu leben. Er war zu fest in meinen Gedanken verankert und sobald ich versuchte diesen Anker zu lösen, riss er meinen Kopf kaputt. Ich musste ihn irgendwie loswerden und das ging nur, indem ich mich aus dieser Einsamkeit befreite. Vielleicht sogar mit Minho zusammen.
Aber jetzt musste ich ein bisschen an Tempo zu legen, denn ansonsten schickten die noch jemanden, um nach mir zu sehen. Lustlos zog ich mir mein Shirt über den Kopf, ehe die Tür aufging und mich ein besorgte Minho ansah.
"Hannie, alles okay?", fragte er, während ich nur versuchte meine Narbe abzudecken. Am liebsten hätte ich die zerstörte Haut rausgerissen, doch das hätte wohl kaum etwas gebracht.
"Wegsehen, Minho. Du musst sowas hässliches nicht sehen..."
"Jisung..."
Er kam rein und ließ die Tür ins Schloss fallen. Dann ging er langsam zu mir und setzte sich neben mir auf die Bank.
"Du bist nicht hässlich, hörst du? Du bist ein süßer, hübscher, junger Mann.", meinte er und legte einen Arm um mich, weshalb ich instinktiv nach mehr Nähe suchte. Davon hatte ich viel zu lange keine mehr gehabt. Ich merkte gar nicht, wie mein Körper anfing zu beben, bis meine Sicht verschwamm und Tränen über meine Wangen liefen.
"Shhht... Alles wird gut...", versuchte er mich zu beruhigen und nahm mich nun in seine beiden Arme, weshalb ich nur noch stärker weinte und ihn ebenfalls umarmte. Es fühlte sich das erste Mal seit Jahren so an, als wäre ich tatsächlich zu Hause. "Bitte hör auf zu weinen, Hannie..."
"Halt mich noch ein bisschen so, ja? Ich... Ich brauche das gerade..."
"Ich werde dich solange halten, wie ich kann."
Bei seinen Worten wurde mir sofort wohlig ums Herz und ich schmuste mich ein wenig näher an ihn. All die Jahre über hatte mir nichts so ein schönes Gefühl gegeben, wie in diesem Augenblick hier in Minho's Armen zu liegen.
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Headcrush || Minsung
Fanfiction[He was always there for me. Even though he didn't know.] Han Jisung sucht nach einem Weg aus der Einsamkeit. Und Lee Minho scheint für ihn der perfekte Weg zu sein. Start: 210609 Ende: 210911