Kapitel 13

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Die Hälfte unserer Zeit auf der Insel war bereits vergangen. Die letzte Woche war wie ein rasender Schnellzug an uns vorbeigezogen und zurück blieb nur der kalte, heftige Wind der Besorgnis darüber, dass wir bald nicht mehr den ganzen Tag lang nichts tuend am Strand liegen konnten, ohne uns über irgendetwas Gedanken machen zu müssen.

Naja, ganz stimmte das nicht. Ich machte mir ständig Gedanken. Zum Beispiel über seine Lippen. Oder über seine Berührungen und den Gefühlen, welche sie in mir auslösten. Oder über seinen Körper. Doch bald konnte ich meine Zeit nicht mehr mit diesen Gedanken verschwenden.

Nur wenige Tage nachdem wir zurückkehren würden, startete der Sommerkurs, der uns auf die Dritte vorbereiten sollte. Ich versuchte, den Kloss in meinem Hals herunter zu schlucken. Wir hatten immer noch nicht darüber geredet, was wir nach der Oberschule machen wollten.

Vielleicht lag es daran, dass es absehbar war. Ich würde weiterhin Volleyball spielen und er würde irgendwo Sport studieren. Aber bis sich unsere Wege trennten, blieb uns ja noch ein Jahr. Ein Jahr, in dem ich alles dafür tun würde, so viel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen.

«Oikawa?» Bei dem Klang seiner Stimme schreckte ich hoch. Iwaizumi sah mich erwartend an und ich bemerkte erst jetzt den Kellner, der neben uns stand und offensichtlich auf meine Bestellung wartete. Überfordert huschte mein Blick über die Speisekarte vor mir und das Einzige, was ich erkennen konnte, war Spaghetti Promodoro.

Als ich meine Bestellung abgegeben und sich der Kellner wieder in das Innere des Restaurants zurückgezogen hatte, griff Iwaizumi vorsichtig nach meiner Hand und verschränkte unbeholfen unsere Finger. Bei dem Gefühl von Elektrostössen hielt ich gebannt die Luft an. Es war das erste Mal, dass er von sich aus meine Hand genommen hatte.

«Was ist denn mit dir, Oikawa? Du bist schon der ganze Abend so in Gedanken.» Seine Stimme klang wie die schönste Musik und eine angenehme Hitze stieg mir ins Gesicht. «Ich... Ich hab' nur gerade realisiert, dass schon die Hälfte unseres Urlaubes vorbei ist», sagte ich und nahm dabei unbewusst eine ein wenig höhere Stimmlage an, weil ich wusste, dass er das mochte.

Seine Lippen verzogen sich zu einem sanften Lächeln. «Ja, stimmt. Es ist schnell vergangen.» Ich nickte zustimmend, doch konnte meinen Blick nicht von ihm lösen. Für das Abendessen hatte er ein schwarzes, ärmelloses Shirt angezogen und ich war mir nicht sicher, ob ich ihn weiterhin darin bewundern oder es ihm vom Körper reissen wollte.

Nachdem wir gegessen hatten, liefen wir noch ein wenig in dem kleinen Städtchen herum. Es war schon dunkel und die Strasse war mit kleinen, niedlichen Laternen beleuchtet, die dem Ambiente einen romantischen Unterton schenkten.

Und ich würde am liebsten auf die Knie fallen und allen Göttern danken, die es ermöglicht hatten, dass Iwaizumi ein Teil meines Lebens geworden war. Jedes Mal wenn er mich ansah, anlächelte oder berührte, wollte ich meine Hände zusammenpressen und dafür beten, dass er niemals damit aufhören würde.

Unbewusst lehnte ich mich näher zu ihm und war froh darüber, dass er die Geste nicht nur zuliess, sondern sogar willkommen hiess. Den ganzen Weg zu unserem Häuschen sagten wir nicht viel und wenn, dann waren es nur leise, sanfte Worte, welche so wunderschön wie Schmetterlinge erschienen, aber früher oder später trotzdem ins Nichts davon flatterten.

In unserer Unterkunft angekommen machten wir uns bettfertig und als wir uns hinlegten, drehte ich mich zu ihm, um ihn noch ein wenig länger ansehen zu können. Er hatte mir jedoch seinen Rücken zugewandt. Ich schluckte, ignorierte den Stich in meinem Herzen. Er war wahrscheinlich einfach nur müde.

Trotzdem konnte ich mich nicht davon abhalten, ihn an der Schulter zu packen und zu mir zu drehen. Meine Finger prickelten bei der Berührung und mein ganzer Körper schien zu pochen. Er verstand, legte sich bequemer hin und rutschte sogar noch ein wenig näher.

Ich war von seinen Bewegungen so befangen, dass ich nichts gegen die sich ausbreitende Gänsehaut tun konnte, als seine Hände nicht zum ersten Mal meinen Körper erkundeten. Sie fuhren meinen Gesichtszügen entlang, strichen fast schon schwerelos über meine Wirbelsäule auf meine Hüften und, oh Gott, er wusste ganz genau was er tat.

Er wusste genau, wie und wo er mich berühren musste, damit ich regelrecht meinen Verstand verlor und zu nichts anderem im Stande war, als die unerwünschten Laute meinem Mund entweichen zu lassen und in seinen Berührung zu versinken. Er schien es offensichtlich zu geniessen, mich um jegliche Kontrolle meines Körpers zu bringen, und das machte alles nur noch schlimmer.

Er musste das schon einmal getan haben. Es bestand keine Chance, dass seine Finger jetzt zum ersten Mal mit dem Saum meines Shirts spielten, während seine Lippen so flüchtig und heiss über meinen Hals strichen, dass ich mich vielleicht ein wenig zu fest in seine Schultern krallte. Plötzlich war mir so warm, dass ich mir wünschte, er würde mir das Shirt endlich ausziehen anstatt mich einfach nur damit zu provozieren.

Aber der Gedanke, dass sich eine andere Person unter seinen Berührungen genauso erhitzt und bedürftig nach mehr gefühlt hatte wie ich es nun tat, störte mich mehr als es wahrscheinlich sollte. Ich wollte ihn danach fragen, doch seine Hand wanderte unter meine kurze Hose auf meinen Oberschenkel und ich gab wieder einen ungewollten Laut von mir.

Mit einem leisen Lachen zog er, eigentlich gegen meinen Willen, seine Hand wieder zurück und ich sah ihn mit tiefroten Wangen an. Mein ganzer Köper zitterte, aber ich versuchte es zu ignorieren. «Iwa?» Seinen Namen auszusprechen fühlte sich genauso gut an, wie einen perfekten Ball für ihn zu setten.

Er gab nur ein leises Brummen von sich und sein Atem strich heiss über meinen Nacken, während seine Finger über meine Brust wanderten. «H-Hast...», ich räusperte mich und musste meine ganze Energie dazu verwenden, mich zu konzentrieren. «Hast du das schon mal gemacht?»

Bei dieser unerwarteten Frage hielt er in seinen Bewegungen inne und ich konnte kein Wimmern unterdrücken, als seine warmen Hände plötzlich nicht mehr über meine Haut streichelten. Er zog seinen Kopf zurück, damit er mich ansehen konnte. In seinem Blick lag Verwirrung.

«Was meinst du?», fragte er leise. Auf einmal war ich mir nicht mehr sicher, ob es sich wirklick gelohnt hatte, seine Berührungen wegen dieser Frage zu unterbrechen. Meine Wangen nahmen noch mehr Farbe an. «Naja, ich meine... An meinem Geburtstag... war das dein erster Kuss?» Denn es war meiner, fügte ich in Gedanken hinzu.

Die Fältchen in seiner Stirn lösten sich auf. «Was? Nein, natürlich nicht.» Mein Herz blieb für eine Sekunde stehen. «Was? Wirklich?» Ich konnte meine Frustration nicht hinter der gespielten Überraschung verstecken. Er sah aus wie ein Gott, da war es kein Wunder, dass sich die Leute ihm an den Hals warfen – einschliesslich ich.

Er schnaubte amüsiert und seine Augenbrauen zuckten kurz zusammen. «Ja, ich meine, ich hatte ja auch schon...» Er verstummte und ich... ich erstarrte. Er hatte schon...? Meine Finger zuckten und ich wollte mich eigentlich wirklich beherrschen, doch die Eifersucht überschwemmte meinen Körper wie ein gigantischer Tsunami und zerstörte jegliche Gedanken der Vernunft.

«...Wann? Mit wem?» Ich würde diese Person zerstören. Ich würde ihr Leben zerstören, sodass nichts ausser zerbrochene Scherben davon übrig wäre. Iwaizumi rückte ein wenig von mir ab und zog seine Hände zurück. «Das ist doch eigentlich egal, oder? Es –»

«Der Name», unter brach ich ihn. «Ich will wissen, wie diese Person heisst. Warum hast du mir nie etwas davon erzählt?» Bei dem letzten Satz verwandelte sich die Beunruhigung in Iwaizumis Augen in einen harten Ausdruck, den ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte.

«Du hast nie danach gefragt. Wenn wir reden, dann reden wir von dir

so close but so far away || Iwaoi FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt