Chapter 6- Like day and night

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Ayumus POV

Je mehr Tage verstreichen, desto weniger will ich ihn verlieren. Ich brauche ihn nunmal zum Leben. Genauso wie jeder Mensch Eiweiß zu sich nehmen muss, brauche ich ihn in meinem Leben. Ohne ihn geht es einfach nicht. Er ist mein Sauerstoff, den ich einatme, er ist das Wasser, das ich trinke, er ist der Gedanke, durch den mir sofort ganz warm ums Herz wird.

Ich will ihn nicht im Stich lassen, jedoch sehe ich ihm andererseits gerade beim Sterben zu. Ich schätze, ich werde selbst daran zerbrechen, weiter bei ihm zu bleiben. Jeden Tag foltern mich die Gedanken an den Tag, an dem er das letzte Mal etwas zu mir sagen wird. Der Tag, an dem er seinen letzten Atemzug nimmt, seine letzte Träne vergießt, seinen letzten Wimpernschlag betätigt.

Auch an diesem Tag will Hikari wieder mit mir ausgehen. Er möchte in sein Lieblingsrestaurant, wo ich natürlich auch mit ihm hingehe. Es ist ein einfaches, kleines Sushi-Restaurant, so, wie die überall hier in Tokio verteilt sind. Als wir essen, merke ich, dass er bereits nach 5 Sushis die Stäbchen zur Seite legt und sich nach hinten lehnt. "Kannst du nicht mehr?", frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf, worauf ich aus schlechtem Gewissen auch meine Stäbchen beiseite lege. "Nene, schon gut, iss du ruhig weiter, solange du es kannst", sagt er mit dem ehrlichsten Ton, den ich jemals von einer Person gehört habe. Ich will nicht mehr weiter essen, jedoch möchte ich ihn glücklich machen, also nehme ich sie wieder in die Hand und beginne weiterzuessen.

Anschließend gehen wir in Richtung eines Parks, der von Kirschbäumen umgeben, mit Brunnen voller Fischen übersäht und frischen Büschen dekoriert ist.

Wie ein kleines Kind, läuft er auf einen Brunnen zu und hockt sich davor. Langsam komme ich hinterher geschlichen. "Du sollst doch nicht rennen", ermahne ich ihn, worauf er nur "Geht doch" antwortet. Auf einer Bank sitzend, beobachte ich den Jungen, mit dem ich schon so vieles erlebt hatte und lächelte.

Circa 15 Minuten später sitzt er nun auch neben mir. Lächelnd lauscht er dem Plätschern des Brunnens, während mein Hals sich immer fester zuschnürt, da ich realisiere, wie wenig Zeit uns noch bleibt. Es ist bereits Herbst und ich habe immernoch das Gefühl, dass da noch unzählige Dinge sind, die wir machen müssen. Dinge, die ich ihm sagen muss. Dinge, die noch unvervollständigt sind. Würde es eine Krankheit sein, die man heilen kann, würde ich alles geben, um ihn zu retten, selbst wenn es meinen eigenen Tod bedeuten würde.

"Worüber denkst du nach?", fragt er mich neugierig. "Nur, was wir als nächstes machen können...", antworte ich auf die Schnelle. "Ich habe eine Idee", sagt er und läuft meine Hand haltend einfach los, während ich ihm hinterher stolpere. Ich hasse laufen, ich hasse es. Ich hasse es mit ihm wegzulaufen, wenn ich weiß, dass wir nicht weglaufen können. Wenn wir wissen, dass es kein Zurück gibt. Es gibt keine Chance all das zu beenden, was mir das letzte Stückchen Hoffnung raubt. Nein, wir können vielleicht vom Krankenhaus weglaufen, von seiner Krankheit jedoch nicht. Sie bleibt, egal, was wir tun. Wir können noch so weit laufen, wir können laufen bis wir umkippen, wir können laufen bis wir zusammenbrechen, er wird bald nicht mehr bei mir sein. Schon nächstes Jahr wird keiner mehr da sein, der mich zum Laufen zwingt um einen Ort zu erreichen, in den ich keine Erwartungen haben kann.

Angekommen stehe ich völlig außer Atem auf einem hohen Hügel. Ein leichter Wind streift durch mein Haar. Vögelschwarme fliegen vorbei, die Blätter rauschen aufgrund des Windes. Sein hellbraunes Haar fällt in sein Gesicht und sein Lächeln wird immer breiter. Wie gerne ich ihn jetzt küssen würde. Wie gerne würde ich ihm gerade ganz nahe sein. Wir gerne würde ich jetzt diese beschissenen drei kleinen Wörter sagen. Wir gerne würde ich ihn grade in meine Arme nehmen. Er steht neben mir, direkt neben mir- trotzdem habe ich das Gefühl, als wäre er nicht real, nur eine Einbildung.

"Was findest du an mir so interessant?", unterbricht er meinen Gedankengang, worauf ich ein verwirrtes "Hm?" als Antwort gab. "Was findest du so interessant an mir? Irgendwas musst du ja interessant finden, sonst würdest du nicht ein ganzes Jahr deines Lebens verschwenden um mich glücklich zu machen und mich nicht die ganze Zeit angucken." "Naja, ich mag dein Art... wie du mit anderen umgehst... und vorallem mit dir selbst... andere hätten schon längst aufgegeben und wären lieber an Suizid als an einer Krankheit gestorben... Du lebst weiter... für mich..." "Für dich?" Peinlich berührt sehe ich weg und höre nur "das gefällt mir" und ein süßes Lachen. "Es ist schön, dass du es endlich bemerkt hast." "W-Was?" "Dass ich das für dich mache du Idiot. Ich lebe für dich!"

Für mich...

Er lebt für mich...

Alleine für mich...

Das ist unvorstellbar...

Aber ich lebe doch auch für ihn...

Warum?

Wir sind doch komplett unterschiedlich...

"Warum?" Ohne, dass ich verstehe warum er es tut, aber er beginnt zu lachen. "Das fragst du nicht im Ernst", antwortet er, "wir gleichen uns aus! Ohne dich gibt's kein mich, ohne mich gibt's kein dich, das ist einfach so. Ich brauche dich so sehr, wie du mich brauchst. Wir sind wie... Tag und Nacht... Komplett verschieden, verschiedener könnten wir nicht sein. Aber ohne einander wären wir nicht da. Dann würde es uns nicht geben. Ist doch sinnvoll oder? Die Nacht ist ruhig und dunkel, vielleicht auch traurig, so wie du. Der Tag ist hell und laut, vielleicht auch glücklich, so wie ich. Doch würde es den Tag nicht geben, würde es auch die Bezeichnung der Nacht wegfallen."

Wie ein Pfeil, trifft er direkt in mein Herz. Er sieht es also genauso wie ich... unmöglich, dass ich jetzt noch ohne ihn leben kann, besonders wenn ich weiß, dass er mich genau so braucht, wie ich ihn.

"Warum lachst du eigentlich nie?", unterbricht er erneut meinen Gedankengang. "Keine Ahnung... Ich finde lachen nicht nötig... es ist schön, dich lachen zu sehen, aber ich selber finde es unnötig zu lachen... Bringt mir ja nichts..." "Aber mir. Du gibst mir damit ein Geschenk, dass mir 1.000.000.000 ¥ nicht mal mehr geben können."

Er will also, dass ich lache... Wie soll ich jetzt bitte lachen? Unmöglich, nein, ich kann doch jetzt nicht lachen.

"Schau! Der Sonnenuntergang!", weckt er mich aus meinen Gedanken.

Sonnenuntergang... Die Verbindung zwischen Tag und Nacht... Das Ende eines Tages und der Anfang der Nacht.

"Du bist die Sonne, du bist die Voraussetzung, dass ich hell bin. Und ich bin der Mond. Ich bin das Licht in deiner Dunkelheit." Wie in aller Welt ist es möglich, dass mich jemand mit solch eigentlich ziemlich simplen Worten so extrem bewegen kann?

"Ich brauche dich um ich zu sein, du brauchst mich als Wegweiser", erklärt er mir. "Verstehst du es jetzt?" "Schätze schon... Ohne mich gibt's kein dich, ohne dich kein mich. Ohne dich könnte ich den Weg nicht finden, ohne mich könntest du nicht existieren." "Genau", bestätigt er und lächelt mich an.

Während wir uns so lange ansehen, merken wir nicht, dass es langsam dunkel wird. Die Sonne verschwindet hinter dem Horizont, der Himmel färbt sich in ein Lila bis Dunkelblau. Kleine weiße Punkte erscheinen am Himmel und beginnen zu funkeln.

"Lass uns jetzt gehen", sagt er mir und nimmt meine Hand, worauf er mich wieder zurück in die Stadt zieht.

Die Stadt ist ruhig. Keine Vögel, keine Kinder, keine Mottorräder, keine Autos. So als hätte sich Tokyo für mich geändert, damit ich mich wohlfühle. Die Lichter im Brunnen, vor den sich Hikari vor ein paar Stunden noch hingehockt hat, beleuchten das Fundament.

"Hikari, ich muss dir was sagen", nuschel ich. "Schieß los." "Ich lie-", beginne ich, doch kann nicht weiterreden, weil mein Kopf und mein Verstand mich aufhalten. "Was?" "Ach nichts..."

Und so mache ich mich auf den Weg in meine stille, verlassene Wohnung, nachdem ich meinen abgemagerten Schwarm zurück in den Ort bringe, in dem er seine letzte Sekunde verbringen wird.

Stille. Tausend Gedanken in meinem Kopf, aber Stille.

Ich will nicht, dass es still wird.

I promise, we'll meet againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt