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Naomi

Die Wochen verstreichen und ich verbringe sie mit Lernen, Nora und Ava beim Konkurrieren zusehen, Sophie zu babysitten und ihr blaues Eis zu kaufen.

Wenn das so weitergeht, geht Sophie bald nicht mehr spazieren, sondern rollt, und ihre Mum tötet mich in Folge dessen auf grausame Art und Weise.

Wenigstens ist die Klausurphase vorbei und meine Klausuren sind geschrieben, ob sie jetzt gut waren oder nicht, darüber sprechen wir vielleicht erstmal nicht.

Meine erste Note habe ich schon und um es sanft auszudrücken: Sie war echt nicht perfekt. Deswegen sind meine Eltern jetzt sauer auf mich.

"Du weißt, dass es nur noch ein paar Monate sind, bis du Abi schreibst, oder? Wann willst du anfangen, zu üben? Wann willst du anfangen, deine Hausaufgaben zu machen?", ich habe immer noch ihre Stimmen in meinem Ohr.

Als hätte ich nicht gelernt. "Wenn du ständig nur arbeitest, ist das ja klar. Das kleine Mädchen wird dir auch nicht zu deinem Abi verhelfen, verdammt nochmal!", als wäre Mum nicht diejenige gewesen, die gemeint hat, dass ich babysitten soll.

Ich verstehe die Logik meiner Eltern einfach nicht. Aber okay, ich komme damit klar. Ich werde mich einfach mehr anstrengen. Das klappt schon. Ich darf mich selbst nicht demotivieren, muss optimistisch denken.

"Woran denkst du schon wieder?", Nora legt den Kopf schief und grinst mich amüsiert an.

"Daran, wie ich mein Abi schaffen soll, wenn ich nur noch Fünfen schreibe?", brumme ich. Sie schiebt mir eine Strähne aus dem Gesicht.

"So schlimm ist es auch nicht."

"Aber fast.", entgegne ich.

"Kommst du eigentlich nach der Schule mit zum See?", wechselt sie das Thema. Ich sehe sie überrascht an.

"See?", wiederhole ich.

"Ja. Wir wollten später hin und du warst so lange nicht mehr mit.", merkt sie an.

"Ich komme gern mit.", tue ich das?

Besser, als zu meinen wütenden Eltern nach Hause. Heute passe ich auch nicht auf Sophie auf, also habe ich noch nichts vor.

"Echt? Dann sag ich den anderen Bescheid.", sie umarmt mich kurz. "Ich muss jetzt zu Erdkunde. Dann bis später!", mit den Worten geht sie an mir vorbei ins Schulgebäude.

Ich bleibe einen Moment stehen und genieße den Moment Ruhe.

Warum denke ich gerade darüber nach, doch wieder abzusagen? Natürlich gehe ich heute mit meinen Freunden zum See. So sozial bin ich doch, oder?

Genervt von mir selbst, dass die Antwort eigentlich nein lautet, seufze ich in mich hinein und mache mich auf den Weg zum Biounterricht.

Wobei die Frage ist, ob ich nur zu unsozial bin oder ob ich keine Lust auf meine Freunde habe.

°°°

Nach einer langweiligen Doppelstunde Bio, in der ich rein gar nichts verstanden habe, weil die Fachsprache in gefühlt einer anderen mir unbekannten Sprache gesprochen wird, fahre ich mit den anderen zum See.

Der Bus ist brechend voll und wir finden nur einzelne Plätze neben fremden Menschen.

Jolene und Nora sitzen neben einer alten Dame, die nach unten gebückt sitzt, und das anscheinend schon ihr ganzes Leben tut, denn ihr Rücken sieht aus wie der von dem Glöckner von Notre Dame.

Ich muss zwischen zwei Jugendlichen sitzen, die sich die ganze Zeit über hässliche Mädchen in ihrer Klasse unterhalten.

Das ich zwischen ihnen sitze, scheint sie nicht zu stören und ich traue mich auch nicht zu fragen, ob ich mit dem einen tauschen soll, damit sie nebeneinander sitzen, weil daneben so ein ekliger alter Mann mit Bierbauch, fleckigen Shirt und viel zu lautem Atmen sitzt.

Nur Mac hat einen guten Platz neben einem kleinen Mädchen bekommen, wobei auch niemand so wirklich weiß, warum sie in dem Alter schon allein Bus fährt.

Am See ist es brechend voll, und ich hatte ganz vergessen, dass sich dort meist nur Studenten und Schüler aufhalten, sodass man die Hälfte davon kennt. Ich habe in der Grundschule zweimal die Schule gewechselt, weswegen ich aus meiner Stadt fast die Hälfte der siebzehnjährigen Bevölkerung kenne.

Was nicht immer unbedingt toll ist. Meine Strategie ist, so zutun, als würde man die Person nicht wiedererkennen, obwohl sie sich kein Stück verändert hat. Bei manchen ist es schon gruselig, wie wenig die Pubertät doch bringen kann.

Wir werfen uns auf die grüne Wiese und schauen einen Moment in den Himmel, der heute so wolkenlos blau ist. Ein wenig wie in einem glänzenden Filter, weil die Sonne so schön scheint.

"Hier muss man sich einfach wohlfühlen, oder?", Nora seufzt. Und obwohl es brechend voll ist und überall alte Bekannte lauern, die ich eigentlich nicht wiedersehen möchte, fühle ich mich tatsächlich ziemlich wohl. Meine Freunde geben mir das Gefühl, nicht allein zu sein.

Der Sommer ist zwar schon fast vorbei, aber wenn ich noch ein paar Tage mit ihnen verbringe, habe ich ihn wohl nicht ganz verschwendet.

"Habt ihr Badesachen dabei?", Mac ist schon wieder aufgestanden und zieht sich sein Shirt über den Kopf. Dass er, seit er eine Freundin hat, ins Fitnessstudio geht, ist deutlich zu erkennen.

Leichte Bauchmuskeln schimmern auf seiner Haut und seine Arme sind breiter geworden. Vielleicht fällt mir das auch nur so auf, weil Nora und Jolene seit ein paar Wochen hin und wieder darüber sprechen, wenn wir allein zu dritt sind.

Jolene ist single und bereut offenbar, Mac und Eve so unterstützt zu haben, ein Paar zu werden. Ich für meinen Teil finde, dass es in einer Freundesgruppe kein Paar geben soll, es sei denn es ist wie bei How I met your mother oder friends. Ach oder Big Bang Theory.

Zugegeben sehen Paare in Freundesgruppen in amerikanischen Sitcoms einfach besser aus. Ich könnte es mir gar nicht vorstellen, wären zwei von uns am rummachen oder Händchen halten, während wir zu viert etwas unternehmen.

"Nein, ich will nicht schwimmen gehen.", entgegnet Jolene.

"Seit wann das?", schaltet Nora sich ein. Sie hält das Gesicht in die Sonne und hat die Augen geschlossen. Sie sieht aus wie in einer Werbung für eine Sonnencreme oder so.

"Wir wollen braun werden, nicht im Wasser planschen.", unterstütze ich Jolene, obwohl es mir noch nie wichtig gewesen ist, im Sommer braun zu werden, aber Jolene hat wahrscheinlich ihre Tage und da wäre es unangenehm für sie, wenn wir so ein großes Thema daraus machen.

"Ist ja schon gut. Nora, kommst du mit?",

"Ich habe momentan voll viele Dehnungsstreifen.", beschwert Nora sich.

"Das interessiert keinen.", Mac schaut sie entnervt an.

"Aber mich interessiert es.", brummt sie.

Ich lehne mich wieder zurück und entscheide mich, nicht in die Diskussion einzutreten. Ich möchte einfach ein wenig die Sonne genießen und vielleicht gleich was lesen.

Nora gibt schließlich auf und zieht sich ihre schwarze lange Jogginghose aus. Darunter kommt ihr pinker Bikini zum Vorschein, indem Dehnungsstreifen wohl wirklich niemanden interessieren.

High enough to fall for you✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt