Kapitel 3 - 48 Minuten 06 Sekunden

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Der nächste Raum war niederschmetternd

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Der nächste Raum war niederschmetternd.

Ich hatte eine der zwei Minibibliotheken des Anwesens gefunden, was mich ganze 5 Minuten gekostet hatte.

Mittlerweile hatte ich es aufgegeben, eine Spur der Verwüstung hinter mir herzuziehen und suchte nur noch nach der Phiole. Das ging schneller.

Mein Mund war staubtrocken und wenn ich das Ziehen in meiner Seite richtig deutete, dann hatte ich jetzt Phase 2 erreicht.

Ich begann zu bluten wie ein abgestochenes Schwein.

Zumindest färbte sich meine Bluse unangenehm schnell rot.
Während ich zum nächsten Zimmer hetzte, zerrte ich den nassen Stoff nach oben, um mir den Schaden anzusehen.

Das war nicht ganz leicht, wenn man ein Handy und einen Brieföffner in der Hand hatte und gleichzeitig mit hoher Geschwindigkeit einen dunklen Flur entlanghastete.

Die fünf Zentimeter lange Narbe, welche ich mir im zarten Alter von 13 Jahren geholt hatte, war aufgeplatzt und blutete nun wie verrückt. Es erinnerte mich an den Tag, an dem ich sie bekommen hatte.

Ich war mit meinen Eltern Fahrradfahren gewesen.
Wir hatten eine kleine Tour durch den Wald gemacht und übermütig wie ich gewesen war, war ich auf dem kleinen Feldweg natürlich viel zu schnell gefahren.

Es kam, wie es kommen musste.

Ein Ast verfing sich in meinem Vorderrad und ich fiel hin.
Ich hätte mit einem blauen Fleck und vielen Kratzern davonkommen können, doch das Schicksal hatte es nicht gut mit mir gemeint.

Irgendein Idiot hatte vorher seine Bierflasche in den Wald geworfen, dessen Scherbe sich natürlich direkt in meine Seite gebohrt hatte.

Zwar hatte ich insofern Glück gehabt, dass es nicht wirklich tief gewesen war oder irgendwelche Organe verletzt hatte, doch genäht werden musste das Ganze dann doch.

Der schockierte Blick meiner Mutter, als sie das ganze Blut gesehen hatte, hatte sich bei mir für immer eingebrannt.

Vorsichtig presste ich meine Hand auf die Wunde.
Ich zischte vor Schmerz, wurde aber erst langsamer, als ich die nächste Tür erreicht hatte.

Es war eine Art Wohnzimmer mit einem kleinen Kamin, um den sich zwei kleine Sofas gruppierten. Ich sah einen – im Vergleich zum Jahrgang des Besitzers – erstaunlich modernen Fernseher, mehrere kleine Schränkchen und ein Regal.

Bevor ich mich diesen zuwandte, schnappte ich mir noch schnell ein Kissen, das ich mit Hilfe meines brieföffnenden Messers um seinen Bezug erleichterte.

Diesen band ich mir, in Streifen geschnitten, um die Hüfte. Ich hatte genug Filme gesehen, um zu wissen, wie wichtig so ein provisorischer Verband war.

Keine dreißig Sekunden später hatte ich das erste Regal durchsucht und wühlte mich durch die kleine Anrichte.

Nichts.

Ich hinterließ einen blutigen Fingerabdruck auf einer Teetasse, bevor ich sie enttäuscht über meine Schulter schmiss.
Mittlerweile floss das Blut auch aus meiner Nase und einigen Körperstellen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie bluten konnten.

Man lernt nie aus.

Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, warum mir gerade jetzt der Lieblingsspruch meines Vaters einfiel.

Er hatte ihn bestimmt dreimal täglich benutzt, sodass Mom und ich bald schon vor ihm wussten, wann er ihn aufsagen würde.

Mom.

So hatte ich sie mit 16 zum letzten Mal genannt. Das war kurz vor der Scheidung gewesen.
Es hatte mir damals das Herz zerrissen und selbst heute wünschte ich mir manchmal, sie hätten sich noch ein paar Jahre zusammengerissen.

Ein egoistischer Gedanke, wo ich doch eigentlich wollte, dass sie glücklich waren.
Natürlich gab es Scheidungskinder, die glücklich mit beiden Eltern lebten, doch Mom hatte die Scheidung todtraurig gemacht und Dad hatte nicht gewusst, wie man mit einem verletzten Teenager umgehen sollte.

Ich hatte mich von meinen Eltern entfernt und sie hatten es zugelassen.

Manchmal verabscheute ich sie dafür, doch in diesem Moment wünschte ich mir, ich wäre als Erwachsene wieder auf sie zugegangen, hätte den ersten Schritt Richtung Versöhnung gemacht. Doch das Kind in mir hatte trotzig verlangt, dass sie den ersten Zug machten.

Und nun stand ich hier und spürte, wie der Sand meiner eigenen Lebensuhr unaufhaltsam verrann, und wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, den Sand mit meinen Händen auffangen und mir so ein kleines Zeitfenster erkaufen. Zeit, um das zu tun, was ich schon lange hätte tun sollen.

Ich wollte all die Fehler ausbügeln, die mich zu dieser Situation geführt hatten.

Doch die Vergangenheit ließ sich nicht mehr ändern.
Die Zeit lief nur in eine Richtung und das erschreckend gleichgültig.

Ein Blick auf mein blutiges Display verriet mir, dass ich nur noch 41 Minuten Zeit hatte.

Ich war gerade einmal in 4 Räumen gewesen und da ich noch den sogenannten Schauraum – einen Saal an der Nordseite des Hauses, in dem Professor Arlott den Teil seiner Amazonassammlung ausstellte, der noch nicht auf dem Boden seines Arbeitszimmers lag –, die zweite Bibliothek, einen Musiksalon und ein riesiges Esszimmer mit Küche als zeitintensive Etappen vor mir hatte, war es an der Zeit, meinen Plan zu ändern.

Mein Blick fiel auf den blutverschmierten Brieföffner in meiner Hand.

Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus, als ich an meine zweite Möglichkeit dachte.

Wie mechanisch liefen meine Beine los, während meine Gedanken immerzu um diese eine Option kreisten.

Ich könnte Arlott zum Reden bringen.

~♡~

Oh, oh Katharina, was hast du nur vor?

Ob sie sich das gut überlegt hat und ob ihre Idee Erfolg hat, werden wir nächsten Samstag erfahren. 😉

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