Kapitel 8 - 16 Minuten 19 Sekunden

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Das Vibrieren meiner Hand hörte nicht auf

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Das Vibrieren meiner Hand hörte nicht auf.

Stöhnend öffnete ich die Augen, zum wohl letzten Mal. Die Schmerzen, die fast schon erträglich gewesen waren, zerrten nun wieder mit geballter Kraft an mir.

Ich blickte zu meiner Hand hinab und sah mein Handy, dass vor sich hin klingelte.

Es dauerte eins, zwei Sekunden, bis ich realisierte, was das bedeutete. Ich wurde angerufen!

Stöhnend nahm mein Gehirn noch einmal seinen Dienst auf. Ich schaffte es, meinen Daumen auf das grüne Symbol zu drücken und beinahe zeitgleich erklang Josuas Stimme.

"Oh Gott sei Dank, ich dachte schon, es wäre zu spät. Wir sind in 2 Minuten da Kat, hörst du? Wir haben es fast geschafft!"

Er klang so euphorisch, dass ich lächeln musste, auch wenn diese kleine Bewegung äußerst qualvoll war. "Kat? Katharina? Bist du noch dran?"

Seine Stimme wurde panischer. Warum klang er panisch? Ich wollte nicht, dass er panisch klang. Er sollte wieder glücklich klingen. Und er sollte mich Kat nennen.

Dass hatte schon seit Ewigkeiten keiner mehr gemacht. Mein Gehirn schien etwas benebelt zu sein, denn außer einem erstickten Laut - der wohl ein Kichern darstellen sollte - schaffte ich nichts.

"Oh Gott, Kat, wir fahren schon so schnell wie möglich, d-du musst noch ein bisschen durchhalten!"

"Ich ... bin ... müde, Josua."

Sprechen war sogar noch schmerzhafter als Lächeln und Kichern zusammen.

"Oh, ich weiß, Kat, aber du musst noch ein bisschen wach bleiben, ok? Nur noch ein kleines bisschen!" Er schwieg kurz. "Erzähl mir von Laila."

Eine einfache Bitte, doch wie sollte ich das tun? Laila war mein Engel. Sie hatte die schwarzen Locken von ihrem Vater geerbt, von dem Mann, der schon vor ihrer Geburt gestorben war. Sie würde eine Vollwaise werden.

Ihre blauen Kulleraugen würden nur noch traurig zum Himmel schauen und sich fragen, ob ihre Mom und ihr Dad gerade auf sie herabblickten, um sie zu beschützen. Und irgendwann würde sie alt genug sein, um zu begreifen, dass sie das nicht konnten. Dass sie nicht zu einer der unzähligen Wolken am Himmel geworden waren oder zu einem der Sterne. Sie würde am Grab ihrer Eltern stehen und sie würde weinen.

"Kat?" Josuas zaghaftes Flüstern holte mich aus meinen Träumen.

"D-du würdest sie ... lieben."
Selbst ohne ihn zu sehen, wusste ich, dass er bei den nächsten Worten lächelte.

"Dann stell sie mir vor."

Doch das tat ich nicht. Im Gegenteil, ich stellte mir Josua vor. Er hatte mich - zumindest vorerst - vor dem Tod gerettet. Vor meinen geschlossenen Lidern entstand ein schlaksiger, hochgewachsener Mann mit blonder Wuschelmähne und einem verschmitzten Lächeln.

"'osua?" "Hm?" "Hast d-du Grübchen?" Ich war mir nicht sicher, ob er mich verstand, so leise war meine Stimme.
Doch er antwortete, ohne zu zögern.

"Ja. Ich kann sie dir zeigen, wenn du willst." Ich wollte ihm so gerne zustimmen, doch alles passierte auf einmal so schnell und gleichzeitig wie in Zeitlupe.

Ich hörte ein lautes Krachen und das wilde Geheul des Professors. Josua brüllte etwas ins Telefon, doch es war, als wären meine Ohren voll Watte. Ich verstand ihn nicht.

Das Einzige, was ich hörte, war das rhythmische Hämmern Alrotts an meine Tür, vermischt mit leisen Sirenen im Hintergrund. Ich starrte die Vitrine an. Wie in Zeitlupe öffneten sich ihre Glastüren und im Takt des wilden Getrommels fielen die Teller heraus und zersprangen.

Einer.

Zwei.

Drei.

Ich wandte den Kopf ab und blickte wieder die Standuhr an.

Ihr Sockel war knapp auf Augenhöhe und so konnte ich die schönen Rosen betrachten, die in mühsamer Kleinstarbeit hineingeschnitzt worden waren. Ich streckte meine Finger ein letztes Mal aus und fuhr mit den Spitzen das Ornament nach.

An den Rändern meines Sichtfeldes wurde es langsam schwarz.

Der leichte Druck, den ich auf die Tür ausübte, öffnete den Uhrenkasten, sodass ich dem Pendel nun direkt gegenüberlag.

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PoisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt