Kapitel 2

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Kapitel 2



31. Juli 2021



„Wow was für eine phantastische Story. Man merkt gleich woher Edgar seinen Sinn für Humor hat."

Milena Osterkamp schaffte es nur mit Mühe, ein Augenrollen zu unterdrücken, während sie zu ihrem langjährigen Kumpel Noah aufsah, der sich mit seinem breitesten und aufgesetztesten Zahnpastalächeln mit einem älteren Ehepaar unterhielt. Aus seiner Stimme vernahm sie den leichten Hauch von Ironie, der immer dann mitschwang, wenn er kompletten Bullshit erzählte. Kannte man ihn nicht, entging einem dieser leicht, doch Milena kannte den 26-Jährigen Engländer mit südafrikanischen und dänischen Wurzeln lange genug, sodass er diesen nicht verbergen konnte. Ihrem Gegenüber hingegen, der soeben den wohl schlechtesten Fußballwitz, den sie je gehört hatte, gebracht hatte, entging dieser Hauch völlig. Im Gegenteil. Man sah förmlich in dessen Kopf, wie begeistert er von ihrem Kumpel war, bzw wie geschmeichelt er sich fühlte. Dieser Schleimscheißer schaffte es aber auch immer und immer wieder sich bei so ziemlich jedem beliebt zu machen, wenn er es wollte, dachte sie für sich. Am Liebsten hätte sie belustigt den Kopf geschüttelt, doch sie zwang sich zu einem Lächeln, welches hoffentlich nur halb so falsch und und steif herüberkam, wie es sich anfühlte.

Es waren Momente wie dieser, in denen sie sich ernsthaft fragte, wieso zur Hölle sie nicht wenigstens einmal in ihrem Leben zu irgendetwas „Nein" sagen konnte. Vielleicht war es der Tatsache geschuldet, dass die daraus resultierenden Erinnerungen, oft auf ihre ganz eigene verdrehte Art und Weise, zu den Witzigsten und Schönsten gehörten, die sie gesammelt hatte. Viellicht war es aber auch ihrem Talent geschuldet sich so ziemlich jede Situation irgendwie schön reden zu können und - und da lag die eigentliche Kunst dabei - dies im Anschluss auch noch zu glauben. Sie wusste selbst, dass sie daran arbeiten musste. Ihre Mitbewohnerin und Schwester im Geiste Virginia Vindahl betete ihr immer und immer wieder vor, dass sie aufhören musste Mutter Theresa zu spielen. Doch mit den richtigen Argumenten ließ sie sich einfach zu Allem überreden. Unter Anderem zum Beispiel auf stinklangweilige, versnobte und vollkommen übertriebene Hochzeiten zu Gehen.

Zugegeben Noah hatte dieses Mal wirklich viel an Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit sie mitkam. Zwei Wochen lang hatte er alles versucht, nur um jedes Mal abzublitzen. Und tatsächlich wäre sie um ein Haar standhaft geblieben, wäre da nicht jener fatale Abend gewesen. Gini und Noah waren auf irgendeiner Feier ihrer Erzeuger, wie sie ihre gemeinsamen Eltern nannten, eingeladen und beide vollkommen sternhagelvoll gewesen. Dummerweise hatte Milena ihnen in einem Anflug von Wahnsinn angeboten sie abzuholen und natürlich hatte sie dies nicht zweimal sagen müssen. Hatte sie Gini recht schnell aus deren Auto und in ihr Bett verfrachtet, gestaltete sich dies mit Noah etwas schwieriger. Nachdem dieser zunächst das WG-Bad mit Klopapier dekoriert und anschließend fast in Boxershorts stiften gegangen wäre, um sich nur noch schnell einen Cheeseburger zu holen, hatte sie ihn endlich auf dem Sofa geparkt und freute sich ins Bett zu kommen. Es war bereits 3.00 und alleine aus dem Bett aufzustehen & loszufahren war eine riesige Überwindung gewesen. Doch kaum lag der Hüne endlich auf dem Sofa, begann die Leier mit der Hochzeit, zu welcher der Schleimscheißer, gerade einmal 2 Wochen nach Beginn seines Praktikums in der Rechtsabteilung von Westham, eingeladen wurde. Von „Ich kenn da keinen" und „Was wenn die mich nicht mögen", über „Du bist meine beste Freundin, Milena. Ja wirklich, wie eine Schwester. Du willst doch nicht das ich einsam bin.", war alles dabei. Dabei war es natürlich geradezu lächerlich, dass Noah, ausgerechnet Noah, auf einer Veranstaltung wie dieser nicht mindestens ein nettes Mädchen fand, dass er abschleppen konnte. In den fast 3 Jahren, die sie ihn kannte, schaffte er es immer und immer wieder so gut wie jeden Abend, den sie aus waren in Begleitung nach Hause zu Gehen.

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