Die Kälte der Nacht empfing Min Yoongi, als er leise durch die Terassentür trat. Seine schwarzen Haare waren verstrubbelt, seine Augen sahen erschöpft aus. Ein leises Seufzen entfuhr ihm.
Er setzte sich auf den kalten Boden der Veranda und richtete den Blick in den Garten. Grün umgab ihn, ein Vogel zwitscherte. Doch all das sah er nicht. Es war nur Dunkelheit, die ihn umgab. Die Dunkelheit vor seinen Augen. Und die Dunkelheit hinter seinen Augen. Dunkelheit, die seinen Körper füllte, seinen Geist nur schwach schimmern lies.
Dunkelheit..
Yoongi senkte den Kopf, stütze ihn mit seinen Händen. Seine Gedanken rasten, sein Herz schlug schnell und doch fühlte er sich leer, verlassen.
Ein leises Wimmern entfuhr ihm.
Er sah auf, richtete den Blick zum Himmel. Langsam legte er sich auf den kalten Steinboden.
Eine einzelne Träne lief seine Wange herunter, während er den Himmel beobachtete. Tausende von Sternen funkelten über ihm, tausende von kleinen Pünktchen, die heller strahlten, als er es jemals könnte.
Der Mond versteckte sich zwischen zwei Wolken. Nur ein kleiner Teil von ihm war zu sehen. Es war, als würde er verstecken spielen. Sich vor der Sonne, dem Licht, schützen.
Auf der anderen Seite der Stadt lag Jeon Jungkook in seinem Bett. Auch er hatte schwarze Haare und braune Augen, ganz so wie Min Yoongi.
Und Min Yoongi - das war auch der Junge, über den er gerade nach dachte.
Er griff nach dem Stoff seiner blauen, weichen Decke, nur um sie sofort von sich zu reißen.
Er versteckte sein Gesicht in dem ebenfalls Nachthimmel-blauen Kissen und wünschte sich Yoongis Lachen endlich vergessen zu können, um die Ruhe zu tanken, die er jetzt bräuchte.
Doch statt es vergessen zu können, schwirrte ihm das Bild noch viel prägnanter im Kopf umher.
Er wälzte sich unruhig hin und her, hielt sich die Hände vor sein Gesicht, hielt sich die Ohren zu und stieß einige Seufzer aus, doch es half nichts.
Schließlich griff Jungkook zu seinem Tagebuch. Es war schwarz, vorne waren verschiedene Mondphasen aufgedruckt und eigentlich schrieb er dort jeden Tag nieder, was er erlebt hatte. Und das in Form von Gedichten.
Jungkook laß sich die Einträge der letzten drei Tage durch. Allesamt über Min Yoongi.
Kurz darauf erschien noch ein weiteres Gedicht auf der offenen Seite.
Ein weiteres Gedicht über Sterne, über Unerreichbarkeit, über Liebe.
Ein weiteres Gedicht über Jungkooks Liebe zu einem unerreichbaren Jungen mit Sternen in den Augen, Mondstaub in den Haaren.
Ein weiteres Gedicht über einen Engel, der sich zurück nach Hause sehnt. Ein weiteres Gedicht über hoffnungslose Liebe.
Ein weiteres Gedicht über Min Yoongi.
Jungkook riss die Seite frustriert raus und zerknüllte sie, in der Hoffnung alle niedergeschriebenen Empfindungen einfach auslöschen zu können.
Vergeblich.
Er ließ sich nach hinten fallen und sah an die Zimmer Decke.
Was sollte er bloß tun?
Die Kälte streckte ihre Finger nach ihm aus und der Junge fröstelte schon leicht, als ihm schließlich eine Idee kam.
Aufgeregt setzte er sich auf und griff zu einem weißen, glatten Papier, einem schwarzen Fineliner und seinen Stiften.
Er zeichnete Formen, er zeichnete abstrakte Zusammensetzungen aus ihnen. Er fügte kleine Punkte hinzu. Und Sterne. In der Mitte jedoch war ein Rahmen, eine kleine Abgrenzung von dem Chaos, das er weiß ließ. Ganz oben in den Rahmen schrieb er mit seinem Pinselstift einen Namen. Min Yoongi.
Dann griff er zu einem etwas rauerem Papier und zeichnete erneut abstrakte Formen. Abstrakte Formen, die sich jedoch zu Buchstaben zusammensetzten.
Nach in etwa einer halben Stunde Arbeit war er endlich zufrieden.
Beschwingt übertrug er die Wörter auf sein kleines Kunstwerk und musste lächeln.
Am Morgen würde er das Gedicht den Sternen senden, um sie in seinen Augen wiederzufinden.
Jungkook machte das Licht aus, legte sich wieder hin und schloss die Augen.
Eine erfüllte Ruhe überkam ihn und er dämmerte schon einen Augenblick später weg. Und auch Min Yoongi fand sich erst am nächsten Tag noch im Halbschlaf auf dem kalten Steinboden der Veranda wieder, durchgefroren und doch einen Ticken glücklicher, als am gestrigen Abend.