Der seltsame Gast

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"Wie seltsam kreuzen sich doch die Wege des Lebens." (Hans Christian Andersen 1805-1875)

Pov. Shoto

Müde saß ich beim Frühstück und bemühte mich wirklich dem Gespräch meiner Eltern zu lauschen, doch meine Gedanken schweiften immer wieder ab.

Ich hatte gestern die Spätschicht im Restaurant gehabt und wir hatten Gäste, die noch bis weit nach Mitternacht blieben... Weshalb ich erst spät zu Hause war... Und als ich mit dem Schlüssel, von meiner Mutter wohlgemerkt, die Tür aufschloss, kam sie aus dem Schlafzimmer und war ganz besorgt, ob mir was auf dem nach Hause Weg passiert sei und ob sie einen Schlüssel nachmachen müsste... Zwei Sorgen, die natürlich ganz gleichberechtigt nebeneinander standen...

Dann fing sie auch noch eine Diskussion darüber an, dass ich doch Bescheid geben solle, wenn ich später kommen würde... Meine Aussage, dass ich gearbeitet hatte, zählte nicht...

Auf jeden Fall kam ich dann noch später ins Bett als gedacht und gegen 09:00Uhr weckte mich dann meine Mutter, weil es war ja Sonntag... Das bedeutete: Familienfrühstück!

Lustlos stocherte ich in meinem Rührei rum... Mir war das klassiche japanische Frühstück lieber, aber meine Mutter hatte eine neue Kochsendung im Fernsehen entdeckt und war seitdem von der amerikanischen Küche begeistert und musste jedes Rezept nach kochen... Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg...

"Shoto? Hörst du überhaupt zu?", fragte meine Mutter vorwurfsvoll.

Ich seufzte. "Nein, tut mir Leid... Ich bin noch sehr müde..."

Warum war sie überhaupt so hellwach?! Mütter sind schon komische Wesen...

"Ich hab dich gefragt, wann du heute arbeiten musst", sagte meine Mutter und klang ein wenig beledigt, weil ich ihr nicht direkt zugehört hatte... Als wäre alles Gold, was sie von sich gab.

"Ich hab die Mittagsschicht... Gegen 12:00Uhr muss ich da sein", antwortete ich leise und nahm einen großen Schluck von meinen Kaffee.

Meine Mutter nickte und warf meinen Vater, der bisher ruhig in seiner Zeitung geblättert hatte, einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich sah, wie er sich unwohl unter ihrem Blick wand bis er sich zu mir umdrehte.

Oh nein... Ich wusste, was jetzt kam. Mein Vater und ich hatten eine schwierige Beziehung zueinander... Es war nicht so, dass wir uns nicht verstanden... Wir hatten uns einfach nichts zu sagen. Eigentlich existierten wir friedlich nebeneinander her... Er für sich und ich für mich...

Nur manchmal fand meine Mutter, dass wir was an unserer Vater-Sohn-Beziehung tun mussten und scheinbar war jetzt wieder diese Zeit im Jahr...

"Nun Shoto... Ich dachte, wenn du heute Abend wieder kommst... Könnten wir... Also... Touya, du und ich... Na ja... An den See zum Angeln...", stammelte mein Vater nervös, weil er keine Ahnung hatte, wie er mit mir zu reden hatte.

Toll... Angeln... Ewiges Rumsitzen bis irgendwann VIELLEICHT ein Fisch anbiss... Und das auch noch mit meinem ältesten Bruder, der mir einen Vortrag hielt, dass ich mehr aus meinem Leben machen solle... Und mein Vater, der nur daneben saß und schwieg...

Ich seufzte und wollte grade ablehnen, als ich den erwartungsvollen Blick meiner Mutter sah...

Ich schluckte einmal, bevor ich tonlos sagte: "Klar, warum nicht?"

So Nah Und Doch So FernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt