1. Speed-Dating

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"Gott, Ginny, ich kann's echt nicht fassen, dass du mich dazu überredet hast!", schimpfte Hermine ins Handy. Nur wegen des gut gemeinten Rats ihrer besten Freundin hatte sie sich dieser Blamage überhaupt erst hingegeben, und es hatte ihr nichts gebracht. Außer vielleicht, dass sie sich jetzt noch jämmerlicher vorkam.
"Naja, du hast Mum doch gesagt, dass du dieses Weihnachten jemanden mitbringst", erinnerte Ginny sie.
"Ja, aber nur damit diese Fragerei und die guten Ratschläge aufhören, nur weil ich mit achtundzwanzig noch nicht verheiratet bin", meckerte sie, "Wer konnte denn ahnen, dass ich ihn gleich mitbringen muss?"
"Du kennst meine Mutter schon persönlich, oder?", fragte sie lachend.
"Ich wollte doch nur nicht mehr mit Albus, James, Teddy, Fred, Louis, Lucy, Dominique und Victoire am Kindertisch sitzen", nörgelte sie weiter, "Das war entwürdigend!"
"Ich weiß", pflichtete Ginny ihr bei und seufzte, "Aber war denn wirklich niemand dabei?"
"Der normalste war noch der, der sich pausenlos über den schlechten Wein beschwert hat und mich kaum hat zu Wort kommen lassen und der bei jedem Atemzug so ein pfeifendes Geräusch gemacht hat, wie in einem zugigen Korridor", sagte sie genervt, "Ich hoffe das fasst es zusammen."
"Du liebe Güte", seufzte Ginny, "Aber vielleicht bist du auch einfach zu wählerisch."
"Ja, klar, das wird's sein", sagte sie angesäuert, "Vielleicht hätte ich dem Typen, der meinte ich sähe aus wie seine Mutter und wäre deswegen die perfekte Frau für ihn, noch eine Chance geben sollen."
"Eww, das hat dir echt einer gesagt?"
"Und das war nicht mal das Seltsamste heute Abend. Erinnere mich daran, nie wieder einen Rat von dir anzunehmen!", sagte sie, blieb in der Seitenstraße stehen und lehnte sich dort an die Wand.
"Du kannst Mum auch immer noch beichten, dass du gelogen hast", meinte Ginny vorsichtig.
"Nein, das kann ich nicht. Sie hat sich so sehr gefreut und ich weiß doch auch nicht, was mich geritten hat ihr das zu sagen. Und so schlimm war der Kindertisch nun auch nicht."
Ginnys helles Lachen ertönte von anderen Ende der Verbindung. Schön, dass sich wenigstens eine von uns darüber amüsiert, dachte sie.
"Also, wenn es ausgeschlossen ist, dass du ihr die Wahrheit sagst, halt sie hin und sag ihr an Weihnachten, er hätte doch keine Zeit gehabt", riet Ginny ihr.
"Ja, hast Recht. Im Notfall kann ich auch noch das sagen. Wie auch immer, ich leg auf, es ist schweinekalt und ich brauche jetzt wirklich ein Glas Rotwein", teilte sie ihrer besten Freundin mit. Ein riesengroßes Glas, fügte sie in Gedanken hinzu.
"Bei Merlin, was würde ich jetzt für ein Glas Rotwein mit dir geben", seufzte Ginny. "Aber erstens ist da die Schwangerschaft und zweitens hat Albus sich eine Erkältung eingefangen und klammert. Er will den Heiltrank einfach nicht nehmen, weil er sagt er schmeckt nach alten Socken, stattdessen jammert er und hat Schmerzen, hier ist heute also kein Wegkommen. Aber morgen erzählst du mir alles", forderte Ginny noch, bevor sie sich verabschiedeten und auflegten. Hermine steckte das Handy in die Tasche ihres Mantels und sah sich um. Am Ende der Straße sah sie eine nett aussehende kleine Bar. Im Schaufenster hingen bereits Mistelzweige und sie konnte einige Freundesgruppen und Pärchen beieinander sitzen sehen, die sich angeregt unterhielten und lachten. Sie trat näher, sah durch die Scheibe und wünschte sich, jetzt nicht alleine zu sein. Aber sie sah an der Bar auch einige einsame Herren sitzen. Da passe ich ja wunderbar dazu, dachte sie, stieß die Tür auf und knöpfte die Jacke auf, löste den Schal um ihren Hals. Sie steuerte auf einen der Barhocker am Ende der Bar zu und kletterte hinauf, stützte die Ellenbogen auf die Theke und das Kinn hinein, seufzte laut auf.

"Sie scheinen einen unbefriedigenden Abend gehabt zu haben", stellte der ältere Herr hinter der Bar fest und trat ihr gegenüber.
"Sie haben ja keine Ahnung", seufzte sie.
"Was kann ich Ihnen bringen?", fragte er, lächelte sie mitfühlend an.
"Ein großes Glas Cabernet Sauvignon, bitte", antwortete sie dankbar, "Oder vielleicht besser eine Flasche."
Der Mann lachte herzlich, wandte sich um und stellte die gewünschte Flasche und das Glas vor ihr ab. Er schenkte ihr ein und ließ die Flasche stehen, griff nach einem Geschirrtuch und einem der vorher abgewaschenen Gläser und trocknete es ab.
Hermine nahm einen großen Schluck des Rotweins, ließ ihn sich auf der Zunge zergehen. Genau das hatte sie jetzt gebraucht.
"Was war heute so schrecklich, dass Sie alleine trinken?", fragte der Mann, sah sie neugierig an.
Hermine schenkte dem Mann einen kritischen Blick, war nicht sicher, ob seine Neugier ihr behagte.
"Sie müssen es mir nicht erzählen, aber manchmal hilft es darüber zu reden", bot er an, "Ich bin jedenfalls billiger als ein Psychologe."
Hermine lachte laut auf: "Ist das nicht ein ganz schönes Klischee?", fragte sie. "Der Mann hinter der Bar, der sich die Sorgen seiner Gäste anhört?"
"Das mag sein", sagte er, "Aber deswegen mag ich diesen Beruf so sehr, man sieht jeden Tag so viele verschiedene Menschen, hört so viele Geschichten, manche sind traurig, andere witzig und inspirierend und andere völlig absurd."
"Ich will Sie nicht von Ihren Gästen fernhalten", sagte sie, machte eine Handbewegung in den belebten Raum hinein.
"Das tun sie nicht, dafür habe ich Angestellte, ich bin heute Abend nur für die Bar zuständig, ein großer Vorteil, wenn man sein eigener Chef ist", sagte er und zwinkerte. Der Mann wurde Hermine immer sympathischer. Er war ehrlich, freundlich und warmherzig, ein angenehmer Mensch, dem man sich sofort verbunden fühlte. Manche Menschen besaßen so eine Ausstrahlung.
"Nun gut", sie nahm noch einen großen Schluck des vorzüglichen Weines und überlegte wo sie anfangen sollte. Mit ihm zu reden war allemal besser, als hier wie ein Häufchen Elend allein herumzusitzen und zu trinken.
"Waren sie schonmal bei einem Speed-Date?", fragte sie ihn direkt und sie meinte Verständnis in seinem Blick zu sehen.
"Nein, ehrlicherweise nicht, aber die Geschichten von solchen Veranstaltungen sind meine liebsten. Ich hätte nur nicht erwartet, dass Sie so etwas nötig hätten", gab er zurück, schenkte ihr einen undefinierbaren Blick, halb belustig, halb mitleidig.
"Nun ja, ich habe gewissermaßen meine Ersatzmutter angelogen, ich sagte ihr ich würde meinen Freund an Weihnachten mitbringen und.. nun ja.. dieser Freund existiert nicht.", gab sie leise zu und errötete. Wenn sie das einem Fremden erzählte kam es ihr noch absurder vor. Allein die Lüge war ihr so noch unangenehmer.
"Wie kam es dazu, dass Sie sie angelogen haben? Dafür muss es ja einen Grund geben", hakte er nach.
"Ja und der ist ehrlich gesagt ziemlich erbärmlich", murmelte sie. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, war es so schlimm nun auch nicht gewesen und Molly meinte es ja nur gut.
"Meine Ersatzmutter, sie ist sehr fürsorglich, manchmal ein wenig zu sehr und sie nimmt dabei kein Blatt vor den Mund", erklärte sie, nippte erneut am Wein, "Sie liegt mir seit Ewigkeiten damit in den Ohren, dass ich sesshaft werden sollte, dass ich mir endlich Mann und Kinder anschaffen sollte. Ich war einmal mit ihrem Sohn liiert und seit dem das vorbei ist und er eine neue Freundin hat, redet sie nur noch davon, dass ich das auch haben könnte, wenn ich nur etwas mehr aus mir heraus käme, wenn ich nicht so wählerisch wäre oder weniger arbeiten würde."
"Sie macht sich Sorgen um Sie", fasste der Mann zusammen.
"Ja und das nicht zu knapp. Es ist demütigend, immer die einzige innerhalb dieser großen Familie zu sein, die allein ist und am Tischende bei den Kindern sitzen muss", gab sie zu, biss sich auf die Unterlippe.
"Und deswegen haben Sie gelogen?", fragte er.
"Ich weiß, das klingt albern", sagte Hermine, fasste sich an die Stirn, "Aber ich hab es nicht mehr ausgehalten."
"Ich verstehe Sie, besser als Sie denken", er deutete neben sich, an die Wand hinter der Bar, wo ein kleines gerahmtes Foto hing, es zeigte den Mann vor ihr, nur etwa zwanzig Jahre jünger, mit einer jungen blonden Frau im Arm. Das Foto wirkte alt, war sepia getönt oder nur über die Jahre vergilbt, aber es machte den Eindruck, als wäre es noch älter als zwanzig Jahre.
"Das ist Mary, meine Frau", erklärte er, "Wir haben zusammen diese Bar eröffnet, vor achtzehn Jahren. Zwei Jahre später ist sie an Krebs erkrankt und vor nunmehr zehn Jahren gestorben. Sie hat lange gekämpft und wollte mich nicht allein lassen. Aber dennoch hat der Herr sie zu sich geholt, seit dem war ich alleine. Und auch ich musste mir von Freunden anhören, dass ich wieder aufs Pferd steigen sollte, dass ich abschließen und weitermachen sollte."
Sein Blick war in weite Ferne gerichtet, zeigte Schmerz und Trauer und auch etwas Wehmut. Hermine hatte Mitleid mit dem Mann, dem man das Wertvollste so früh im Leben genommen hatte. Sie schätzte ihn nicht älter als Anfang fünfzig.
"Aber Sie konnten es nicht? Abschließen meine ich", fragte sie vorsichtig. Sein Blick kehrte zu ihr zurück und er schüttelte den Kopf: "Konnte ich nicht. Aber ich wünschte mir dennoch, so etwas noch einmal erleben zu dürfen. Es gibt nichts schöneres, als den Menschen zu finden, der einen vervollständigt und nichts anderes wünscht sich ihre Ersatzmutter für Sie."
"Verstehen Sie mich nicht falsch, ich wünsche mir das ebenfalls, aber.."
"Sie fühlen sich unter Druck gesetzt", folgerte er, zog eine Augenbraue fragend nach oben.
"Ja, genau. Es macht mich ganz wuschig, ständig zu hören, dass meine biologische Uhr ticken würde. Ich lerne nur nie die passenden Männer kennen. Daher dachte ich, ich müsste vielleicht nur meine Herangehensweise ändern", erklärte sie, "Ich kann ihr nicht beichten, dass ich gelogen habe, daher hatte ich gehofft, ich lerne vielleicht tatsächlich jemanden kennen, jemanden der nett ist und aufmerksam. Und wann, wenn nicht an Weihnachten, sind die Menschen freundlich."
"Daher das Speed-Dating", deduzierte er und sie nickte. "Ich verstehe Ihre Intention, aber es zu erzwingen wird es glaube ich nicht besser machen. Sie sind so eine schöne, aufgeweckte, junge Frau, Sie müssen sicher nur aufmerksamer sein", riet er ihr, "Und Sie sollten nicht mehr zu Speed-Datings gehen."
Hermine lachte erneut auf. "Das ist mal klar", sagte sie hob das Glas, als würde sie ihm zuprosten und führte es an ihre Lippen. Langsam spürte sie den Alkohol, spürte, wie er sie entspannte. "Ich habe mich gefühlt wie die Fleischauslage im Supermarkt."
"Sicher haben sich die Männer auf den Kopf gestellt, um Sie zu beeindrucken", vermutete er.
"Und das auf sehr seltsame Weise", sagte sie, schüttelte den Kopf, als sie an einige der Aussagen der Männer dachte. Sie nahm noch einen Schluck vom Wein, sah an sich hinab, bemerkte, dass sie noch immer das herzförmige Schild mit der Nummer trug. Mit spitzen Fingern löste sie es von ihrer Bluse und legte es neben ihr Weinglas.
Noch einige Zeit trank sie weiter ihren Wein, unterhielt sich angeregt mit Walter, wie sich der Barkeeper ihr irgendwann vorstellte und vergaß langsam, wie schrecklich der Abend angefangen hatte, wie demütigend es war und sie entspannte langsam immer mehr, zudem wurde auch ihre Zunge durch den Alkohol lockerer. Sie wusste nicht, wann sie sich das letzte Mal in der Gegenwart eines Fremden so sehr amüsiert hatte. Erst als sich die Bar, bis auf Walter und einen seiner Angestellten, der bereits die Tische abwischte und die Stühle hochstellte, komplett geleert hatte und es weit nach Mitternacht war, trank sie den letzten Schluck Wein aus und erhob sich von dem Hocker. Ihr war inzwischen leicht schwummrig und sie kramte nach ihrer Geldbörse um die Flasche Wein zu zahlen, aber Walter winkte ab. "Das geht aufs Haus", versicherte er ihr, "Soll ich Ihnen noch ein Taxi rufen, bevor ich schließe?"
Hermine überlegte einen Moment, schüttelte denn den Kopf, sie war zwar beschwipst, aber sicher konnte sie noch apparieren oder sie würde das Flohnetzwerk im tropfenden Kessel benutzen, wo früher am Abend das Speed-Dating veranstaltet wurde. "Ich habe es nicht weit nach Hause", log sie, "Vielen Dank, dass Sie mir meinen Abend gerettet haben, Walter." Sie legte ihm einige Pfund als Trinkgeld auf den Tresen, wenn er schon nicht zuließ, dass sie den Wein bezahlte und er lächelte sie dankbar an. "Ich habe Ihnen zu Danken, es war sehr angenehm mit Ihnen zu sprechen", entgegnete er ehrlich, "Sie werden die Liebe finden, Hermine. Halten Sie nur die Augen offen, sie ist näher als Sie vielleicht denken." Er zwinkerte ihr zu, ging um den Tresen herum, half ihr in die Jacke und öffnete die Tür für sie. "Vielleicht stolpern Sie noch heute Abend in die Liebe hinein und Ihr Wunsch wird wahr und nicht nur ein Traum bleiben." Sie nickte ihm dankbar zu, verwirrt über diese kryptischen Worte, die in ihrem müden, alkoholvernebelten Hirn keinen Sinn ergaben und verließ das Lokal.

Die eiskalte Luft klatschte ihr hart entgegen und vernebelte ihre Gedanken nur noch weiter. Sie hatte doch ganz schön viel getrunken. Hermine stolperte die verwaisten Straßen entlang, erwischte manchmal versehentlich den Schneehaufen am Straßenrand, sodass der Saum ihrer Jeans inzwischen völlig durchnässt war und das Wasser ihr gefühlt schon in ihren Schuhen stand und ihre Zehen langsam aber sicher taub werden ließ. Sie zog den engen Wollmantel noch weiter zu, und blinzelte gegen die Schneeflocken an, die ihr entgegen stoben. Vielleicht sollte sie in diesem Zustand wirklich nicht mehr versuchen nach Hause zu kommen und sich einfach ein Zimmer im tropfenden Kessel nehmen, dort ihren Rausch ausschlafen. Als sie noch innerhalb des warmen Lokals war, hatte sie nicht das Gefühl betrunken zu sein, aber die kalte Nachtluft hatte sie eines besseren belehrt. Immerhin war sie nicht allein gewesen, sondern hatte sich nett unterhalten und morgen war Samstag, also ein freier Tag. Sie musste nicht arbeiten oder sonst wie früh aufstehen, nur Ginny würde auf sie warten, dass sie die Schmach von heute Abend noch einmal aufwärmte und zum Besten gab. Sie würde Ginny den Kopf abreißen für diese grauenhafte Idee. Langsam erloschen alle Beleuchtungen in den Lokalen und Läden um sie herum. Nicht, dass sie noch geöffnet hätten, es war die Weihnachtsbeleuchtung, die erlosch. Normalerweise trieb sich um diese Zeit niemand mehr auf der Straße herum, der ein Auge dafür hätte und ihre Schönheit bewundern würde. Auch sie konnte dem seit einigen Jahren nichts mehr abgewinnen. Früher hatte sie Weihnachten geliebt, aber inzwischen war es für sie die schlimmste Zeit des Jahres. Es machte ihr auf unmissverständliche Weise klar, wie allein sie war. Nicht einsam, aber allein. Zuhause wartete nur Dash, der junge Kniesel auf sie, den sie letztes Jahr von George bekommen hatte, nachdem Krummbein leider vor einigen Jahren seinem Alter erlegen war. George wollte, dass da wieder jemand war, der sie erwartete, der sie brauchte. Er konnte sehen, wie allein sie sich von Zeit zu Zeit fühlte. Sie war dankbar, dass die Weasleys sie schon zu Schulzeiten fast wie eine Tochter angesehen hatten und sie aufgenommen hatten. Gerade wo ihre Eltern immer noch nicht wussten, dass sie einmal eine Tochter hatten. Auch das war ein Grund, warum sie zu Weihnachten immer traurig war, denn sie konnten nicht bei ihr sein. Aber auch im Kreise der Weasleys fühlte sie sich oft außen vor, jeder von ihnen hatte jemanden gefunden, jeder hatte seine bessere Hälfte bei sich, einen Menschen, der sie bedingungslos liebte. Nur sie nicht. Und dann lüge ich auch noch Molly an, dachte sie, dabei meint sie es doch nur gut. Erst nachdem sie diese Lüge ausgesprochen hatte, hatte sie erkannt, wie sehr sie sich das tatsächlich wünschte. Dass es da jemanden gab, der sie liebte und den sie ihnen glücklich vorstellen konnte, als den Mann an ihrer Seite. Sie wünschte sich Liebe, Geborgenheit und eine eigene Familie. Natürlich waren auch die Weasleys und Harry eine Familie für sie, aber das wonach sie sich sehnte und es so lange verdrängt hatte, das konnten sie ihr nicht geben. Tränen brannten in ihren müden Augen und sie versuchte sie wegzublinzeln. Der Zauber des Abends mit Walter, an dem sie über alles lachen konnten, war vorbei, jetzt kam die Wehmut und sie konnte sie nicht ertragen. Daran ist nur der verdammte Wein schuld. Tief betrübt und auf wackeligen Beinen schlurfte sie weiter die nun dunkle Straße entlang. Sehnte sich nur nach der Wärme und Geborgenheit eines Bettes, nach dem Vergessen im Schlaf. Sie atmete erleichtert auf, als sie den Tropfenden Kessel bereits sehen konnte und beschleunigte nochmal ihre Schritte. Sie wollte nur noch ins Bett, wobei bei dem Brummschädel, den sie jetzt hatte, der Schlaf sicher noch etwas auf sich warten lassen würde. Mit etwas Glück hatte Tom, der Wirt im Tropfenden Kessel, einen Trank für sie, der ihr wenigstens den Kater ersparen würde. Als sie die Vordertür erreichte und schon im Begriff war diese zu öffnen, wurde sie bereits energisch aufgestoßen und traf sie, da sie in diesem Zustand nicht mehr in der Lage war auszuweichen und direkt hinter der Tür gestanden hatte, unsanft am Kopf. Sie stöhnte auf vor Schmerz, taumelte rückwärts, ihr Gleichgewichtssinn hatte bereits unter dem Alkohol gelitten und so verlor sie jetzt den festen Stand und sah schon den Schneehaufen, in den sie unweigerlich fallen würde, näher kommen und sie schloss die Augen, aber der Aufprall kam nicht. Zwei starke Arme hatten sie aufgefangen und an einen warmen Körper gepresst, bevor sie Bekanntschaft mit der Straße machen konnte.

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