22. Das Verschwinden einer Erinnerung

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Genervt knallte Hermine die Tür zu ihren Räumen hinter sich zu. Heute war wirklich kein guter Tag gewesen. Zuerst war heute im Unterricht, als sie den zweiten Weltkrieg der Muggel besprachen, eine Diskussion darüber entbrannt, ob die Kriege der Muggel oder die der Zauberer barbarischer gewesen wären, die sie nicht geschafft hatte abzukühlen und die dadurch völlig aus dem Ruder lief. Muggelgeborene und in magische Familien geborene Schüler hatten sich gegenseitig beschuldigt, der grausameren Rasse anzugehören, vergaßen dabei, dass sie im Grunde alle gleich waren. Die menschliche Rasse an sich hatte schon immer Kriege geführt, hatte schon immer ein temperamentvolles Wesen gehabt - magisches Gen hin oder her - die Gründe waren häufig die gleichen, nur die Waffen waren andere. Und trotz all ihrer Schlichtungsversuche hatte sie die Stunde mit einem unguten Gefühl beendet. Anschließend hatte sie feststellen müssen, dass sie wohl die Armbanduhr ihrer Mutter, die diese noch von ihrer Mutter hatte und daher zum Aufziehen war, irgendwo im Schloss verloren hatte. Denn sie ließ sich nicht mehr auffinden und sie war sich sicher, sie wie immer am Morgen angelegt zu haben. Glücklicherweise hatte Willow sofort sämtliche Hauselfen informiert, die nun ebenfalls danach Ausschau hielten, aber bisher hatte sie sich nicht anfinden können, was sie betrübte. Sie hing sehr an dieser Uhr und es würde einer persönlichen Katastrophe gleichkommen, wenn sie verschwunden bliebe. Und zu guter Letzt hatte Severus sich ihr gegenüber heute benommen, als hätte es die letzten eineinhalb Wochen nie gegeben. Dabei hatten sie sich noch gestern so gut verstanden. Sie hatten über so viele Dinge gesprochen, die sie beschäftigten und im Endeffekt hatte sie ihn sogar um Rat bezüglich der Erinnerungen gefragt, wie Minerva es ihr geraten hatte. Natürlich hatte sie ihm nichts von deren Inhalt anvertraut, aber dennoch war es für sie ein großer Schritt gewesen, das mit ihm zu besprechen. Natürlich hatte ihn der Inhalt interessiert, aber er war so höflich gewesen es zu akzeptieren, dass sie nicht darüber sprechen wollte und hatte ihr auch ohne dieses Wissen versucht zu helfen. Er hatte ihr sogar anvertraut, dass auch er wieder angefangen hatte sein Denkarium zu benutzen und wie verlockend es war, die Erinnerungen einfach dort zu lassen, aber auch wie falsch. Auch er hatte ihr nicht sagen wollen, warum er es nach so vielen Jahren nun wieder benutzte, aber das war nur verständlich, sie hatte ihre Gründe ja auch für sich behalten. Dennoch hatte sie nach dem gestrigen Tag, nachdem sie ihn erst so gelöst und schließlich einfühlsam erlebte, gedacht, dass jetzt alles anders wäre. Dass sie einige seiner Mauern niedergerissen hatte, aber dem war offensichtlich nicht so. Nein, offensichtlich hatte er über Nacht nur doppelt so viele wieder aufgebaut. Warum, das war ihr schleierhaft. Sie hatte ihm keinen Anlass dazu gegeben und gleichzeitig fragte sie sich, warum sie dieser Umstand so ärgerte. Weil ich dachte wir wären Freunde, überlegte sie, weil ich dachte es wäre jetzt anders, dass er wüsste.. Ja, was eigentlich? Dass er mir vertrauen kann? Dass ich jetzt anders über ihn denke? Aber das musste ja noch lange nicht heißen, dass es ihm genauso ging. Vielleicht war er einfach nur höflich und hatte gar kein Interesse daran, dass sie Freunde waren. Vielleicht respektierte er sie aber mochte sie darüber hinaus gar nicht wirklich. Vielleicht hatten ihn die letzten Tage dazu gebracht, dies festzustellen. Aber sie hatten Spaß gehabt und sich private Dinge anvertraut, das konnte nicht sein. Aber selbst wenn, sollte es mir dann nicht egal sein? Man kann ja nicht jeden mögen und mit jedem befreundet sein, sollte es mir nicht reichen, dass er meine Arbeit schätzt? Aber aus irgendeinem Grund reichte ihr das ganz und gar nicht und sie wusste nicht, wie sie mit diesem Gefühl umgehen sollte. Fühlte sie womöglich doch noch mehr als nur Freundschaft? Und das auch ohne die Träume? Oder waren sie gar nicht wirklich weg? Reichte bereits das Wissen um ihre Existenz, um diese Gefühle in ihr wachsen zu lassen? Sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn gestern im Schnee gerne geküsst hätte und sie wusste nicht, ob dieses Verlangen tatsächlich von ihr selbst gekommen war oder ob noch irgendwelche Nachwirkungen der Träume in ihrem Kopf herumspukten und es ihr einredeten. Womöglich war jetzt der Augenblick gekommen, sich noch einmal mit ihren ausgelagerten Erinnerungen zu befassen und zu reflektieren, welche Gefühle sie bezüglich dieser nun hatte, nachdem sie ihn, ohne diese als Ballast in ihrem Hinterkopf, erlebt hatte. Auch wenn es nur wenige Tage waren, seit sie sie entfernt hatte. Aber in der Zeit hatte sie eine Menge über ihn erfahren und über sein Leben und Wesen. Sie musste diese Gedanken und Gefühle mit denen vergleichen, die die Träume in ihr ausgelöst hatten, vielleicht würde sie dann klarer sehen und alles ins rechte Licht rücken können. Vielleicht würde sie dann wissen, welche Gefühle wirklich ihre eigenen waren.

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