7. Erneuter Zusammenstoß

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"Granger", seufzte er genervt, als sie die Güte hatte ihren Fuß von seinem zu nehmen, "Sie scheinen es neuerdings auf meine Schuhe abgesehen zu haben."
Hermine blinzelte perplex, es war ihr unheimlich unangenehm ihn umgerannt zu haben und ihm dabei auch noch auf den Fuß getreten zu sein, aber was meinte er mit der Bemerkung über seine Schuhe? Und warum musste es gerade er sein, den sie umrannte und nun dazu verdammt sein, mit ihm zu sprechen. Langsam hob sie den Blick, sah ihm direkt in die Augen und in ihrem Kopf herrschte plötzlich völliges Chaos, da war die Erinnerung an ihre letzte Begegnung, als sie ihm nichts Nettes zu sagen hatte und zusätzlich noch die Bilder des Traumes, die sie unweigerlich dazu zwangen beide Versionen miteinander zu vergleichen und sie erröten zu lassen. Severus ging es, ohne dass sie es ahnte, ähnlich, er verstand sich nur aus guten Gründen besser darauf, seine Gedanken nicht offen auf dem Gesicht widerspiegeln zu lassen. Auch er sah unweigerlich die Bilder seines Traumes wieder vor sich aufflackern und es gefiel ihm ganz und gar nicht, welche Gefühle sie in ihm auslösten. Es war als würde Wärme in ihm aufsteigen und sie hinterließ ein kribbliges Gefühl in seiner Brust. Gleichzeitig musste er daran denken, wie sie sich vor wenigen Tagen auf seine Schuhe erbrochen hatte, was es sehr viel angenehmer machte ihr gegenüber zu stehen, denn er fand diesen Umstand weder damals noch heute besonders prickelnd.
Hermine war derweil wieder etwas klarer im Kopf und wunderte sich wieder über seine Bemerkung und auch der Groll von damals kam langsam zurück.
"Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen, Professor", ließ sie ihn wissen und verschränkte die Arme vor der Brust, "Ich habe gewiss nichts gegen Ihre Schuhe, nur seit geraumer Zeit etwas gegen den Menschen, dessen Füße darin stecken, aber das sollte Sie nicht besonders überraschen." Ihre Schlagfertigkeit kam für ihn überraschend, das war nicht mehr das Mädchen, an das er sich erinnerte. Vor ihm stand nicht mehr die neunmalkluge kleine Schülerin von damals, sondern eine Frau, die mehr mit der aus seinem Traum gemein hatte, als mit der Schülerin von damals oder mit der betrunkenen Frau, die sich über seine Schuhe erbrochen hatte. An diesem Abend, als er sie vor dem Tropfenden Kessel mit der Tür erwischt hatte, war ihm das nicht aufgefallen, aber jetzt konnte er es nicht mehr leugnen. Sie war erwachsen geworden und, wie er zugeben musste, wunderschön auch oder vielleicht gerade wegen dieses herausfordernden Funkelns in ihren Augen. Aber hatte sie tatsächlich keine Ahnung worauf er anspielte? Hatte er sie mit der Tür wirklich so hart erwischt? Oder hatte sie den Blackout dem übermäßigen Genuss des Alkohols zu verdanken? So oder so, sie hatte keine Ahnung mehr, dass er sie nach Hause gebracht hatte. Wollte er es dabei belassen und einfach wortlos gehen?
"Nun, wenn Sie sich selbst nicht erinnern, werde ich mir den Spaß erlauben Sie im Unklaren zu lassen", meinte er, traf damit die Entscheidung es gut sein zu lassen und Hermine zog die Augenbrauen zusammen.
"Spaß, ja?", fragte sie, "Wüsste nicht wann Sie sich jemals einen Spaß erlaubt hätten, Professor."
"Es gibt wohl für alles ein erstes Mal, Miss Granger", erklärte er dunkel und Hermine hasste die Tatsache, dass seine Stimme sie wohlig schaudern ließ und Bilder ihres Traumes heraufbeschwor, wie er sie aus lustverhangenen Augen anblickte und ihre eigene Wonne. Aber sie rief sich selbst und ihre Gedanken sofort wieder zur Ordnung, behielt den verärgerten Gesichtsausdruck bei, nicht auszudenken, wenn er etwas von ihren Gedanken erahnen würde. Er würde sie für immer damit aufziehen und außerdem war dieser Traum-Snape in keinster Weise wie der Echte, auf den sie seit Jahren eine unbändige Wut hatte.
"Nun, statt dem Spaß hätten Sie sich auch entschuldigen können. Das wäre ein erstes Mal, das auch ich gerne erlebt hätte", sagte sie sarkastisch und wollte sich schon an ihm vorbeidrängeln, da sie davon ausging, dass er eh nichts mehr dazu sagen würde und weil sie keine Lust dazu hatte, weiter an diesen Traum erinnert zu werden, aber Snape überraschte sie und trat einen Schritt zur Seite, sodass sie ihm fast erneut auf die Füße getreten wäre und im Nachhinein ärgerte sie sich über diese verpasste Chance.
"Wenn Sie herausfinden, warum Sie sich bei meinen Schuhen entschuldigen sollten, werde auch ich mich entschuldigen", flüsterte er ihr zu und sofort beschleunigte sich ihr Herzschlag, denn diese Stimme ließ erneut die Erinnerungen der Nacht ihren Geist fluten. Sie war nicht im Stande etwas Schlagfertiges darauf zu erwidern und wieder stieg darüber Ärger in ihr auf. Aber dieser Ärger blieb nur so lange, bis ihr etwas klar wurde. Sie war ihm so nah, dass sie seinen Geruch wahrnehmen konnte und dieser Geruch, der so angenehm und überaus anziehend auf sie wirkte, brachte nicht nur Traumbilder zurück, sondern auch Bilder eines Abends, den sie tatsächlich erlebt hatte und zu dem ihr bisher einige Erinnerungen fehlten. Wie hatte sie diesen Geruch vorher nicht zuordnen können? Snape war es, dem sie die Beule am Kopf verdankte, er war es, der sie nach hause gebracht und..
"Sie!", zischte sie plötzlich, "Sie haben mich fast erschlagen und dann auch noch ausgezogen!"
"Genau genommen, Miss Granger, habe ich Sie nach diesem ungeplanten Unglück davor bewahrt in nassen Kleidern zu schlafen und sich womöglich zu erkälten", gab er nur unbeeindruckt von ihrem Ausbruch zurück.
Hermine strauchelte einen Moment in ihrem Ärger. Er hatte sie ja sicher wirklich nicht mit Absicht getroffen und er hatte sie nicht sich selbst überlassen, wie es sicher manch Anderer getan hätte, sondern hatte sie nach Hause gebracht und sie versorgt. Eigentlich war das ungewöhnlich freundlich von ihm und eine solche Geste hätte sie von ihm niemals erwartet, gerade nach den Worten, die er ihr damals an den Kopf geworfen hatte und die seit dem immer mal wieder darin auftauchten. Obwohl sie ihm zuwider war, hatte er ihr geholfen. "Ich.. Sie.. ", stammelte sie, "Also.."
"Ich denke Sie wollten Danke sagen", meinte er ein wenig belustigt, sah sie überlegen an. Und da war der Ärger wieder, wie er sie so vollkommen erhaben ansah und ihr überheblich mitteilte, was sie seiner Meinung nach zu tun hätte, machte sie wütend. Es verwandelte die nette Geste in etwas ganz und gar anderes, ließ sie sich wieder wie eine Schülerin fühlen.
"Eigentlich wollte ich das, aber so nicht mehr. Und eine Entschuldigung für Ihre Schuhe habe ich auch nicht übrig."
"Aber Sie verlangen dennoch dass ich mich entschuldige?", fragte er, "Obwohl Sie dazu nicht einmal selbst bereit sind?"
"Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe", teilte sie ihm mit, "Meins war ein Versehen und zudem eine völlig andere Situation, aber Sie haben die Tatsache, dass ich etwas Gutes für Sie tun wollte, nicht nur einfach abgelehnt, Sie haben mich beleidigt und das mit völliger Absicht! Sie haben nach fast zehn Jahren weder ein Danke noch eine Entschuldigung für mich übrig. Im Normalfall würde ich es einfach vergessen und mir sagen 'Er ist nun mal so',  aber Sie haben mich wirklich verletzt mit Ihren Worten und heute ist wirklich nicht der passende Tag für Sie, mir gegenüber so überheblich zu sein, sodass ich es einfach erneut abtue." Mit diesen Worten schob sie sich nun endgültig an ihm vorbei und kehrte wütend zu den Weasleys zurück, während Severus noch für einen Moment überrumpelt und mit rasendem Herzen dastand. Was zum Teufel war da gerade geschehen? Warum klopfte sein Herz wie nach einem Marathonlauf, obwohl er sich lediglich mit ihr gestritten hatte? Warum, zum Teufel noch eins, konnte er statt Ärger nur Scham fühlen? Und warum in Gottes Namen sah er ständig diesen verdammten Traum vor seinem inneren Auge? Er atmete tief ein und aus, versuchte sich zu beruhigen, rekapitulierte dieses unglückliche Gespräch und ihr Aufeinandertreffen, das unpassender nicht hätte geschehen können. Sie hatte Recht gehabt, musste er sich eingestehen, er war ihr gegenüber erneut nicht nett gewesen, er hatte sie von oben herab behandelt, wie in all den Jahren, als sie seine Schülerin war. Warum war er so? Warum fiel es ihm so schwer ihr gegenüber dieses Missverhalten einzugestehen und sich aufrichtig zu entschuldigen. Sie war niemand, der ihn damit aufgezogen hätte oder etwas dergleichen. Sicher hätte es ihr einfach nur eine Art von Erleichterung verschafft, ein besseres Gefühl ihm gegenüber, hatte sie ihm doch tatsächlich damals im Sankt Mungos etwas Zerstreuung und sowas wie neuen Mut geschenkt, wenn auch in einer Weise, die ihm seinen Zustand noch erbärmlicher hatte erscheinen lassen. Warum empfand er das als etwas Schlechtes? Warum nur hatte er sich deshalb schwach gefühlt und warum kam es ihm vor, als würde er sich mit einer Entschuldigung erneut schwach machen? Eigentlich sahen viele Menschen und er schätzte sie gehörte dazu, die Fähigkeit einen Fehler einzugestehen doch als Stärke an. Er wusste es selbst nicht, warum er sich selbst dabei so im Wege stand, diese alten Muster abzulegen und zu all dem spukten noch immer diese verwirrenden Traumbilder durch seinen Kopf, die ihm einredeten, dass er für sie anders fühlen sollte, als er es bisher tat. Vielleicht war es auch gerade das, was ihn gehindert hatte, als müsste er sich selbst beweisen, dass er als Mensch so furchtbar war und das vor allem ihr gegenüber, dass so etwas nie der Wahrheit entsprechen könnte und um es dann endlich vergessen zu können. Vielleicht aber wollte er es sich auch einfach nur nicht eingestehen, dass er immer ein falsches Bild von ihr hatte, dass er ihr all die Jahre Unrecht getan hatte. So oder so, er hatte sich unmöglich benommen, sowohl damals als auch heute und sie verdiente es nicht, aber er konnte sich nicht helfen, er kam einfach nicht aus seiner Haut und noch weniger aus seinen Gedanken.

*

"Damit seid ihr für heute entlassen, denkt bitte daran in eurem Aufsatz auch die Aspekte der letzten Stunde zu berücksichtigen", forderte Hermine ihre Fünftklässler bestehend aus Ravenclaws und Hufflepuffs auf und setzte sich hinter das Pult, um ihre Notizen für die nächste Stunde zu ordnen, während auch die letzten Schüler eilig den Raum verließen und sich zum Mittagessen in die große Halle aufmachten. Auch sie würde gleich hinunter zum Essen gehen, wenn sie alles vorbereitet hätte. Sie arrangierte ihre Notizen auf dem Pult und schreib sich noch einige Beobachtungen der heutigen Stunde nieder und blickte schließlich auf. Ein überraschter Ausdruck schlich sich auf ihre Züge, als sie sah, wer sich seit dem Ende der Stunde in ihren Klassenraum geschlichen hatte, ohne, dass sie es mitbekommen hatte. Bilder fluteten ihren Geist und sie konnte nicht anders, als zu lächeln. Noch vor wenigen Stunden, in der echten Welt, hatte sie sich maßlos über ihn aufgeregt, aber das hier war nicht die echte Welt. Hier war er nicht der kalte, undankbare und unfreundliche Mensch, den sie kannte, hier war er der Mann, den sie mehr als alles andere auf der Welt liebte und die Art und Weise, wie er sie ansah als er langsam auf sie zukam verdeutlichte das umso mehr, ließ keinen Zweifel daran, dass dieser Severus Snape es verdiente, dass man ihn liebte und dass auch er sie aus tiefstem Herzen liebte.  Eigenartig, dachte sie bei sich, dass es mir dieses Mal kein bisschen seltsam erscheint. Als sie das letzte Mal in diese Art Traum gezogen wurde, hatte es sie verwirrt, sie hatte sich dagegen gesträubt, es nicht glauben wollen und das alles nicht fühlen wollen, was dieser Traum sie fühlen ließ und tun ließ. Sie hatte sich dagegen gesträubt zu glauben, dass ihr Gehirn diesen Traum heraufbeschworen hatte und ihr dann einredete, dass der Mensch, der sie so dermaßen gekränkt hatte, jemals der Mann sein könnte, mit dem sie zusammen sein wollte. Aber auch wenn sie sich zuerst gewehrt hatte, musste sie feststellen, dass sie in diesem Traum glücklich gewesen war, so unendlich glücklich und verliebt und sie vermisste dieses Gefühl, also wehrte sie sich diesmal nicht, auch wenn es Snape war, dem in diesem Traum diese überwältigenden Gefühle galten.
"Wie lange stehst du schon da?", fragte sie ihn lächelnd, voll und ganz in dem Traum versunken, erhob sich langsam von ihrem Stuhl. Er erreichte sie, schlang seine Arme um ihre Taille, sah ihr tief in die Augen. "Eine Weile", gestand er, "Ich sehe dich einfach zu gerne an, aber noch lieber tue ich das hier." Seine Lippen senkten sich auf ihre, ließen eine Millionen Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen und Hitze in ihr aufsteigen. Sie begehrte ihn, mehr als irgendjemanden zuvor und diesmal fühlte sie keine Scham deswegen. Das hier war ihr Traum und auch wenn Snape bei wachem Verstand nicht der Mann wäre, den sie sich an ihrer Seite vorstellen würde, so war es die Traumversion von ihm umso mehr. Er war gar nicht so viel anders als sie ihn kannte, überlegte sie, nur einfach gelöster, freundlicher. Er war noch immer eine eindrucksvolle Erscheinung; mysteriös, unglaublich intelligent und das wusste auch dieser Severus nur zu gut und auch wusste er, wie er diese Eigenschaften einzusetzen hatte, um ihr die Knie weich werden zu lassen. Aber unter all dem lag auch ein Herz aus Gold und das war es, was den Unterschied machte, dass er ihr dieses Herz hier so bereitwillig zeigte. Sie fragte sich, ob auch der Snape aus der realen Welt tief in sich vergraben diese Attribute besaß, die ihr Traumselbst an ihm anzog. Aber sie verwarf den Gedanken, als der Severus ihrer Träume den Kuss vertiefte und sie näher an sich zog und sie erneut dazu brachte, für einen Moment zu vergessen, dass das alles hier nicht real war. Da war nur er, dieser betörende Geruch nach Kräutern, der in seinen Roben hing und ihr den Verstand raubte, seine Hände, die verehrend über ihren Körper wanderten und sie nach mehr lechzen ließen.
"Ich denke, wir lassen das Mittagessen ausfallen", raunte er ihr zu und sie grinste breit, ließ sich nur zu gerne von ihm durch die Geheimgänge des Schlosses hinunter in seine- nein, ihre Gemächer führen. Auf dem Weg stahl er sich immer wieder einen Kuss von ihr, der dafür sorgte, dass sie auf das, was zweifellos in ihrem Schlafzimmer geschehen würde, nur noch ungeduldiger hin fieberte. Dennoch war es heillos romantisch, wie er sie in jedem der Geheimgänge eins ums andere Mal an sich zog und sie gemeinsam kicherten, wie verliebte Teenager, die sich vor aller Augen verstecken. Es war prickelnd und aufregend und sie fühlte sich so leicht und beschwingt, wie nie zuvor in ihrem Leben. Dass ihr Professor, der sie sonst immer mit Verachtung gestraft hatte, einmal solche Gefühle in ihr hervorrufen könnte und sei es nur in ihren wildesten Träumen, hätte sie nie für möglich gehalten.

In your wildest DreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt