18. Millionen Sterne

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Diese Träume werden langsam zu einer Hassliebe, dachte Severus beim Frühstück. Am heutigen Morgen war er aufgewacht und hatte allen ernstes mit noch geschlossenen Augen die Bettseite neben sich abgetastet, in der festen Erwartung Hermine dort vorzufinden. Er schüttelte den Kopf über dieses irrationale Verhalten, für das er sich am liebsten selbst treten wollte. Dass er den Nachhall der Gefühle nach dem Aufwachen noch spürte, das war nichts Neues mehr und er hatte sich daran gewöhnt, machte es den Morgen doch so etwas erfreulicher, aber dass er noch so sehr in dem Traum hing, dass er auch in der Realität ihre Nähe suchen wollte, war bisher in der Art noch nicht vorgekommen. Aber vielleicht lag es auch an der Art des Traumes, daran, dass er sie dort gebeten hatte seine Frau zu werden und er sich gefühlt hatte, wie der glücklichste Mensch auf Erden, als sie ihm ein Ja als Antwort gab. Zudem fühlte er sich, als ob diese Träume für ihn immer natürlicher wurden. Als er bei dem Spaziergang im Traum die Schatulle in der Tasche seiner Traumversion fand, hatte er gewusst, worauf dieser Traum abzielen sollte. Er hätte sich dagegen entscheiden können, immerhin hatte er die Handlungsgewalt. Aber mit den Erinnerungen im Traum, diesen Gefühlen, konnte er nicht anders. Die Worte waren wie selbstverständlich aus ihm heraus gesprudelt, dabei war er eigentlich nicht der Mensch dafür, weder dort noch jetzt und hier. Und dann war da diese Stimme in ihm, die ihm zuflüsterte, dass er das alles wirklich und wahrhaftig haben könnte, wenn er nur mutig genug wäre, wenn er sich nur darauf einlassen würde. Aber es war absurd, an sowas zu glauben. Niemals könnte jemand das in ihm sehen, was die Hermine aus seinen Träumen in ihm sah. Er konnte einfach nicht so sein wie im Traum, so sehr er es auch versuchte. Sich bei Hermine zu entschuldigen und sie einen Teil seiner Vergangenheit sehen zu lassen, hatte ihm schon so viel abverlangt. Er bekam richtiggehend Herzrasen, wenn er daran dachte sich jemandem vollständig zu öffnen und alle Mauern fallen zu lassen. Dumbledore hatte alles von ihm gesehen und es doch nur genutzt, um ihn wie eine Marionette tanzen zu lassen. So sehr er seinen Freund und Mentoren auch geschätzt hatte, er hatte es verstanden die dunkelsten Gefühle und Erlebnisse gegen ihn zu verwenden. Nicht, dass er das alles nicht auch ein Stück weit aus wiedererwachtem Idealismus getan hätte, aber den letzten Schubs hatte er ihm gegeben, indem er ihm immer wieder seine größten Fehler vor Augen führte und gnadenlos alles von ihm gefordert hatte, was er für nötig hielt. Er hätte es aus Gutherzigkeit für ihn getan, dem war er sich sicher, weil er all die Jahre lang sein Freund war. Nach allem was war, war er einfach unfähig zu vertrauen, er war kaputt, beschädigte Ware. Nur zu gerne würde er das ändern und die kleine Willow hatte ihn mit ihrer Loyalität und herzlichen Art zum Teil bereits ihr gegenüber aufgetaut, aber bei ihr war er sich auch sicher, dass sie ihn niemals hintergehen würde. Hauselfen waren so reine Geschöpfe, Verrat lag nicht in ihrer Natur, eher würden sie sich eine Hand abhacken als die zu verraten, denen sie wohlgesonnen waren. Menschen waren anders, Menschen wurden von viel komplexeren Motiven angetrieben. Er selbst wusste das nur zu gut, er hatte sie alle durchlaufen; Egoismus, Selbstsucht, Eifersucht, Liebe, Idealismus, Rachsucht, Hoffnung und Schmerz. Menschen waren unberechenbar, Menschen konnten einen mit voller Absicht verletzen. Auch das wusste er nur zu gut.

*

Zur gleichen Zeit erwachte Hermine aus ihrem Traum. Ein seeliges Lächeln auf den Lippen drehte sie sich auf den Rücken, hielt die wunderbaren Bilder und Emotionen noch einen Moment fest, bevor sie sich wie jeden Morgen verflüchtigten und sie nur mit einem dumpfen Nachhall dessen zurück ließen. Erneut wollte sie danach greifen, das alles noch bei sich behalten, wieder darin versinken, aber es war zu spät, sie war wach. Und neben ihrem Bett saß Dash, den sie am Abend ihres Einzuges in Hogwarts noch von Willow hatte holen lassen. Sie wusste ja nicht, was sie hier erwartete, deswegen hatte sie ihn vorerst bei Ginny gelassen. Es hätte ja auch sein können, dass man sie in leeren Räumen hätte stehen lassen und dann hätte sie alle Hände voll zu tun gehabt sich hier einzurichten, das Chaos hatte sie dem häufig eher ängstlichen Kater lieber ersparen wollen. Er sah sie mit großen Augen an und miaute. "Du hast sicher Hunger", sagte sie zu ihm und wieder miaute er und sie erhob sich, zog sich einen Morgenmantel über und ging langsam hinüber in die kleine Teeküche, die sie hier hatte, um ihm sein Futter zu holen. Eigentlich hatte Willow ihr angeboten, sich darum zu kümmern, aber sie wollte die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der kleinen Elfe nicht ausreizen, zudem war Dash ihr Haustier, ihr Gefährte, also war es ihre Aufgabe für ihn zu sorgen. Während sie eine Dose öffnete und den Inhalt in eine kleine Porzellanschüssel umfüllte, wanderten ihre Gedanken zurück zu ihrem Traum. Sie hoffte so sehr, dass sie irgendwann einmal jemand genauso ansehen würde wie der Severus aus ihren Träumen es getan hatte, als er sie bat seine Frau zu werden. Sie sehnte sich danach dieses Leben aus ihren Träumen zu führen, geliebt zu werden und selbst zu lieben. Vielleicht eines Tages, dachte sie. Irgendetwas in ihr wünschte sich, dass sie den Severus ihrer Träume einfach in die Realität ziehen könnte, nicht mehr warten zu müssen, bis ihr jemand wie er im wahren Leben begegnete. Jemanden den sie genau so lieben könnte wie ihn. Aber könnte sich wirklich jemals jemand mit ihm messen? Mit einem Traum? Und könnte sie sich mit weniger als dem noch zufrieden geben? Sie dachte an Sebastian, den sie heute Abend treffen würde und fragte sich, ob sie auch mit ihm ausgegangen wäre, wenn da nicht diese Träume wären und die Lüge gegenüber Molly. Sie fragte sich, ob sie ihn überhaupt unvoreingenommen kennenlernen könnte, oder ob sie ihn zwangsläufig mit Severus vergleichen würde. Sie fragte sich, ob er der Richtige war und sie es vielleicht nicht erkennen würde, weil diese Träume immer wieder durch ihren Kopf spukten, weil sich langsam aber sicher ein Mann in ihrem Herzen eingenistet hatte, den es in Wirklichkeit gar nicht gab. Sie fragte sich ob es Snape wohl all die Jahre so ergangen war. All die Jahre hatte er Lily Potter geliebt, einen Menschen, den es nicht mehr gegeben hatte, eine Tote, eine Erinnerung. War er auch deswegen immer allein gewesen? Weil sich niemand mit dem Bild, das er von ihr hatte, messen konnte? Würde ihr das auch blühen, wenn sie diese Träume weiterhin so breitwillig empfing? Sie schüttelte den Kopf, vertrieb den Gedanken an ihren Kollegen, von dem sie ohnehin nicht wusste, woher er auf einmal gekommen war. Nein, sie würde jetzt nicht mehr darüber nachdenken. Sie würde Sebastian eine Chance geben, sie hatte etwas in ihm gesehen, dem würde sie nachgehen.

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