Loved Anonymous – Stephen x Jack
Kapitel 1
Mein Name ist Stephen, ich bin Ende 20 und arbeite als erfolgreicher Betriebswirt. Meine Karriere ist mir wichtig, bisher war sie mir zu wichtig. Das merke ich jetzt sehr deutlich. In meinem Freundeskreis sind zwar viele – vorwiegend Leute aus der Universität, an der ich studiert habe, und aus der Bank, in der ich momentan arbeite – aber keiner ist besonders in jener Hinsicht. Meine Familie ist natürlich auch sehr wichtig für mich. Aber mir fehlt jemand, der mich einfach vergessen lässt, welchen Stress ich heute wieder auf der Arbeit hatte, wenn ich abends um 6 nach Hause komme.
Vor ein paar Jahren schon habe ich mich in einem Internetforum angemeldet, dessen Thema eine meiner größten Leidenschaften ist – ein Videospiel, nein, mein Lieblingsspiel.
Vor etwa anderthalb Jahren habe ich in diesem Forum jemanden kennengelernt, der meine Vorliebe für jenes Spiel teilte, jedoch verstehen wir uns besser als mit den anderen Usern. Zuerst wusste ich nicht richtig – einfach, weil ich nicht darauf geachtet hatte – welches Geschlecht jener Jemand hatte. Bis mir, als wir eines Tages wieder einmal geschrieben hatten, auffiel, dass er ein er war. Dabei schrieben wir irgendwann auf eine Art, die ich nicht erklären kann… Wir teilten in vielen Bereichen die gleiche Meinung – welcher Teil der Reihe uns am besten gefällt, welcher Charakter, welche Konsole etc.
Irgendwann schrieben wir über mehr, über unseren Alltag, andere Dinge, erst das Wetter, dann die Arbeit. Wo wir wohnen, was wir machen – solche Sachen. Jedoch weiß ich nicht allzu viel über ihn. Bis auf gelegentliche Fotos von z.B. einem neuen Teil jener Reihe in der Hand des Einen, da derjenige ihn gerade stolz erworben hatte, Fotos aus dem Urlaub, vom Strand oder dergleichen, hatten wir uns keine Bilder geschickt. Ab einem gewissen Zeitpunkt schrieben wir weniger über das Forum, sondern tauschten die Handynummern aus. Ab da weitete sich unser Kontakt sowieso aus.
Kein Bild, das wir uns je gesendet hatten, zeigte auch nur ansatzweise etwas von uns. Wir wissen nicht, wie der jeweils andere aussieht. Nicht einmal eine Hand war je ganz zu sehen. Mein Profilbild im Forum ist spezifisch des Themas, ebenso seines.
Wir wohnen außerdem eigentlich nicht allzu weit voneinander entfernt – mit dem Auto bräuchte man ungefähr 6-7 Stunden. Fliegen würde man knapp anderthalb Stunden. Also kein anderes Land oder so.
Online haben wir übrigens auch schon oft zusammen unser Lieblingsvideospiel gespielt, ohne Teamspeak. Sprich, wir kennen auch nicht die Stimme des jeweils anderen.
Was weiß ich eigentlich über ihn?
Naja… Ich kenne – sofern es stimmt, was er sagt – seinen Namen: Jack. Sollte er die Wahrheit gesagt haben ist er vier Jahre jünger als ich, arbeitet als Aushilfe in einer Bar, studiert aber Game-Design. Wo sein Wohnort liegt, habe ich schon erwähnt. Seine sonstigen Interessen… naja, er spielt sonst auch gern am PC oder an sonstigen Konsolen, hört, wie er selbst schrieb „härtere Musik“. Anders, sagte er, als ich nachfragte. Metal, schätze ich.
Wie gesagt, von seinem Aussehen keine Ahnung. Seinen Charakter kenne ich nur begrenzt auf unsere Chats. Wie sehr er dort sein wahres Gesicht zeigt, kann ich jedoch nicht wissen.
Seit ungefähr 14 Monaten schreibe ich mit anderen Gefühlen mit ihm.
Ihm nach geht es ihm auch so. In unserem Chatverlauf tauchten auf einmal immer nettere Sachen auf – jene Smileys auch unter Anderem, die man eigentlich seinem/r festen Partner/in schickt. Ich glaube, ihm war das von Anfang an bewusst, mir fiel es erst vor 13 Monaten auf, mit einem plötzlichen Mal. Einfach so. Es war selbstverständlich für mich, ich mochte ihn, auch wenn ich ihn nicht wirklich kannte. Schließlich sprach, nein, schrieb ich ihn darauf an. Ich äußerte die Anmerkung eher scherzhaft, dass unser Verlauf ja irgendwie zweideutig schien. Seine Antwort kam ungewöhnlich spät, er meinte, einen Grund müsste es ja haben. Während ich noch kurz überlegte ergänzte er: >Was denkst du? Sei ehrlich<. Was er meinte, wusste ich sofort. Bezüglich solchen Sachen, die man aus Chats entnehmen konnte, kannte ich ihn schon gut.
So erzählte ich ihm, was mit mir los war, welche frühlingshaften Gefühle in mir aufkamen, wenn ich nur daran dachte, mit ihm zu schreiben. Und so ist es heute noch. Ich freue mich immer sehr darauf. Das Einzige, was er antwortete, waren ein >Dito< und ein Kuss-Smiley. Ich glaube, er war irgendwie überrascht, aber froh.
Ab diesem Tag beschlossen wir, eine Beziehung zu führen, eine Fernbeziehung. Soll mir recht sein, wir sehen uns bestimmt noch früh genug, sagte ich immer. Wegen seines Studiums, meiner Arbeit und der Entfernung zwischen uns haben wir uns auch noch nie getroffen, obwohl wir seit einem Jahr zusammen sind. Seit 12 Monaten.
Vor etwa 7 Monaten dann warf ich zum ersten Mal diese eine wichtige Frage auf, die ich immer zwiespältig sah, bis wir es klärten:
>Sollen wir dem jeweils anderen ein Bild von uns selbst schicken? Ein ganz normales, wie wir halt so aussehen?<
Das beschäftigte mich damals durchgehend, einerseits, weil ich misstrauisch war, ob er wirklich der war, für den er sich ausgab, und andererseits, weil ich einfach wissen wollte, wie mein Freund aussieht.
>Kommt darauf an. Mir wäre es lieber, wenn wir uns zum ersten Mal sehen, wenn wir uns zum ersten Mal treffen. Dann kann keiner seine Meinung verfälschen und ich denke, wenn wir einander zu Gesicht bekommen zum ersten Mal, dann lieber direkt „in Echt“ und nicht nur auf dem Handy-Display<.
Da hatte er Recht. Deshalb unterließen wir das.
Doch heute. Ja, heute. Heute ist er auf dem Weg zu mir. Wir haben ausgemacht, uns zu unserem ersten Jahrestag zu treffen. Der ist heute, Jack müsste bereits aus dem Flugzeug gestiegen sein und im Taxi zu meiner Adresse sitzen. Diese Zeit nutze ich, um schon mal Abendessen vorzubereiten. Die nächsten Tage habe ich mir extra freigenommen, er hat zum Glück Semesterferien.
Ich bin gerade im Stress, damit beschäftigt, die Soße richtig hinzukriegen, als es plötzlich an der Tür klingelt. Ich habe Jack gesagt, er soll nicht klingeln, sondern besser mir schreiben, dass er unten vor der Tür steht. Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus in einer großen Wohnung im vierten Stock.
Deshalb – in der Annahme, dass es nicht Jack ist – gehe ich unvorsichtig zur Tür. Jedoch stoppt mich mein Handy, das mir soeben signalisiert hat, dass eine Nachricht eingetroffen ist. Es könnte ja Jack sein, der mir sein Klingeln beichten will, also lese ich zuerst die Nachricht, bevor ich die Tür öffne.
Und tatsächlich: >Stephen, ich hab geklingelt<, schreibt er, direkt danach noch: >Versprich mir was<. Leicht verwirrt bleibe ich auf der Stelle stehen, drehe den Kopf aufmerksam gerade und spüre ein unwohles Gefühl in mir: >Was denn, Jack?< Die Antwort kommt langsam: >Sei nicht negativ überrascht<.
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Yaoi One Shots / Short Stories - BoyxBoy - Shounen-Ai
RomanceHier mal ein paar kürzere Yaoi-Stories, die mir spontan zugeflogen sind :) Hoffe sie gefallen euch :D //Alle Stories sind frei erfunden oder von Ereignissen aus meinem eigenen privaten Umfeld abgeleitet, also fühlt euch nicht angegriffen oder so...