My Sun - Sebastian x Sam
Kapitel 1
Da saß ich also. Verlassen, ausgestoßen, so kam ich mir vor. Dumm und naiv. Ich war so ein Idiot. Ein kalter, frischer Wind fuhr mir durchs dunkle Haar, verließ mich aber ebenso schnell, wie er gekommen war. Dort oben, wo ich saß, war es dunkel, stockfinster. Die Mitte der Welt, so schien es, allein und hin und her gerissen. Über mir nur der funkelnde Sternenhimmel in seinem nächtlichen Tiefblau, in Gesellschaft der Sterne der strahlende, weiße Mond. Er wachte über die Stadt wie ein schweigsamer Schutzengel. So majestätisch thronte er dort oben, wenige Stunden zuvor sah ich, wie die blutrote Sonne am Firmament mit dem Horizont verschmolz, mich auch einsam zurückließ. Ganz weit oben musste es unglaublich still sein, aber wer weiß, vielleicht sprach da einfach nur der Kosmos. Wo ich mich befand war es jedenfalls totenstill, so leer und einsam, grau, trist und kalt. Jedoch unter mir war eine rechte Geräuschkulisse. Die Töne der Stadt drangen gedämmt zu mir hinauf, Stimmen von Menschen, das Quietschen der Autos und so weiter.
Ich kam mir schrecklich dumm vor. Vermutlich hatte ich die Strafe der Einsamkeit und der Ausgrenzung verdient. Tief atmete ich die kühle Luft ein, die mir in der Nase stach, mich von innen kälter stimmte. In der Ferne sah ich die blinkenden Lichter der Werbetafeln, die schrillen Schilder der Bars, Diskos und Hotels. Außerdem die grellen Lichter der Autos, die sich im Halbdunkel hin und her bewegten, sich ihren Weg durch den Dschungel der Stadt bahnten. Die Lichter, die sanft aus den Häusern hervorschienen. Auf einmal erschrak ich, als ich ein Geräusch hinter mir hörte – erst ein knatschendes, langes Klicken, dann ein Quietschen und anschließend
ein tiefer Knall. Als dieser verstummte wurden Schritte hörbar, die sich auf mich zu bewegten, näher kamen, schnell aber vorsichtig. Sie wurden immer lauter, ich hoffte nur, es war nicht er. Obwohl, doch, ich hoffte es eigentlich doch.
Direkt neben mir verstummten die Schrittgeräusche, ich spürte den Wind, den jene Person mitgebracht hatte, ebenso seine Wärme, die zu mir herüberflog. Mein Gesicht war abgewandt, ich schaute abermals hinunter zur Straße, meine Gedanken überschlugen sich.
Aber dann hörte ich, wie er sich zu mir setzte, tief seufzte und ich spürte seinen Blick an mir. Es war nicht er, stellte ich in jenem Moment fest. Ich hörte nur noch kurz das Kratzen der Schuhe über den Boden des Daches, bis ich seine Stimme vernahm: „Er hat seine Sachen gepackt.“, er klang fast so traurig wie ich. Als ich nicht antwortete, weil ich mich mit seinem Auszug schon abgefunden hatte, legte er mir die Hand auf die Schulter: „Schon wieder… hm…?“
„Was habe ich erwartet…?“, fragte ich rhetorisch. So oft wurde ich nun schon verlassen, betrogen, grundlos zurückgelassen. Wenige von ihnen kamen einmal wieder, bettelten um eine zweite Chance. Einige von ihnen traf ich zufällig, sie würdigten mich wenn nur mit einem abschätzigen Blick. Die meisten von ihnen hatten nur gespielt. Für sie war es Gang und Gebe. Doch einer von ihnen kam regelmäßig wieder, wie die Sonne jeden Morgen, aber ging, sobald ich Ruhe brauchte, sobald ich allein sein wollte, wie die Sonne über Nacht. So wechselten sich Sonne und Mond wohl ab - er kam zurück, sobald ich aus meiner Traumwelt zurückkehrte. Und solange ich dort war, solange ich in einer Welt gefangen war, die rosarot und scheinbar völlig friedlich war, der jedoch immer ein böses Erwachen folgte, wie an diesem Tag, ja, solange begleitete mich immer ein anderer. Zuletzt war er es gewesen, aber es war immer ein anderer, viele verschiedene, wie der Mond in verschiedenen Variationen auftauchte – mal halb, mal sichelförmig, mal voll. Bei jedem Erwachen, bei jeder Enttäuschung,
die auf jede solche Nacht folgte, war er da. Wie die Sonne erwartete er mich jedes Mal, jeden Morgen, und leitete mich durch die finsteren Zeiten. Er ahnte oft, dass der scheinbar so wundervolle Traum, in den ich mich stürzen wollte, sich als Alptraum entpuppen würde, früher oder später, doch er sagte es nicht direkt. Er ließ mich meine eigenen Erfahrungen machen, warnte mich aber jedes Mal, klärte mich kurz über seine Meinung auf. Bisher war sie immer richtig, seine Vermutung.
„Woran… liegt es denn…?“, auch wenn ich mein Schluchzen größtenteils unterdrücken konnte, wusste er von meinen wahren Gefühlen. Er konnte meine Trauer riechen, er spürte mein Unwohlsein, meine Unsicherheit.
„Ich weiß nicht.“, seufzte er lächelnd und legte seinen linken Arm um meinen Nacken, zog mich zu sich, „An ihnen, würde ich sagen.“
Er schaffte es. Tatsächlich. Dieser Kerl, schaffte es doch wirklich, mich in dieser Situation – wenn auch nur kurz – zum Lächeln zu bringen. „Gibt es denn dann irgendjemanden, auf den ich mich verlassen kann, der nicht einfach nach ein paar Monaten abhaut?“ Wenn es jemand wusste, dann derjenige, der mich nun schon lange begleitete, für Monate, für Jahre, für ein Jahrzehnt.
„Hm…“, machte er, sein Blick schweifte hinauf zu den Sternen, „…Bestimmt. Davon gibt es wenig. Aber die suchen sich mühsam jemanden, auf den sie auch sich verlassen können.“ „Denkst du, ja?“ „Ich glaube kaum, dass es so jemand allzu lange unter diesen Verrätern aushalten könnte.“
Ich schloss die Augen. „Wie die Sterne.“, meinte ich, „Sie suchen Nacht für Nacht einen verlässlichen Partner, und wenn sie den in allen anwesenden Lichtern nicht finden, suchen sie nach weiteren Möglichkeiten. Und erst dann, wenn es Tag ist – sie sind ja trotzdem da – erkennen sie, dass derjenige, nach dem sie suchen, immer bei ihnen war. Jedenfalls tagsüber. In der Nacht lässt die Sonne die Sterne ihre eigene Suche machen. Aber in schlechten Zeiten ist sie immer da. Sie ist verlässlich.“
Ob er meine Sonne war? „Das ist gut. Beschreibt ziemlich genau, wie sich Sterne wie du wohl fühlen.“, er nahm meine Jacke, die er von unten mit hoch gebracht hatte und legte sie um mich – es war eiskalt – erst, wo er da war und mich an die menschliche Wärme erinnerte, wurde ich mir dieser Kälte bewusst. Und sie biss fester und fester, bis ich mich allmählich in seinen Armen aufgewärmt hatte.
Er war so warm. „Wo glaubst du, finde ich meine Sonne?“, hoffnungsvoll schaute ich an seiner Schulter, an der mein Kopf anlehnte, vorbei auf den Horizont.
Er war so verständnisvoll. „In deinem Leben gibt es doch ein großes, strahlendes Licht, oder? Das dich immer begleitet, dir den Weg zeigt, ihn mit dir geht. Deine Orientierung, derjenige, der immer für dich da ist, auf den du dich verlassen kannst. Du musst es selbst wissen.“, aus der Jackentasche zog er ein Taschentuch, hielt es mir wortlos hin.
Er war so verlässlich. „Danke.“, sagte ich erst und nahm das Taschentuch für meine laufende Nase, „Das Licht, also, das mich durch mein Leben begleitet? Das immer zu mir zurückkehrt, egal…“, meine Erkenntnis raubte mir den Atem.
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Yaoi One Shots / Short Stories - BoyxBoy - Shounen-Ai
RomantizmHier mal ein paar kürzere Yaoi-Stories, die mir spontan zugeflogen sind :) Hoffe sie gefallen euch :D //Alle Stories sind frei erfunden oder von Ereignissen aus meinem eigenen privaten Umfeld abgeleitet, also fühlt euch nicht angegriffen oder so...