Kapitel zwölf

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Am nächsten Morgen schlürfte ich müde zum Esszimmertisch, wo mein Vater und meine Mutter gerade dabei waren sich um die Zeitung zu streiten. Meine Schwester saß neben ihnen und starrte auf ihr Smartphone. Als sie mich entdeckte, warf sie mir einen kurzen bösen zu, ehe sie begann weiter wild auf ihrem Display rumzuhacken.

„Guten Morgen.", grummelte ich verschlafen und erntete die nächsten bösen Blicke – diesmal von meinen Eltern. Mein Vater gab den Kampf um die Zeitung freiwillig auf und meinte dann bestimmend: „Wer Ist Joshua und weshalb hast du die ganze Nacht mit ihm telefoniert?"

Meine Mutter stieg mit ein. „Du weißt hoffentlich, dass wir dir die Telefonrechnung von deinem Taschengeld abziehen."

Ich verdrehte die Augen und griff nach einem Brötchen. „So funktioniert das nicht, Leute. Er hat angerufen, was bedeutet, er bezahlt die Rechnung. Für uns ist kein Geld angefallen."
„Womit noch immer nicht geklärt ist, wer der Kerl ist." Mein Vater wandte seinen Blick gar nicht mehr von mir ab. Ich kam mir mit einem Mal ganz klein vor. „Er ist... niemand besonderes."

Clarissa erhob so plötzlich ihre Stimme, dass ich zusammenzuckte. „Das will ich auch hoffen." Seit wann sprach sie wieder mit mir? Und wieso passte ihre Aussage so gar nicht zu ihrem Argwohn mir gegenüber.

„Wo kommt das denn plötzlich her?"

Clarissa zuckte die Schultern und starrte weiter beharrt auf ihr Handy. „Wenn du Harry schon schöne Augen machst, dann solltest du wenigstens so freundlich sein ihm treu zu bleiben."

„Treu?" Mit großen Augen sah ich eine Schwester über den Tisch hinweg an. „Du tust ja gerade so, als wäre ich mit ihm zusammen."

„Wenn man Harry Styles für sich gewinnen kann, sollte man nicht so dumm sein, sich einen weiteren Lover zu holen. Das hat Harry nicht verdient."

„Da sind mir ausnahmsweise einer Meinung."

Die Miene meiner Schwester lockerte sich einen kurzen Moment, dann wurde sie wieder steinhart. „Du hast Harry trotzdem nicht verdient." Sie erhob sich ruckartig von ihrem Stuhl und sagte dann: „Das ist alles, was ich zu sagen habe." Im Anschluss daran legte sie den wohl theatralischsten Abgang in der Weltgeschichte hin.

„Vergessen wir also Joshua.", meinte mein Vater da. „Wer ist Harry?"

Ich war viel zu müde für ein solches Gespräch. Ich seufzte. „Harry Styles ist der talentierte Popmusiker, mit dem eure Tochter ihr ganzes Zimmer plakatiert hat. Er ist der Kerl, auf dessen Konzert eure Schwester mich mitgeschleppt hat. Er ist der Kerl, wegen dem Clarissa in Ohnmacht gefallen ist. Er ist ein Weltstar. Was erklären sollte, dass eure jüngere Tochter eine Meise hat, wenn sie glaubt, so jemand wie Harry könnte Interesse an so jemanden wie mir haben."

In meinen Gedanken hing ich noch immer der letzten Nacht nach und wie lange wir miteinander gesprochen hatten. Es war eindeutig, dass nicht nur ich mich verknallt hatte. Wieso aber sollte ich irgendjemanden davon erzählen? Das war schließlich meine Angelegenheit. Ich war mir nicht sicher, wie es weiterging. Ich wusste nicht, wie es funktionieren sollte. Doch ich wusste, dass ich mehr solcher Gespräche wollte und ich wusste, dass ich Harry wiedersehen wollte. Alles andere war mir im Moment auch egal.

„Themenwechsel." Meine Mutter schob meinem Vater die Zeitung zu und lächelte mich warmherzig an. „Was wünschst du dir zu deinem Geburtstag für einen Kuchen?"

„Fantakuchen mit extra viel Mandarinenstückchen."

„Wir können das Jungs-Thema doch nicht so einfach fallen lassen.", flüsterte mein Vater laut genug, dass womöglich auch unsere Nachbarn ihn gehört hatten.

„Doch, können wir.", zischte meine Mutter.

Und mein Vater meinte sogleich wieder: „Nein."

Ich stand also auf. „Ich frühstücke in meinem Zimmer." Und ich lief den Flur entlang zu meiner Zimmertür. Als ich sie hinter mir ins Schloss fallen ließ, wartete die nächste Überraschung auf meinem Bett sitzend. Clarissa tippte auf unserem Haustelefon herum. „Du hast also über fünf Stunden mit diesem Joshua telefoniert, ja?"

„Was machst du in meinem Zimmer?"

Clarissa zog die Schultern hoch. Sie würdigte mich keines Blickes. Kleinlaut fragte sie: „Magst du Harry?"

Ich hob die Augenbrauen. War das ihr ernst? Sie hasste mich doch! Wieso war sie auf einmal so feinfühlig. Sie machte sich sicherlich wieder nur Gedanken um ihr Harry-Baby.

Ich seufzte. Es schien Zeit für die Wahrheit zu sein. „Ich hasse es zwar das zugeben zu müssen, aber ja, ich mag Harry. Sehr."

Clarissa hob urplötzlich den Kopf und sah mir fest in die Augen, als suche sie darin nach einem Anzeichen dafür, dass ich sie anlog. „Wieso telefonierst du dann ewig lange mit anderen Jungen?"

Ich zuckte mit den Achseln. „Hast du schon mal davon gehört, dass Männer und Frauen auch einfach nur befreundet sein können?"

Clarissa zog die Stirn in falten. „Ja, das schon. Aber telefoniert man dann fünf Stunden miteinander?"

„Nicht, dass dich das etwas angehen würde, aber ja, wir sind nur Freunde und es wird auch niemals etwas zwischen Josh und mir laufen."

„Wie kannst du dir da so sicher sein?"

„Weil ich Harry mag."

„Und weiß er das auch?"

Ich musste mir ein Lachen verkneifen. „Glaub mir, er weiß davon."

„Sicher?"

Ich nickte überschwänglich. „Er ist auch ein Harry-Fan und er versteht es."

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Fünf Stunden.", wiederholte sie die Zeit, in welcher Harry und ich telefoniert hatten und ich wäre am liebsten an die Decke gegangen. Was hatte meine Schwester nur für ein Problem?

Also musste ich etwas finden, womit ich Clarissa beruhigen konnte. Also grub ich mich tiefer in meinen Lügen ein. „Josh ist schwul."

Und mit dieser Aussage gab sie sich dann letztendlich zufrieden.

Hate you. Miss you. Love you. | HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt