Kapitel fünf

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Ich fragte mich, wie mich Harry so schnell für sich hatte gewinnen können. Vor nur wenigen Stunden war ich noch ein absoluter Todfeind seiner Arbeit und seiner Beliebtheit gewesen. Jetzt war ich selbst ein Bewunderer. So sehr mich das auch ankotzte, so wenig konnte ich mich dagegen wehren. Ich genoss die Gespräche, die wir führten und ich genoss jede zufällige Berührung.

Seit wir im Hotel angekommen waren, war die Zeit nur so an uns vorbeigerauscht. Trotz seiner Müdigkeit hatte sich Harry als ein sehr angenehmer Gesprächspartner herausgestellt. Wir hatten eine halbe Ewigkeit nebeneinander auf dem Bett gelegen und uns gegenseitig ausgehorcht. Er hatte mir von seiner Kindheit erzählt, hatte von seiner Mutter geschwärmt und mir einige Zeilen von Liedern vorgesungen, an welchen er gerade arbeitete.

„Lieblingsessen?"

„Pizza. Du?"

„Auf jeden Fall Pizza... Lieblingsgetränk?"

„Kaffee. Bei dir?"

„Sprite."

Wir waren gerade dabei uns gegenseitig von unseren liebsten Dingen vorzuschwärmen, als mit einem Mal auch meine Augenlider ganz schwer wurden. Ruhiger und in unregelmäßigen Abständen kamen unsere Fragen und antworten, bis es tatsächlich totenstill wurde.

Wir waren eingeschlafen. Das bemerkte ich allerdings erst, als ich durch das Zucken wachgerissen wurde, welches durch Harrys Körper ging. Ich blinzelte in den Raum. Schwaches Licht wurde vom Flur aus auf uns geworfen. Ich brauchte einen Moment, ehe ich Franklyn erkannte. Er stand im Türrahmen und musterte uns.

Als ich meinen Kopf hob, ging ein Grummeln von Harry aus. Diesmal war ich es, die zusammenzuckte. Ich war in den Armen von Harry Styles eingeschlafen! Ich. Lag. In. Harry. Fucking. Styles. Armen!

Ungewollt ruppig riss ich mich von ihm los und brachte Abstand zwischen uns. Ich rieb mir die Augen, wobei ich mir sicherlich vollkommen mein Make-Up ruinierte. Doch so wach war ich noch nicht, um mir um solche Dinge Gedanken machen zu können. Stattdessen gähnte ich bloß und brummte dann: „Guten Morgen, Frankie."

Harry hatte die Augen noch immer geschlossen, doch ich sah ihn schmunzeln. „Frankie.", wiederholte er den neuen Spitznamen seines Bodyguards – mit solch rauer Stimme, dass ich eine Gänsehaut bekam. Langsam hoben sich seine Augenlider. In diesem Licht fielen mir zum ersten Mal diese geschwungenen Wimpern auf, welche seinen Augen perfekt schmeichelten.

Er sah so gut aus.

Ich schüttelte mich und verwarf diesen Gedanken sofort wieder, sobald ich wach genug war, um meine Vernunft einzuschalten. Mit der Vernunft kamen auch die Erinnerungen an die letzte Nacht wieder. Ich schaute mich um. Es war noch immer dunkel. Wie lange wir wohl geschlafen hatten?

Vor meinem inneren Auge sah ich Harry und mich noch immer tanzen. So ungern ich es auch zugab, dies war eine der besten Nächte seit langem gewesen – wenn nicht sogar die beste Nacht meines Lebens. Das absurde war, dass ich sie mit meinem schlimmsten Alptraum verbracht hatte. Obwohl sich Harry ja im Endeffekt gar nicht als ein zu großer Alptraum herausgestellt hatte. Er war echt... süß. Das würde ich nur niemals irgendjemanden gegenüber erwähnen. Das würde mein eigenes kleines Geheimnis bleiben. Auf ewig.

„Es ist Zeit." Ich hatte Franklyn fast vergessen. Er stand noch immer im Türrahmen und musterte uns finster. Ich wusste, dass er mir und meiner Schwester misstraute. Was für einen Grund hatte er aber bitte auch uns zu trauen?

Harry nickte neben mir stumm. Ich hatte gar keine Zeit mir Gedanken zu machen, was die Worte seines Bodyguards zu bedeuten hatten. Viel zu schnell war die Wärme, die gerade noch von dem Körper des Popstars ausgegangen war, verschwunden. Er huschte ins Badezimmer und ließ mich mit meiner kleinen Schwester zurück.

Franklyn bewegte sich noch immer keinen Zentimeter. „Gut geschlafen?", fragte er monoton.

„Ein bisschen kurz, aber sonst." Ich versuchte mich an einem schiefen Grinsen. „Und selbst?"

Frankie zuckte bloß mit den Schultern. Er schien lediglich die Zeit überbrücken zu wollen, die es brauchte, bis Harry aus dem Badezimmer zurückkam.

„Wir fahren dich und deine Schwester nach Hause, bevor wir uns weiter auf den Weg nach Hannover machen."

Bei der Art und Weise, wie der Halbriese diese deutsche Stadt aussprach, musste ich schmunzeln. „Vielen Dank." Ich wusste auch nicht, wie ich Clarissa anderweitig hätte nach Hause bringen sollen. Sie war nicht dick, sie war aber auch nicht dünn. Sie war mir mit ihrer Größe also mittlerweile echt zu schwer.

Ruckartig riss Harry die Tür auf. Seine Haare tropften. Wie hatte er es in der kurzen Zeit geschafft sogar zu duschen? Ich war verwirrt und beeindruckt zugleich. Der Mann verstand etwas von seinem Werk.

„Wie ist der Plan?", fragte der junge Musiker. Er lief zu seinem Koffer und stopfte achtlos Oberteil und Boxershorts in die Seite. Mit erröteten Wangen sah ich weg. Unwillkürlich hatte ich mir vorgestellt, dass er die Boxershorts gerade noch getragen haben musste und sie dann zum Duschen ausgezogen hatte.

Zum Glück waren die Herren viel zu sehr damit beschäftigt sich leise tuschelnd über die weitere Vorgehensweise zu unterhalten. Sie beachteten mich keines Blickes mehr. Währenddessen rutschte ich also näher an meine kleine Schwester und rüttelte an ihren Schultern. Kein gesunder Mensch konnte so lange ohnmächtig sein, dachte ich mir im Stillen. Sie war bestimmt heute Nacht aufgewacht und geradewegs wieder umgekippt, als sie gesehen hatte, mit wem sie in ein und demselben Bett schlafen durfte. Wenn sie nur wüsste, was hier die ganze Zeit abgegangen war – sie würde ausrasten. Rückwirkend war es äußerst tragisch für sie, dass sie nichts von all dem hier mitbekommen hatte. Sie hätte diejenige sein müssen, mit der Harry getanzt hatte. Sie hätte diejenige sein müssen, die in seinen Armen aufwachte.

Da ich allerdings nicht vorhatte, irgendjemanden von der ganzen Geschichte hier zu erzählen, würde ich Clarissa auch nicht eifersüchtig machen können. Außerdem hatte ich Harrys Nähe und Aufmerksamkeit echt genossen. Ich war froh, dieses Geheimnis nun hüten zu dürfen. Diese Erfahrung gehörte mir – mir ganz alleine. Ich brauchte sie mit niemand weiteren zu teilen.

Und eben das erfüllte mich irgendwie mit Stolz.

Komisch, was?

Hate you. Miss you. Love you. | HSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt