Tee trinken und Fall lösen

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Während Philipp die alte Akte auf seinem Handy ansah und durchlas, wurde er von Johannas schwerem Seufzen abgelenkt.

„Alles in Ordnung?"

„Robert hat gerade die Akte geupdated", antwortete Johanna, „Winzlow ist vor kurzem in Mallorca verstorben. Aufgrund einer falschen Identität, verzögerte sich die Identifizierung, aber gemäß der spanischen Kollegen konnte er nach einer Gebissprobe zugeordnet werden. Er scheidet aus", erklärte sie und Philipp konnte ihrem Seufzen nur zustimmen, „Wäre auch zu einfach gewesen und das ist es ja in unserem Job nie...", murmelte er und gönnte sich einen Schluck von seinem Teebecher mit Strohhalm, der von Johanna bereits in einer Pause erneuert worden war.

„Scheint, als hätten sie damals aber auch nur Stolpersteine gehabt. Rotlichtmillieu, eine Familie die das Opfer schon beinahe so gut wie ausgeschlossen hatte, kaum bekannte Freunde. Ein Wunder dass sie überhaupt einen Verdächtigen gefunden haben", dachte er danach laut und Johanna lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Trotzdem, es muss jemand sein, der involviert war. Für einen sonstigen Anschlag auf das Team ist das viel zu viel Aufwand. Rauszufinden, wann bei dir kaum Betrieb ist im Wohnhaus, der alte Fall, Robert so ein schlechtes Gewissen reinzureden...", brummte sie und Philipp sah sie an.

„Er hat also wirklich wegen mir geweint?"

„Er hatte gerade gesehen, wie du die Panikattacke hattest. Wahrscheinlich durchs Fenster...", erklärte Johanna und Philipp legte sein gesperrtes Handy auf die Beine und lehnte sich wieder tiefer ins Kissen zurück.

„Ich konnte ihn dann ein wenig beruhigen und deine Worte haben ihn animiert...aber ja, er macht sich schreckliche Vorwürfe."

„Danke für deine Ehrlichkeit", seufzte Philipp und Johanna zuckte mit ihren Achseln. „Brauchst du ‚ne Pause?", fragte sie dann sanft und Philipp legte eine Hand auf die lädierte Seite. „Nein. Ich mach mir nur Sorgen um die Anderen...und das was mich am meisten aufregt ist, dass ich hier in diesem Bett gefesselt bin...ich hasse ja Krankenhausaufenthalte an sich schon, aber das verbessert die Lage nicht unbedingt...", knurrte er und schlug einmal symbolisch mit der Faust auf die Matratze, was dazu führte, dass die Schmerzen stärker wurde und ein Hustenanfall ihn übermannte.

„Okay! Das reicht! Pause ist angeordnet!", bestimmte Johanna in forschem Ton, nahm Philipps Handy und steckte es sich in die Gesäßtasche ihrer Baggy-Jeans.

„Ey", protestierte Philipp heiser und Johanna zog eine Augenbraue hoch. „Nix, ey! Ich bin hier zum Personenschutz und als deine Kollegin! Und wenn ich sehe, dass du ‚ne Pause brauchst, legen wir ‚ne Pause ein! Und keine Widerrede!"

Philipp starrte Johanna mit seinen eisblauen Augen an, die weit aufgerissen waren. „Das war aber jetzt schon n' bisschen Streng...", wimmerte er kleinlaut, wie ein Kind, dass zu unrecht getadelt worden war und Johanna klappte die Schutzhülle ihres I-Pads zu.

„Ich habe zwei jüngere Brüder, meinst du, ich lasse mich von deinen Hundeaugen erweichen?"

„Das sind keine Hundeaugen. Das ist Panik", erwiderte Philipp und kuschelte sich mehr in die Decke ein.

„Im Übrigen, Michael ist ja kulant mit der Arbeitskleidung...aber hatte er nicht doch was zu bemängeln? Das schwarze Shirt mit dem Regenbogen ist ja noch eines, aber die zerrissenen Hosen?", lenkte er dann ab und Johanna sah an sich herunter.

„War nicht meine Arbeitskleidung. Ich wäre jetzt am Geburtstagsfest meiner Nichte. Und die liebt es wenn ihre Tante immer in ihrem durchgeknallten Style kommt", begann Johanna zu erklären, „ich hätte eigentlich meine verlorene Wette, die wir in der Schulung gemacht hatten, eingelöst.", endete sie ihre Erzählung wehmütig und Philipp begriff sofort.

„Nicht das Band Shirt mit den..."

„...das Band Shirt mit den Unterschriften. Dazu die schwarze Jeans und die Lederjacke. Wie abgemacht, nachdem ich das Schulungsquiz gegen dich verloren hatte. Die Sachen liegen aber nun blutverschmiert in der KTU..." Mit traurigem Blick öffnete Johanna das I-Pad wieder.

Als Philipp etwas entgegnen wollte, klopfte es und eine junge, uniformierte Polizistin kam mit einem Becher und einer braunen Papiertüte in den Raum.

„Alex hatte mich gebeten, Ihnen was zu bringen, Kommissarin Schimke. Sie haben doch bestimmt Hunger! Es ist Abend und gemäß ihr haben Sie wahrscheinlich noch nichts gegessen!"

Ertappt blickte Johanna aus dem Fenster und sah die untergehende Sonne. Als sie jedoch etwas erwidern wollte, knurrte ihr Magen laut und sie lief hochrot im Gesicht an. Mit einem Grinsen, übergab die Polizistin ihr die Dinge, wünschte Philipp gute Besserung und verließ den Raum wieder.

„Und mir gerade eine riesen Predigt halten", tadelte Philipp, während Johanna sich das giftgrüne, milchige Getränk genauer ansah.

„Matcha Boba Latte mit braunen Zucker Perlen! Woher weiß sie das?", jauchzte sie, trank einen Schluck des modischen Getränkes und kaute dann genüsslich an der Perle. Danach blickte sie in die Tüte, wo ein Roastbeef Bagel mit Tartar Soße lag.

„Ich nehme an sie wird Robert gefragt haben. Und da du dich ja öfters an den Schulungstagen mit dem Zeug betankt hast, scheint ich das wieder eingefallen zu sein. Und der Bagel hattest du ja auch ein, zwei Mal."

„Eine genaue Beobachtungsgabe macht uns schließlich aus, was?", kicherte Johanna und nahm einen Biss.

„Kann man so sagen", stimmte Philipp zu und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

Ohne eine Vorwarnung, wurde er von einer Erinnerung eingeholt. Vor seiner dunklen Leinwand spielten sich Szenen des Angriffs ab. Er spürte wieder die Schmerzen und die Angst, doch dieses Mal schien alles klarer, so auch die Hand, dies das Messer hielt. Neben seinem Biss erblickte Philipp ein Tattoo.

„Rose...", murmelte er und öffnete wieder die Augen. „Hör mal, ich weiß, dass du dich vegan ernährst aber ich habe noch nie von...Rosenrezept..."

„Nein!", funkte Philipp Johanna ins Wort und sah sie an.

„Die Person die mich angegriffen hat, hatte eine Rose tätowiert. Direkt über meinem Biss im Unterarm war sie. Es war in dieser neuen, hippen Technik gestochen..."

„Line-Art?", half Johanna Philipp auf die Sprünge und dieser nickte. „Genau!", bestätigte er und Johanna legte ihren Snack auf den kleinen Beistelltisch und nahm ihr Handy hervor. „Das hilft sicher weiter!", lobte sie Philipp und wartete, dass abgenommen wurde. 

K11 - Die Jagd ist eröffnet // German fanfiction //Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt