5. Kapitel

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895 Januar Disibodenberg

Seit der Abreise von Horatio kämpfte Manfried jeden Tag aufs Neue um die Gunst von Hermanius. Seine Abneigung gegen ihn war in diesem Konvent an der Tagesordnung. Alle Aufgaben, die er erhielt, wirkten wie eine Strafe. Das Entleeren der Latrinen bereitete ihm besondere Schwierigkeiten. Der Gestank der Hinterlassenschaften der Männer ließ ihn seine Mahlzeit regelmäßig herauswürgen. Albero, der ebenfalls nicht unter dem Schutz des Abtes stand, schaufelte an seiner Seite und versuchte, dabei ihn aufzumuntern.

„K...komm Manfried, je schneller wir sch...schaufeln um so früher können wir dem Gestank entfliehen", spornte er seinen Leidensgenossen an.

Nachdem Manfried das Essen auf den Abfall gewürgt hatte, wischte er sich den Mund am Zipfel seines Umhanges ab und griff nach der Schaufel. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, beendeten sie ihre Arbeit und liefen zum Brunnen. Das frische Wasser weckte Manfrieds Geister zu neuem Leben und er setzte sich mit dem Rücken an den Brunnenrand gelehnt hin.

„Was denkst du, wann Horatio von seiner Reise zurückkommt?", fragte er Albero. Seit einer Woche wartete er sehnsüchtig auf die Rückkehr des Mönches.

„I...ich weiß nicht."

„Wenn ich noch mehr Mist schaufeln muss, werde ich bald genauso enden, wie dieser." Er war enttäuscht, von der Vorgehensweise des Abtes. Wie sollte er ein Mönch werden, wenn er nur im Dreck wühlte. War das der Weg, den er gehen musste, um Gott zu finden? Es fiel ihm schwer, die Worte von Horatio zu befolgen, die er am Tag seiner Abreise zu ihm gesagt hatte.

„Glaube an dich und erfülle alle Aufgaben, die man dir auferlegt. Unser Heilige Vater sieht alles. Nutze deine Fähigkeiten, aber zeige sie nicht. Du hast eine besondere Gabe, dir Dinge zu merken." Ob Gott ihn überhaupt sah. Wenn dann roch er ihn, da er selbst wie ein Misthaufen stank.

In dieser Nacht fand Manfried keine Ruhe. Er lag auf seinem Strohhaufen und schaute zu Albero, der neben ihm lag.

„Kannst du auch nicht schlafen?", fragte Albero.

„Nein."

„Ich bin viel zu aufgeregt. Der Abt hat mir nach der Messe gesagt, dass er mich morgen sprechen will. Gleich nach dem Essen soll ich zum Kapitelsaal kommen."

„Aber das dürfen doch nur die Mönche betreten."

„Ja ich weiß. Deshalb bin ich so aufgeregt. Ich weiß nicht was mich dort erwartet."

Am nächsten Morgen war der Himmel grau und dicke Wolken hingen über dem Berg. Die Feuchtigkeit sammelte sich in Manfrieds Umhang, als er auf dem Weg zum Stall humpelte. Jacobin war damit beschäftigt, den Tieren frisches Heu zu geben.

„Bruder Jacobin, was soll ich als erstes machen?", fragte Manfried und stand neben den Boxen der Ziegen.

„Nimm den Eimer und fülle das Wasser in den Trögen auf."

Auf dem Weg zum Brunnen schaute sich Manfried um. Er hatte Albero seit dem Morgengebet nicht mehr gesehen und hoffte, bald von ihm zu erfahren, was der Abt des Klosters von ihm wollte. Er konnte ihn nirgend entdecken. Enttäuscht schleppte er die vollen Eimer in den Stall und füllte die Tränke der Tiere. Den ganzen Tag über sah er seinen Freund nicht mehr und in seinem Kopf schwirrten die fragwürdigsten Gedanken über Alberos Verbleib. Die Ungewissheit nagte an ihm und er fühlte sich elendig. Um sich von seinen Ängsten abzulenken, befolgte er den Rat von Horatio und fing an alle Wörter, die ihm einfielen, auf Latein vor sich her zu beten. Sie spendeten ihm Trost in seinem Zweifel.

„Wo warst du? Ich habe dich den ganzen Tag über nicht gesehen. Was ist passiert?", überfiel Manfried seinen Freund, als dieser sich auf sein Lager bettete.

„Ich werde Mönch. Ab morgen beginnt meine Zeit als Novize", purzelte die Neuigkeit aus Albero heraus.

„Wirklich?"

„Sei leise. Ja ich habe es geschafft, Hermanius zu überzeugen, das es mir ernst ist, mein Leben Gott zu weihen."

„Du sprichst schon so, wie die Mönche", flüsterte Manfried niedergeschlagen, das er nicht derjenige war, den Hermanius zu sich gerufen hatte und drehte Albero den Rücken zu.

„Bist du böse?"

„Nein nur enttäuscht."

„Wenn du älter bist, wird auch deine Zeit kommen Manfried", sagte Albero und legte sich neben seinen Freund, auf dessen Lager. Dabei umschlang er die Hüfte von Manfried und zog ihn tröstend an sich heran.

„Wir bleiben Freunde und ich werde immer zu dir stehen, egal was kommt. Versprochen."

„Ich freue mich für dich", erwiderte Manfried und wischte die Tränen von seiner Wange. Die Nähe von seinem Freund beruhigte ihn und er fiel erschöpft in den Schlaf.

Der Wechselbalg im MönchsgewandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt