»11« Die Zigarette

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Dᴀᴋᴏᴛᴀ

Keuchend lassen wir uns auf einen Felsen nieder.

„Du hast gelogen. Du konntest schwimmen", murre ich leise und verschränke bibbernd die Arme vor der Brust. Noan verdreht seufzend die Augen und zieht sich sein Oberteil über den Kopf, das mich diesmal jedoch nicht aus der Bahn wirft, dafür bin ich einfach zu nass und dadurch kleben meine Klamotten wie eine zweite Haut an mir, was einfach nur unerträglich ist.

„Grad mal so. Ich kann an der Oberfläche nicht schwimmen, unter Wasser merkwürdigerweise jedoch schon", erwidert er und fährt sich durch das nasse Haar. Wir haben eine ganze schöne Strecke schwimmen müssen, bis wir diesen Felsen entdeckt haben und bereits jetzt kann ich spüren, dass ich schwerer atme, doch es wird nicht für einen Anfall sorgen, denn darum habe ich mich natürlich gekümmert. Seufzend hebe ich den Blick. Über uns befindet sich die Straße und weit in der Ferne erkenne ich die Blaulichter und den Helikopter, der im Meer nach uns zu suchen scheint.

„Ich würde dich am liebsten am Haarschopf packen, dein Gesicht einfach ins Wasser drücken und dich ertrinken lassen, so beschissen war deine Aktion", knurrt er angepisst und setzt sich neben mich hin. Schmunzelnd streiche ich mir eine Haarsträhne zurück.

„Dito! Du hast uns das alles letztendlich eingebrockt", schnaube ich, ohne den Blick vom Helikopter abzuwenden.

„Sowas kenne ich mein Leben lang, Gatinha. Die hätten uns nicht gekriegt! Na ja, jetzt ist es eh vorbei. Wenigstens haben wir alles, was wir wollten", seufzt er und legt stöhnend den Kopf in den Nacken, was ich aus dem Augenwinkel erkennen kann. „Und eins weiß ich! Ich werde nicht mehr mit dir streiten."

„Gute Idee." Ich lache leise. Mein Blick fällt auf seine geröteten Augen, die vom Salzwasser kommen müssen und seine Brust hebt und senkt sich schwer. Ein blödes Gefühl, das ich überhaupt nicht mag, überkommt mich. Schuld. „Tut mir leid. Ich wäre niemals ins Meer gefahren, wenn ich gewusst hätte, dass du kein besonders guter Schwimmer bist. Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn du jetzt wirklich ertrunken wärst, aber ich war für einen Moment nur echt kopflos und wusste nicht, wie wir entkommen könnten. Dann sah ich die Wegsicherung und mir war klar, dass dahinter das Meer ist. Dort wären wir sicher. Ich wusste einfach, dass wir dadurch entkommen werden... Und, dass dein Lamborghini jetzt am Abgrund ist, tut mir auch leid. Ich kaufe dir einen neuen Wagen, okay?"

Noan hält die Augen geschlossen, doch seine Mundwinkel kräuseln sich. Als er die sodalithfarbenen Augen nun endlich öffnet und mir ein unwiderstehliches Lächeln zuwirft, bekomme ich eine Gänsehaut. Wie kann ein Mann nur so schön sein?

„Nein, du brauchst mir kein neues Auto kaufen. Dir sei vergeben, Gatinha", lacht er heiser und wendet wieder den Blick ab. Auch meine Mundwinkel heben sich. Also gut.

„Du schienst aber ziemlich panisch geworden zu sein, als es dann ins Wasser ging." Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen, als ich daran zurückdenke, wie er geschrien hat. „Du hast wirklich die höchsten Töne getroffen, mein Freund, ich bin mir sicher, dass America's got Talent dich wählen würde, wenn du dort mal auftreten würdest."

„Mhm, sicher", entgegnet er sarkastisch und schließt wieder die Augen. Dann seufzt er leise und schüttelt den Kopf. „Ich hasse das Wasser. Es hat mir schon immer Angst gemacht, doch besonders hasse ich es, weil ich als Kind einmal ins Wasser gefallen bin. Wir wohnten recht nah an einem See und dort spielte ich mit dem Ball. Ich war vielleicht etwa sechs Jahre alt, aber ich konnte nicht schwimmen. Meine Eltern hatten nicht die Zeit dafür, mir so etwas beizubringen, sie mussten arbeiten, damit wir abends etwas auf dem Tisch hatten. Dann fiel mein Ball ins Wasser und ich versuchte ihn zunächst mit der Hand herauszuholen, rutschte jedoch mit dem Fuß am Schlamm aus und fiel kopfüber hinein. Meine Mutter hatte es zum Glück gehört und mich gerettet, sonst wäre ich heute nicht hier gewesen, aber obwohl ich gerettet wurde, hat dieser Tag mich gebrandmarkt. Ich hatte richtig Schiss vor Wasser... Doch dann hörte ich einen Satz, der mich ganz schön nachdenken ließ, nämlich, dass die Freiheit wie das Meer sei: Die einzelnen Wogen vermögen nicht viel, aber die Kraft der Brandung ist unwiderstehlich. Das hat mir mal eine sehr gute Freundin gesagt." Noan sieht noch immer in die Ferne und scheint nun tief in Gedanken versunken, denn für einen Moment wird es ganz still zwischen uns beiden.

Venganza SilenciosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt