||-30°C

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Ich schwieg, sagte nichts. Starrte nur weiterhin auf die Wand und wartete, bis er rausging. Dann schnappte ich mir den Schal, legte ihn um meinen Hals und seufzte auf. Wann habe ich mich jemals so über einen Schal gefreut? Und wieder dröhnte die Stimme aus dem Lautsprecher, dieses Mal gelangweilter als sonst.

"Das sind jetzt -30°C. Du bekommst eine Mütze, wenn du überlebst."

Ich ließ mich an der Wand hinabgleiten und spürte die Steine, die die Mauer bildeten, in meinem Rücken. Sie waren scharfkantig und wenn ich nicht aufpassen würde, würden sie mir meinen Pulli auseinander schneiden.
Mein Magen knurrte und zum ersten Mal seit drei Tagen verspürte ich wieder Hunger. Klar, die Kälte dämpft ihn, doch irgendwann musste er ja kommen.

Ich streckte meine Füße von mir und umschlang meinen Oberkörper. Mir war kalt. Schon wieder. Komisch, nicht? -30°C. So was würde ich nie wieder erleben. Die Kamera blinkte wie immer im gleichmäßigen Takt und ich kuschelte mich in meinen Schal, als wieder die eisige Luft aus dem Ding an der Decke kam. Ich hatte keine Ahnung, wie man das nannte und wollte es auch nicht wissen. Es quälte mich schließlich.

Ein kleiner Funken Hoffnung keimte in mir auf, als ich in die Kamera flüsterte:

"Ich habe Hunger."

Es war nicht mehr als ein Hauchen, doch anscheinend verstand man dort jedes Wort, denn ein Knacksen drang aus dem Lautsprecher und der Mann dahinter sagte:

"Was willst du denn?"

Es wunderte mich, dass sie mich noch fragten. Naja, aber wenn ich so eine Leistung bringe, dann kann ich mir doch schon sowas wünschen, oder?
Ich überlegte kurz, bis ich die Antwort gab.

"Burger. Und drei Bananen, bitte."

Ich hörte ein kurzes, scharfes Zischen, das in meinen Ohren schmerzte. Ich lehnte meinen Kopf wieder an die Wand und wartete. Wartete lange. Meine Augen fielen zu, doch ein schmerzhaftes Zittern meines Körpers ließ meinen Kopf nach oben schießen.
Die Handschuhe hielten zwar warm, waren aber nicht so isolierend, damit mein ganzer Körper warm war. Ich zog meine Beine wieder an und rollte mich wie die letzten zwei Tage zusammen.

"Essen ist da!", rief jemand. Ich hob meinen Kopf und stöhnte auf. Es war wieder der eine, der mir den Namen noch nicht gesagt hatte.

"Hier."

Ich setzte mich auf, mir lief bei dem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Es sah köstlich aus, auch wenn es nur ein Cheeseburger und drei Bananen waren. Für mich war es eine Köstlichkeit.

"Lass' es dir schmecken.", ließ mich der Mann wissen. Ich nickte in seine Richtung, nahm den Burger und biss kräftig hinein. Die Starre in meinen Fingern behinderte das ein wenig, doch es ging schon. Die Wärme des Burgers sprang außerdem auf meine Haut über und ließ sie kribbeln.

"Schmeckt's?"

Ich zuckte zusammen, mein Fuß stieß auf den Boden, ich stöhnte auf, da er sich verkrampfte. Diese schwarzen Augen beobachteten jede meiner Bewegungen, es machte mich nervös. Ich versuchte, es zu ignorieren. Meine Handschuhe bekamen die Brösel des Brotes ab, doch nach ein paar Mal Schütteln waren sie wieder weg. Als der Mann mich immer noch ansah und keine Anstalten machte, zu gehen, hob ich den Kopf und starrte zurück.

"Ist was?", fragte er mit seiner tiefen Stimme. Ich schüttelte nur ungläubig mit dem Kopf.

"Warum schaust du mich dann an?" Ich zog eine Augenbraue nach oben. Also wirklich! Wer schaut hier bitte wen an?!

"Du schaust m - mich an, n - nicht ich d - dich.", stotterte ich. Das Zittern meines Körpers machte das nicht gerade leicht. Ich rollte mich wieder zusammen und betrachtete meinen Atem, der in der Luft sichtbar wurde.

"Da hast du irgendwie recht. Ich bin übrigens Luke." Ein süßes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht und ich gab ihm ein leichtes zurück. Zu was anderem war ich jetzt nicht instande. Meine Gesichtsmuskeln taten mir weh, bestimmt sah das total bescheuert aus.

"Harry. Aber das weißt du ja bestimmt schon, ihr habt mich ja schließlich ausgesucht."

Meine Stimme klang monoton und als wäre ein Schalter in mir umgelegt worden, zitterte ich nicht mehr. Merkwürdig. Ich hörte ein Seufzen und kurz darauf war dieser Luke neben mir und streckte seine Füße ebenfalls aus, sodass wir gleich dasaßen. Ich mit Burger in den Händen, er ohne. Ich mit Schal und Handschuhen, er mit Stiefeln und einer Winterjacke. Ich beneidete ihn darum. Zu gerne hätte ich auch eine Jacke. Aber nein, ich bin ja das Opfer! Das machte mich traurig. Immer bin ich derjenige, der alles abbekommt. Immer.

"Harry, ich wollte nicht -" Er klang verzweifelt, fast so, als wolle er sich rausreden. Klar wollen sie das! Sie haben keine Lust, die Schuld auf sich zu nehmen! Ist doch klar.

"Nein, lass es einfach! Weißt du eigentlich, wie scheiße das hier ist?! Die Kälte u - und die L - Langeweile ... ", das Zittern hatte wieder eingesetzt. "- und d - das W - Warten auf den n - nächsten T - Tag ... "

Ich spürte, wie meine Augen feucht wurden, mit aller Kraft hielt ich sie zurück. Heulen kannst du, wenn keiner da ist! Aber mich beobachtet immer irgendwer ... Ein Finger schob sich in mein Sichtfeld und hob mein Kinn an, sodass ich in die schwarzen Augen sehen musste. Sie waren wunderschön. So tief, dunkel und ehrlich. So, wie es sie selten gab.

"Harry, ich wollte das nicht! Sie haben es per Zufall gemacht, es war so geregelt, tut mir leid." Damit stand er auf, lächelte mir nochmal zu und verschwand aus dem Raum. Wie immer... Naja, zumindest hat er mir den Namen verraten. Der Burger war schon kalt, als ich meine Zähne darin versenkte, doch ich aß ihn trotzdem auf. Die Bananen genauso. Sie schmeckten am besten von Allem. Ich liebte Bananen.

Aber irgendwann war der Teller leer und ich wieder alleine. Wie immer formte ich mich zu einer Kugel, lag da in dem Raum, auf dem kalten Boden und hatte meinen Kopf in dem Schal vergraben, die Handschuhe an den Oberkörper gepresst.

"Noch eine Stunde, Styles."

Ich wimmerte und mir wurde klar, dass ich keine Ahnung hatte, wie das ausgehen sollte. Sterbe ich? Überlebe ich? Ich wusste es nicht. Das Einzige, was ich sagen konnte, war, dass das hier die Hölle war. Und zwar wirklich.

***

Ich wachte auf, da irgendwas rauschte. Langsam öffnete ich die Augen. Mein Körper war steif und ließ sich nicht wirklich bewegen. Alles tat weh. Mein Gesicht, meine Zehen, meine Arme, Hände, Finger. Alles. Ich schluckte und lauschte den Geräuschen dieses Raumes. Die Tür wurde geöffnet und Luke kam mit einer Mütze in der Hand herein. Er kniete sich zu mir hin und stülpte sie über meinen Kopf, sah mir dabei die ganze Zeit in die Augen. Ein zittriger Atemstoß entwich meinen Lippen und ich schloss die Augen. Luke's Blick ruhte noch ein paar Minuten auf mir, bevor er etwas in mein Ohr flüsterte, das nur ich verstand:

"Ich helfe dir. Du schaffst das, ja?" Dann war er wieder weg und die Stimme aus dem Lautsprecher ertönte.

"Wir steigen jetzt auf die -40°C um. Wenn du es schaffst, bekommst du eine Jacke."

Ich schloss die Augen.

Frozen HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt