||-110°C

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Louis wandte sich von mir ab und wartete, bis Luke unsere alten Wärmeflaschen entfernt hatte und wieder aus dem Raum verschwand.

"Du magst ihn, oder?"

Lou's Blick war traurig und ich sah ihn liebevoll an.

"Niemals so sehr wie dich."

Sein Lächeln war wieder da und er kam mir näher.

"Ich liebe dich auch."

Dass wir damit die Ansage des Mannes verpasst und das Wasser vergessen hatten, war uns in dem Moment relativ egal, nur der andere zählte.

"Das sind jetzt -110°C. Wenn ihr den Tag überlebt, habt ihr das Geld. Wenn nicht - Pech gehabt!", dröhnte die Stimme aus dem Lautsprecher, ich schloss die Augen und lehnte mich an die Wand. Ich spürte nichts mehr von meinem Körper, die Schmerzen überdeckten alles und die eisige Kälte betäubte meine Muskeln, sodass ich nichts machen konnte. Es wäre schön, hier und jetzt einzuschlafen...

"Harry?"

Ich ignorierte die Stimme, wollte nur noch einschlafen und nicht mehr aufwachen.

"Harry!"

Ich atmete ein.

"HAROLD EDWARD STYLES!"

Überrascht hielt ich die Luft an, stieß sie aber gleich wieder aus und tat so, als hätte ich ihn nicht gehört.

"HAROLD...", kam es jetzt aber agressiv von Zayn und ich schwöre bei Gott - da bekommt man Angst. Richtige Angst. Ich riss meine Augen auf und krümelte mich ängstlich zusammen. Ein kleines, leises Wimmern drang zwischen meinen blauen Lippen hervor und ich presste die Augen zusammen. Mir war bewusst, dass Schläge kommen würden und so war es auch. Ein Fuß landete in meinem Gesicht, der Schock saß tief. Meine Sicht verschwamm und auf einmal war es dunkel. Alles. War. Dunkel. So, als ob es Nacht wäre. Aber ich wusste, dass das nicht so war und dementsprechend groß war meine Panik.

Bin ich jetzt etwa blind?!

Immer wieder prasselten Schläge auf mich ein, mein Bauch schmerzte immer mehr und ich spürte die Tränen, die aus meinen Augen liefen, in meine Haare wandern.

Warum tun sie das? Was habe ich ihnen getan?

"Zayn!", schrie jemand, ich vermutete Niall. Ich konnte immer noch nichts sehen und das machte mich wahnsinnig.
Die Tritte hörten auf, stattdessen vernahm man die Geräusche einer Schlägerei. Meine Brust hob und senkte sich, irgendwelche Hände strichen verschwitzte Haarsträhnen aus meinem Gesicht.

"Harry? Alles okay?"

Niall also. Der gefühlvolle, süße Niall kümmert sich um mich. Was ein Wunder. Irgendwie dachte ich in dem Moment total pessimistisch und anders als sonst.

"Harry? Schau mich an!"

Ich stöhnte, versuchte verzweifelt, meine Augen zu öffnen, doch ohne Erfolg. Alles war schwarz, dunkel, bedrohlich. Ich fühlte mich völlig hilflos. Alles, was ich wusste, war, dass ich - wahrscheinlich blutend - auf dem Boden lag und dass noch drei andere Jungs da waren.

"Niall? Was ist mit ihm?", hörte ich die besorgte Stimme von Louis und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.

"Keine Ahnung. Er macht seine Augen irgendwie nicht mehr auf ... Kein Plan, was los ist ..."

Ich stöhnte wieder und zischte auf, als irgendwer an mein Gesicht fasste. Alles tat dort weh. Es fühlte sich auch nass an. Wie der restliche Körper auch. Blut.

"Harry? Was ist los?", fragte Louis verwirrt. Er klang ratlos, aber auch panisch. Ich brachte dann irgendwie ein Stottern raus.

"K - kann nix s - sehen."

Ich hörte, wie jemand zischend die Luft einzog und Zayn einen Satz anfing.

"Soll ich -"

"DU sollst gar nichts! Du fasst ihn NIE wieder an! Was fällt dir auch ein, Harry einfach zusammenzuschlagen?!"

Louis rastete komplett aus. Aber ich empfand es als süß. Nicht jeder tut so etwas. Aber andererseits wollte ich keinen Ärger verursachen.

Ich bin kein Grund dafür. Ich bin unnötig.

"Ich wollte es n-", setzte Zayn wieder an, es gab einen Knall und jemand stöhnte auf. Kurz darauf schrie Louis wie ein Elefant aus ganzer Kehle:

"WAS WOLLTEST DU, HMM?! ICH GIB DIR GLEICH 'ICH WOLLTE ES NICHT', SO SIEHTS AUS!"

Vor Schreck zuckte ich zusammen. Verzweifelt versuchte ich immer wieder, meine Augen aufzubekommen, doch es ging nicht. Bis ich torkelnd aufstand und mit dünner Stimme sagte:

"Leute, hört auf! Ich bin es nicht wert."

Sofort war es still. Es war immer noch dunkel. Langsam bekam ich Angst und wimmerte leise auf.

"Harry? Was ist mit deinen Augen los?", fragte Louis verzweifelt und strich mir über die Wange. Ich vermutete, dass es Louis war.

"Ka - kann nix s - sehen ...", gab ich zähneknirschend von mir und wurde in eine feste Umarmung gezogen.

"Das wird schon wieder! Wir bekommen das hin, ja?"

Ich nickte, obwohl ich wusste, dass die Chancen gering waren.

***

"Louis? Kann ich dir was sagen?"

"Klar." Aus seiner Stimme konnte man das Lächeln heraushören.

"Danke."

Und damit schlief ich schließlich in Lou's Armen ein, die mich geliebt fühlen ließen.

***

"Noch eine Stunde, dann habt ihr es geschafft.", dröhnte die Stimme aus dem Lautsprecher. Meine Glieder schmerzten und ich zitterte. Louis hingegen glühte, seine Stirn war schweißnass und immer wieder huschten seine Augen von links nach rechts, als ob er dort etwas sehen würde.

"Bitte bleib stark, ja? Bitte ...", wimmerte ich und suchte nach seiner Hand. Ich konnte jetzt wieder einigermaßen sehen, auch wenn meine Sicht noch ein wenig benebelt war.

"Okay...", flüsterte er heiser und lächelte mich leicht an, was ich erwiderte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte. Zayn und Niall hatten sich auch wieder an ihn gekuschelt, der Streit von vorher war wie weggeblasen, stattdessen lag eine unausgesprochene Angst um Louis in der Luft. Niall schlief tief und fest, starkes Zittern ließ seinen Körper nicht erfrieren. Genau so ging es auch mir und Zayn, dessen schwarze Haare grau vom Eis waren und sich an mich kuschelten. Ich hatte mich doch entschieden, weiterzuleben, für Louis. Ich liebte ihn. Ganz sicher. Und das würde ich immer tun.

"Ihr habt es geschafft. Jetzt könnt ihr raus."

Ich seufzte auf, weckte die beiden Koalas auf mir und hob Louis mühevoll hoch, welcher ein Ächzen als Reaktion von sich gab. Zu dritt schafften wir es dann doch, ihn auf die Arme zu bekommen. Die Tür wurde aufgestoßen und Luke's schwarze Augen durchbohrten mich. Doch ich ging nur an ihm vorbei und kümmerte mich nicht über seine tödlichen Blicke, die er mir zuwarf. Soll er doch sauer sein!

"Louis? Lou, jetzt wird alles gut, ja?", flüsterte ich meinem Schatz ins Ohr und er nickte benommen. Sein Gesicht war hochrot und seine Augen glasig. Wärme strömte in unsere Glieder und zum ersten Mal seit elf Tagen verspürte ich wieder Freude am Leben.

"Das Geld wird überwiesen. Wenn ihr nur einen Finger gegen uns erhebt, werdet ihr es bereuen! Klar?"

Wir nickten nur und liefen mir Louis in den Armen zur Tür hinaus. Ich atmete tief durch. Es ist vorbei. Endlich vorbei.
Und es würde immer die schlimmste Zeit meines Lebens sein. Mit Sicherheit. Aber in dem Moment war mir nur eines wichtig: Louis ins Krankenhaus bringen, was wir dann auch so schnell wie möglich taten.

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