Kapitel 3

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„Uhm", er sah auf, „lässt du mich wieder los?"
Kopfschütteln, dann schlug Scarlet ihm auf den Hinterkopf.
Mit einem Stöhnen brach Percy in seinen Armen zusammen. In der Ferne hörte er Scarlet schimpfen: "Wir sind von der Festung zu weit entfernt, die Koordinaten waren falsch. Das wird ein langer Fußweg. Wenn du wenigstens Flügel hättest."
Bereits nach wenig Zeit, spürte er seinen Körper wieder, den Kopf über den Boden streifen. Als er wieder sehen konnte, war das erste was er sah jede Menge Blätter. Auch wurde er gefühlt von der Hitze erschlagen. Keuchend versuchte er aufzustehen, doch Scarlet zog ihn weiter durchs Geäst ohne es zu bemerken. Nach einer gefühlten Ewigkeit und jede Menge am Boden liegender Baumstümpfe blieb Scarlet endlich stehen. Mit treten machte Percival auf sich aufmerksam.
Scarlet sah mit seinen orangen Augen auf ihn hinab. „Sterbliche brauchen so lange um sich zu heilen", sagte er und ging weiter ohne loszulassen.
„Lass mich los!"
„Hör auf Forderungen zu stellen, Sterblicher, ich habe Ethan versprochen dich sicher zu Tushar zu bringen.", entgegnete Scarlet knapp. „Also hör auf zu meckern."
Percival zappelte noch ein bisschen, als Scarlet ihn daraufhin durch den Fluss zog ließ er es sein. Was hatte Ethan ihm bloß angetan?
Als Scarlet ihn endlich losließ sprang Percival auf und klopfte sich den Dreck ab. Dann lief er ein paar Schritte und sah das erste Mal seit er hier war begeistert um. Sie waren in einem dschungelartigen Gebiet gelandet, die Sonne brannte vom Himmel. Tief atmete er ein, der reine Duft verschiedenster Pflanzen erfüllte die Luft. Scarlet schloss kurz die Augen, lauschte und ging gezielt in eine Richtung.
Er folgte ihm, hatte aber große Probleme damit, Schritt zu halten. Die Sonne schien ihn mittlerweile erschlagen zu wollen und die Bäume spendeten auch nicht den sonst angenehm kalten Schatten. Neugierig sah er in alle Richtungen, ein paar Vögel waren ebenfalls neugierig und folgen über ihm für eine kurze Strecke. Anders als sonst griffen selbst die tierischen Jäger nicht an. Dieser Ort strahlte nur so von unberührter Natur, man konnte das Gleichgewicht deutlich spüren. Die Einwohner schienen im Einklang mit der Natur zu leben. Hier würde er sich bestimmt wohlfühlen. Sie liefen an einen umgefallenen Baumstamm über einen tiefen Fluss und fingen bei seichtem Wasser schließlich an, flussaufwärts zu waten. Wenigstens das Wasser war einigermaßen kalt.
„Also Sterblicher, warum willst du überhaupt zu Tushar? Er ist nicht der Typ, dem man blind vertrauen sollte."
Er stockte, Scarlet wiederholte gerade das was Ethan gestern erwähnt hatte. „Es ist eine einmalige Gelegenheit eine neue Kultur kennenzulernen.", antwortete er leise.
„Schon mal daran gedacht, bei Akarian eine Ausbildung zum Maniac anzufangen? Wenn du so lernfähig bist..."
Tief atmete Percival durch, den Gedanken hatte er bei seiner Ankunft im Hauptquartier auch schon, aber er war durch die Prüfung gerasselt. „Ich bin zu ungebildet dafür."
„Bildung", Scarlet kicherte künstlich, „du hast in meiner Welt gesehen, dass Bildung alleine nicht alles ist. Ich denke, wenn du Akarian einen Bericht ohne Vorlage vorlegst, wird er es sich überlegen."
„Aber-„
„Keiner verschmilzt so sehr mit seiner Arbeit wie Akarian.", sagte Scarlet. Eine Pause. „Tushar ist nicht der Typ, dem man vertrauen sollte.", wiederholte er. „Er ist dafür bekannt, Kämpfer einzuladen, die sich zuvor im Rat einen Namen gemacht hatten."
Er stutzte und wurde fast von der Strömung umgeworfen. Scarlet machte eine ähnliche Aussage wie Nicolae, dabei hatte Scarlet die letzten Jahrtausende in seiner Welt Groll gehegt. Erneut fing er an, an seiner Entscheidung zu zweifelt. Die voneinander unabhängigen Aussagen verunsicherten ihn sehr. „Wie komme ich eigentlich wieder weg?"
Scarlet ignorierte seine Frage. „Klettere auf den Baum dort, dann dürftest du schon die Umrisse sehen."
Percy packte eine über dem Wasser hängende Liane und hangelte sich an ihr hoch bis zu den Ästen. Von den Ästen kletterte in die Baumkronen hoch. Tatsächlich, an einem See in naher Entfernung konnte er die Umrisse einer Burg erkennen. Sanft landete er wieder auf den harten Steinen des Flusses.
Scarlet sah ihn ausdruckslos an. „Was denkst du?"
„Tushar ist wirklich einfallsreich."
Lautes Seufzen. „Ich hoffte, es würde dich als Konsument abschrecken in einer Burg ohne Strom und fließend Wasser bei brühender Hitze zu leben. Offenbar nicht.", sagte er, zog Percy am Arm zu sich und zeigte in eine Richtung. „Siehst du die Felder? Du musst dort Richtung Süden, dann solltest du schon bald zu Tushars Festung kommen. Ich habe Ethan versprochen dich hinzubringen, aber die Sonne brennt vom Himmel."
Mit einem Handschütteln verabschiedete er sich von Scarlet, bevor er den vorgegebenen Weg einschlug. Aus den Augenwinkeln konnte er noch sehen, wie sich Scarlet auflöste.
Er folgte die angegebene Richtung durch die Felder. Einige Felder später kam er an einen steinernen Weg. Als der Himmel sich orange färbte, erreichte er endlich Tushars Festung. Dort wurde er bereits von Wachen empfangen. Diese brachten ihn ohne ein Wort durch die Stadt in ein sehr großes Gebäude aus Sandstein. Per Kopfbewegung öffnete sie das Tor und leitete ihn durch die Burg. Sie kamen an einem Innenhof vorbei, in dem viele Kinder und Jugendliche lachend miteinander spielten. Anders als er es kannte schien von den Jugendlichen keiner wegen der Kleinkinder genervt zu sein. Tushar hatte es wirklich geschafft eine Gemeinschaft zu halten, wo Frieden und Fürsorge an erster Stelle steht. Eines der Kleinkinder fiel hin und fing an zu schreien. Ein Jugendlicher lief zu dem heulenden Kind, nahm es auf den Arm und schaffte es das Kleine zum Lachen zu bringen. Die Wachen leiteten ihn weiter durch die Gänge, bis sie an einer großen Türe ankamen. Eine Wache klopfte, dann traten sie ein.
Mit gekreuzten Beinen in einem mit Fell überzogenem Stuhl saß Tushar, König von Scipio „Und, angenehme Anreise?"
„Es war etwas", er runzelte die Stirn, „umständlich."
„Gut", Tushar winkte die Wachen hinaus. „Was erhoffst du dir von deiner Anwesenheit?", fragte er interessiert.
Percival runzelte die Stirn. „Du hast doch nach mir geschickt."
„Stimmt, aber ohne Grund wirst du doch nicht herkommen."
Als Antwort schwieg Percival.
„Jedenfalls, lass dich mal anschauen.", Tushar musterte Pevrè aus seinen gelben Augen. „Groß, schlank, gut gebaut. Du hast zwar Mischlingshaut, aber das ließe sich ausgleichen."
Er verstand Garnichts mehr. „Was ließe sich ausgleichen?"
„Deine Hautfarbe natürlich. Nicolae hat dich nicht ohne Grund hergeschickt. Ich habe dich für meine Zucht bekommen."
Ihm stellten sich alle Nackenhaare auf. „Das kann nicht sein. Ich bin hier wegen einem Kulturaustausch, das-"
„Keine Sorge", Tushar klopfte ihm auf die Schulter. „Die Frau die ich für dich ausgesucht habe wird dir gefallen. Und um die Kinder brauchst du dich nicht zu sorgen, sobald deine Partnerin schwanger ist kommst du wieder nach Hause. Bis dahin", zwei Wachen kamen herein, „Ruh dich aus. Später kannst du dann deinen Mann stehen." Die Wachen führten ihn viele Zweige entlang in ein größeres Zimmer. Die Einrichtung dort war simpel, ein Bett, ein herabgekommener Schreibtisch mit Kerze, und eine Toilette. Es gab nicht mal ein Fenster. Er schmiss seine Tasche weg und schrie seinen Ärger heraus. Zucht! Er war doch kein verdammtes Tier! Die Warnungen waren doch begründet gewesen, Tushar war ein verdammter Heimlichtuer.
Eine Wache öffnete die Türe. „Sire, wir hatten vergessen Sie zu Registrieren. Die Schuhgröße ist am wichtigsten, der Rest ist zweitrangig. Also ziehen Sie bitte Ihre Hose aus."
Ok, das reicht! Er zog sein Messer und schleuderte es der Wache mit voller Kraft an den Kopf.
Dieser fing es jedoch mit zwei Fingern vorher ab. „Netter Versuch." Ein leises Zischen, dann explodierte das Messer. Die Splitter flogen in alle Richtungen, schnitten der Wache, die das Messer noch auf Kopfhöhe gehalten hatte den Kopf auf. Blut rann das Gesicht herunter, größere Splitter ragten heraus.
Schnell rannte Percival aus dem Zimmer durch die eiskalten Gänge, von der Hitze außerhalb war überhaupt nichts zu spüren. Er hasste es diese Messer zu verwenden, aber der Zweck heiligt die Mittel, und er musste dringend hier raus.
„Halt!" Zwei Wachen liefen ihm mit gezogener Waffe hinterher. Ihnen schlossen sich mehrere Kollegen an. Diese verschwanden aber ein paar Gänge weiter wieder. Zwar hatte er sich den Weg nach draußen gemerkt, aber sie hatten den Heimvorteil. Wahrscheinlich kreisten sie ihn ein, er musste also einen anderen Weg suchen. Nun fingen sie an auf ihn zu schießen verfehlten ihn aber immer knapp und es war immer nur auf einer Seite. Sie versuchten ihn gezielt in einen der Gänge zu treiben. Er musste raus aus dem Feuer und es gab nur einen Ausgang, wo sie nicht feuern durften. Schnell nahm er den Gang zum Innenhof, dort hatte er die Kinder und Jugendlichen vorhin spielen sehen. Mit Glück taten sie es noch immer. Die Kinder beachteten ihn gar nicht als er vorbeilief, manche warfen ihm ein paar neugierige Blicke zu aber mehr auch nicht. Waren diese Kinder auch gezüchtet worden? Mit jedem Kind, das er sah, wurde sein Hass auf Tushar größer. Die Wachen hatten mittlerweile ihre Waffen eingesteckt und suchten vom Rand aus nach ihm. Also durften sie Tushars Züchtungen nicht einschüchtern oder verletzen. Das war gut zu wissen. Die Wachen fingen an die spielenden Kinder zu durchstöbern. In geduckter Haltung lief Pevrè in die Richtung, in der er den Ausgang vermutete. Kaum hatte er den Ausgang erreicht, entdeckten die Wachen ihn und schien ihm etwas hinterher, gleichzeitig schubsten sie nun die Kinder aus dem Weg. Er lief den Weg zurück, vorbei an den geschmückten Frauen, durch das Tor hinaus. Viele Landsleute schreckten hoch als er mit den Wachen im Rücken an ihnen vorbeikam. Als er in eine enge Gasse abbog, stand dort ein stämmiger Mann und baute sich vor ihm auf, wahrscheinlich wollte er den Wachen helfen. Durch einen Satz an der Wand neben ihm sprang er über den Mann und lief weiter. Der Einwohner würde nun seinesgleichen behindern. Gut für ihn. Ein Blick nach hinten, tatsächlich, sie schrien ihren Mann an, da sie ihm nicht folgen konnten. Wo war er überhaupt? Gekonnt kletterte er an einer Regenrinne hoch bis zum Flachdach. Auf diesem stieg er auf die dort gespannte Wäscheleine und balancierte zum nächsthöheren Dach, bedacht nicht aufzufallen. Und um sich einen Überblick zu verschaffen. Er war in der Nähe der Stadtgrenze, die Bäume waren nicht zu übersehen. Sollte er den Weg über die Felder nehmen? Nein, Wald war sicherer, auf dem Feld war er eine perfekte Zielscheibe. Vorsichtig sprang er auf das tiefere Dach, von dort kletterte er die Ziegelsteinmauer hinunter. Beim Überblick war ihm auch ein Basar unter ihm aufgefallen und lief in diesen hinein, an Teppichen, Seide und Früchten vorbei. Nach ein paar Metern sah er sich genauer um, von den Wachen keine Spur. Die Einwohner beäugten ihn argwöhnisch, würden sie ihn verraten?
Ein Händler packte ihn am Arm und zog ihn in sein Haus. „Was machst du hier? Verschwinde!" Der Fremde hatte einen so starken Dialekt, dass Pevrè ihn kaum verstand. „Hör zu, ich helfe dir hier raus, aber dann lauf! Verstanden?"
Es dauerte eine Weile bis Pevrè die Worte verstand. „Danke Ihnen."
Der Fremde öffnete ein Fenster, warf eine Schlinge über den gegenüberliegenden Kamin und straffte das Seil. „Bleib auf den Dächern."
Pevrè nickte und balancierte das Seil hinauf, direkt über den Köpfen der Händler hinweg zum Kamin. Dort band er das Seil wieder los und befolgte den Rat nur auf den Dächern zu bleiben liebend gerne. Bedacht darauf im Schatten zu bleiben sprang er von Flachdach zu Flachdach, bis er endlich am Stadtrand ankam. Vom letzten Dach packte er eine Liane und schwang sich hinunter, doch er hatte sie falsch gegriffen. Die Liane entglitt ihm am höchsten Punkt. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ er sich fallen und rollte sich vom Boden ab, bevor er weiterlief. Wo ging es nochmal zum Wald? Ach, was solls, im Dunkeln würden sie ihn sowieso nicht so leicht finden. Gähnend ging er dem Mond entgegen, vielleicht fand er noch einen Unterstand, in dem er schlafen konnte. Nach einem langen Fußmarsch kam er in ein Dorf, fand einen offenen Stall und legte sich ins Stroh. Nach einer Weile wurde dieses warm, langsam konnte er einschlafen. Kaum hatte er die Augen geschlossen, trat ihm jemand gegen den Kopf. Mit einer bösen Vorahnung öffnete er die Augen und seufzte verbittert innerlich.
Um ihn herum standen eine Menge Wachen. Der, wo anscheinend ihr Anführer war, zog ihn unsanft auf die Beine. „Mitkommen.", befahl er und zog Percival mit sich. Auch weitere Wachen griffen Percivals Arme damit er nicht schlagen konnte. Nach einer Weile und gefühlten Ewigkeit Schweigen kamen sie wieder in der Festung an, die gesamte Burg war von Fackeln erhellt. Sie zerrten Percival in Tushars Thronsaal, drückten ihn auf die Knie.
Tushar saß mit überkreuzten Beinen auf seinen Thron, der zuvor noch nette Blick erinnerte ihn nun Nicolaes Blick wenn er über den Schreibtisch sah. „Was sollte das? Du kleiner Mensch, dachtest du wirklich, du kannst mir entkommen? Du bist hier in einer geschlossenen Dimension!" Er rieb sich die Augen und seufzte, mit gesenkter Stimme fuhr er fort: „Das besprechen wir Morgen.", Tushar klatschte, dann brachten die Wachen Percival auf seine zeitige Unterkunft.

Elemantary Chroniken Buch 2 - PercivalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt