Kapitel 5

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„Ja, das hast du."
Warte was? Schockiert sah er die schwarzhaarige Schönheit an. Hatte er das gerade laut gesagt?
„Indirekt ja, hast du."
Was war hier bloß los?
„Ich habe alles aus meiner Liste durch, lass uns zurück zum Hof gehen."
Erleichtert atmete Percival aus. Genau auf diesen Satz hatte er gehofft.
„Pack noch schnell deine Sachen ein."
„Dürfte ich mich noch umziehen?"
„Natürlich.", sie drehte ihm den Rücken zu.
So hatte er das nicht gemeint. Egal. Schnell zog er das Männerkleid aus und wechselte in seine gewohnte Uniform und legte auch seine Waffen wieder an.
„Leg die Einheimischen Kleidung einfach neben die Tasche aufs Bett."
„Ok.", er legte das Kleid auf besagtem Ort ab. „Gehen wir?" Sie nickte zustimmend. Petunia öffnete die Türe und schwebte hinaus. Schnell folgte er ihr, um sie in dem Getümmel nicht am Ende doch zu verlieren.
Sie bog schließlich in eine einsame Straße ab, dort hob sie eine Steinplatte aus dem Boden. „Nach dir!"
Er starrte in das Loch, eine Leiter führte in schwarze Tiefe. Verdutzt stieg er die Leiter hinunter. Wie stark war die Frau denn bitte? Zusammen mit dem Knall der schließenden Steinplatte landete Petunia vor ihm und tanzte den Gang entlang.
„Ist es nicht schön, sein Leben lang verwöhnt zu werden?", fragte er zögerlich.
„Normalerweise schon, aber seitdem Sciperin wegen dem Tod seiner Eltern Verlustängste hat, darf ich mein Zimmer ohne Begleitung nichtmehr verlassen, die Stadt und alles was nicht im Gebäude ist, ist tabu. Der Rest von uns, der zuvor bei Hof gelebt hat, ist in alle Welt geflohen.", murmelte sie traurig. „Lucius stand manchmal auf meinem Balkon und hat sich mit mir unterhalten, aber sonst habe ich ihn seitdem nichtmehr gesehen."
„Tut mir Leid dass ich dich zurückbringen muss", murmelte Percy genauso leise, „Und ich dachte, das wäre eine fingierte Prüfung." Schweigend und mit dem Versuch nicht weiter zu fragen, folgte er ihr durch den mit Fackeln beleuchteten, gefühlt unendlichen Gang. Jeder Meter glich dem anderen. Wer sagte ihm, dass er überhaupt vom Fleck kam? Auf einmal sprintete Petunia den Gang entlang, obwohl er nicht einmal sagen könnte, ob ihre Füße überhaupt den Boden berührten. Schnell lief er ihr hinterher, selbst als betitelter Sprinter hatte er große Mühe ihn zu folgen. Nach einem gefühlt unendlichen Marathon blieb sie endlich stehen. Keuchend gesellte er sich wenig später zu ihr. Sie zog an einer Fackel woraufhin sich eine Wand verschob. Er trat hinaus, in ein komplett schwarz eingerichtetes Zimmer. Schwarze Wände, schwarze Vorhänge, schwarzer Teppich... könnte Saemels Zimmer sein, immerhin hatte er es noch nie gesehen. Nachdem Petunia aus der Wand zur Türe ging, schloss sich die Wand wieder. Ob man sie von dem Zimmer aus wieder öffnen konnte? Mit einer Kopfbewegung bat sie ihn, ihr zu folgen. Er trat nach ihr auf einen Steingang hinaus und sah sich um. Sie waren wieder in einem Dorf nahe Tushars Festung gelandet. Er biss die Zähne zusammen, nach den seltsamen Gesprächen vorher musste er einfach fragen: „Kannst du Gedanken lesen?"
Sie kicherte leise. „In der Tat, das kann ich. Jeder Gegenweltler hat eine besondere Eigenschaft."
Er nickte. In ihrer Nähe würde er ab sofort versuchen, nicht mehr zu denken.
Sanft nahm sie ihn in den Arm und breitete die Flügel aus. Sie war deutlich stärker als ihr zerbrechliches Aussehen vermuten ließ.
Wenige Felder später setzte sie ihn vorsichtig vor dem Eingang der Burg ab, klopfte und mit einem nicken traten sie ein.
Sofort stürmten ihnen Wachen entgegen. „Miss Petunia, wo waren Sie?"
„Spazieren", erwiderte Petunia kalt und zog Percy mit sich an den Wachen vorbei zum Raum in dem Tushar bisher immer war. Zu ihrem Entsetzen donnerte ihnen bereits vom weiten dessen scharfe Stimme entgegen: „Wo ist sie?", danach das klatschen einer Gerte. Entsetzt liefen sie in den Raum. Lucius wurde in Ketten von Wachen festgehalten, während Tushar auf mit der Gerte auf ihn einschlug. Sciperin stand in der Ecke und sah zu.
„Hört auf, ihr wisst doch dass er Angst vor Körperkontakt hat.", schrie Petunia verzweifelt in den Raum.
Sofort waren alle Blicke auf sie gerichtet.
Tushar ließ die Gerte fallen, „Wo warst du? Wir haben uns Sorgen gemacht." Auf ein Handzeichen machten die Wachen Lucius los. Dieser verharrte noch eine Weile in der Position, bis er aufstand. Mit geschlossenen Augen stand er im Raum und straffte die Schultern. Gerade als sich die Blicke abwandten, ging er in einer merkwürdigen Schrittfolge auf die Wache zu. Diese sah ihn bloß an. Eine Weile passierte nichts, dann schlug Lucius der Wache seine Krallen in die Brust und warf dessen Herz auf den Flur. Die zweite Wache stürmte auf ihn zu, wurde jedoch mit einem gezielten Biss fast enthauptet.
Panisch versteckte Percival sich hinter Petunia, die schützend die Flügel über ihn legte. „Das wollte ich euch noch sagen, er steht seit längerem nicht mehr unter Medikation.", beteuerte sie.
Tushar straffte die Schultern. „Sciperin, kümmere dich um ihn, er steht unter deinem Kommando."
„Hat jemand von euch etwas Starkes vom Geruch her, Harz oder so?" Percival blinzelte mehrmals, Sciperins Stimme klang seltsam rauchig, „Ohne brauche ich nicht anfangen." Kaum hatte Sciperin den Satz beendet, flog Lucius über sie hinweg, verließ über ein Portal die Dimension. „Oder auch so. Wenn der Aggro jetzt etwas anstellt, bin immerhin nicht ich verantwortlich."
Tushar gähnte. „Menschenskind, Sciperin wird dich jetzt zu deinem Auftragsort bringen, deine Klamotten sind bereites dort."
„Wohin geht es?", wiederholte Percival zum zigsten Mal heute seine Frage.
„Du hast die Prüfung bestanden, das ist die Hauptsache." Tushar ging zu seinem Thron und ließ sich auf diesen nieder. „Kommen wir nun zu deinem Auftrag. Es gibt in Corelès Weltenbezirk eine Person, die uns vor sehr langer Zeit hintergangen hat. Obsidian... Amethyst... warum nur? Ich kann keinen meiner Männer in dieses Gebiet schicken, ihr Dialekt ist zu auffällig und ich möchte mit Corelè keinen Streit anfangen", ein lächeln, „Ich mag es. Es erinnert mich an einen wandelnden Blumenstrauß."
Corelè? Den Namen hatte er noch nie gehört. „Warum >es<?"
„Ich sagte er! Hast du was an den Ohren?"
Da war aber jemand zickig. Percival war verwirrt. „Also hast du einen Maulwurf bei Corelè und ich soll ihn beseitigen? Warum sollte Nicolae das nicht wissen, ich werde öfters für Aufträge in anderen Gebieten eingesetzt. Wäre nichts Neues."
Bedrohliches Schweigen, ein böses Blitzen in dunkelbraunen Augen. „Corelès Welt ist neutrale Zone. Wer dort parteiisch angreift bekommt es mit dem gesamten Rat zu tun, deshalb keiner von mir."
„Nicolae in die Schuhe schieben, sehr nett!"
Tushar schnaubte verächtlich und machte eine wegwerfende Bewegung. „Nicolae steht unter Ethans Schutz, dadurch regieren beide. Es muss jeder etwas anstellen damit sie vom Rat Ärger bekommen." Hoffentlich war das nicht schon die nächste Lüge. „Außerdem bist du klug genug um dich nicht erwischen zu lassen. Richtig angestellt kriegst du also keine Probleme."
Hm... „Und was soll ich genau machen?"
„Anweisungen auf dem Zettel. Machst du es jetzt oder nicht?"
Corelè schien einen großen Einfluss zu haben. Dennoch... Hatte Tushars Ziel sich dorthin zurückgezogen, weil es von Corelès Position wusste? Sollte er den Auftrag annehmen? Mal schauen, was er machen musste. „Ich nehme an. Wo muss ich hin?"
„Sciperin wird dich hinbringen. Anweisungen wie gesagt Zettel."
Percy hob den Finger. „Eine Bedingung. Ich mache den Auftrag wenn Saemel dafür von deiner Abschussliste gestrichen wird."
„Ich habe einen anderen Vorschlag, du-„
„Streichen oder ich gehe."
Sciperin räusperte sich. „Lass den Drecksbengel doch wieder in Ruhe. Hauptsache Vater wird gerächt!"
„Jaja, der Bengel kann dann zurück. Los jetzt!"
Was für Idioten. Hauptsache Sammy konnte bald wieder zu seinem Rückzugsort.

Eine Weile gingen sie zusammen mit Petunia durch die Flure.
"Also", sie klopfte ihm auf die Schulter, „ich muss mich jetzt wieder um die Kinder kümmern. Wir sehen uns." Elegant schwebte Petunia davon, genauso wie Saemel war auch sie barfuß gewesen.
Ein kurzes Winken, das noch von Petunia erwidert wurde, dann folgte er Sciperin weiter durch das Gebäude.
„Wir fliegen!" Sciperin packte ihn unsanft am Arm, zerquetschte ihn fast, und flog los.
Er fühlte sich nicht wohl dabei, mit baumelnden Füßen am Arm gepackt von einem Fremden in sehr großer Höhe getragen zu werden. „Wohin fliegst du?"
Schweigen.
Schon klar, nach vorhin hatte er Sciperins Vorliebe zum Schweigen vergessen. Nach einer gefühlten Ewigkeit war inmitten von Bäumen die nächste Siedlung zu sehen. Schon wieder dorthin?
Sciperin veränderte die Flügelstellung, ging in einen steilen Steigflug. Sie wurden noch im Steigflug in strahlendes Licht getaucht, dann waren sie in einer anderen Welt. Neugierig sah er sich um. Wasserfälle liefen diagonal zu Platten, Wände waren in allen Positionen vorhanden. Ganz am Boden war ein violetter Strudel, aus dem Nichts ragten Säulen ins unendliche hoch. Sciperin war ein... Gegenweltler? Kein Wunder, dass er seine Gestalt nicht kannte, ältere Gegenweltler zeigen sich vor Fremden nicht gerne.
Sciperin flog eine Kurve, schien etwas zu suchen, dann in Richtung Decke. Diese begann sich optisch zu verflüssigen und wie ein Spiegel zu wirken. Es sah aus wie ein Portal von unten, vielleicht war es das auch. Immerhin flog Sciperin direkt hinein.
Erstaunt sah Percy sich in der realen Welt um, sie waren ganz woanders, deutlich weiter von Zuhause entfernt als gedacht, der Ort war ihm vollkommen fremd. „Wo sind wir?"
Sciperin setzte ihn ab. „Dort wo du hingehörst!", schnauzte er  und flog eine erneute Kurve, bevor er im Nichts verschwand.

Elemantary Chroniken Buch 2 - PercivalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt