Kapitel 8

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Nervös sah er sich um. Er stand auf einer blutgetränkten Wiese. Ein starker Windstoß nahm dem Feld alle Farbe, alles um ihn herum wurde grau. Nach ein paar Schritten stand er auf einem Vorsprung, laute Geräusche, Lichtströme und Blitze kamen ihm entgegen, in einem unermüdlichen Fluss fielen Leichen vom Himmel. Am Himmel trafen zwei personenähnliche Energieströme immer wieder aufeinander, Pfeile schossen fast durchgehend in deren Richtung. Links von ihm schwebten sieben Wesen in rot – schwarzen, eisblauen, goldenen, schwarzen, grünen und leichenweiß gehüllt und sahen dem Geschehen zu, rechts von ihm konnte er ganz klar die Geister erkennen. Über den Kriegern am Boden, welche die Pfeile schossen, waren ebenfalls acht (oder waren es mehr?) verschwommene Wesen welche es den Personen unter ihnen gleichtaten und mit Energieblitzen schossen. In der Mitte zwischen Himmel und Erde flog ein in Schatten gehüllter Engel und zog seine Kreise. Was hatte das zu bedeuten? Warum sah er das? Ein energiegeladener Pfeil kam ihm entgegen und wollte ihn zerfetzten.

Schweißgebadet schreckte er hoch und sah sich um. Er saß auf dem Sofa, vor ihm lagen die Informationsblätter, auf dem Bett hatte es sich Sirlo als Phönix breitgemacht und döste vor sich hin. Schnell schrieb er den Traum in Stichpunkten auf und legte den Zettel am Rand vom Tisch. Mit einem lauten Gähnen stand er auf, schnappte sich den Stadtplan und verließ leise das Apartment. Alleine aus Gewohnheit begann er die Treppe hinunterzuspringen, irgendwie hatte er Angst davor das Gebäude zu verlassen.
Kaum trat er einen Schritt aus der Türe, wurde er sofort zurückgeschubst. Nette Genossen. Nach ein paar Versuchen schaffte er es dann auf die Straße zu kommen. Kurz prägte er sich das Gebäude ein, dann strömte er dem nächstgelegenen Café entgegen und ergatterte einen freien Platz. Nach einer kurzen Bestellung und einer Bitte hatte er einen Stadtplan vor sich, mit einem Milchkaffe. Zeit, sich mit dieser neuen Umgebung vertraut zu machen, auch wenn diese Karte eine andere Legende hatte als er sie kannte. Dennoch, so schwer konnte es nicht sein, sie richtig zu entziffern. Notfalls fragte er Sirlo, dieser schien ja alles zu wissen. Als sein Kaffee leer war, hätte er den Plan am liebsten zerrissen. Die Legende war eine Katastrophe!
Schnaubend stand er auf, klemmte sich die Karte unter den Arm und kämpfte sich gegen den Strom zurück zu seiner Unterkunft. „Sirlo", er riss die Türe auf, Sirlo saß am Fenster und ließ die Füße baumeln. „Was machst du da?"
„Nachdenken.", antwortete Sirlo leise. „Ich habe das Gefühl, dass bald etwas Großes passieren wird. Und mein Gefühl hat mich noch nie getäuscht."
Er setzte sich neben ihn. Die Höhe und die Tatsache, dass alles unter ihnen wie Punkte aussah, machte ihm nichts aus. Er war so oft schon geflogen worden, allein Nicolaes Turm lag höher als diese Gebäude es waren. Sollte er Sirlo von seinem Traum erzählen? Gut, dieser konnte wahrscheinlich mehr damit anfangen als er. „Sirlo, ich habe heute Nacht etwas komisches geträumt.", fing er an zu erzählen.
Die violetten Augen ruhten auf ihm. „Ich bin ein Zeitreisender und kein Traumdeuter. Bei Visionen kann ich helfen."
„Hör mir doch einfach zu, ich denke, du kannst am besten einordnen ob es eine Vision ist." Tief atmete er durch, nur schwer konnte er sich an diesen mysteriösen Traum erinnern. „Es war bloß eine Szene, verschiedenfarbige Energiewesen kämpften gegeneinander, manche waren Engel, aber was mich am meisten faszinierte war der im Schatten verhüllte Engel, der unter den beiden personenähnlichen Energieströmen flog."
Sirlo atmete tief durch. „Ok, das wird schwer mit den wenigen Informationen. Verschiedene Farben bei Energie steht für Elemantary, jedes Element seine eigene Färbung. Rot steht für Raum, schwarz für Tod, blau für Zeit. Dann allerdings gibt es für Gegenweltler diesen Code nicht, die Farbe richtet sich nach Lebensraum. Also, schreib die Szene auf soweit du sie noch weißt, dann kann ich sie kombinieren."
Percival nickte, holte sich ein Papier und begann auf dem Mosaiktisch zu schreiben, dabei strich er immer wieder durch und korrigierte. „Ganz nebenbei, kannst du mir später den Stadtplan erklären, ich bin daran verzweifelt."
„Sicher. Ist nicht so schwer."
Er stockte kurz, schüttelte den Kopf und legte den Stift hin. „Sirlo, mal eine andere Frage. Was bedeuten die violetten Augen? Du bist die zweite Person die ich kenne, die diese Farbe hat."
Sirlo drehte sich ihm zu. „Sei froh, violette Augen stehen für einen Fluch."
„Tut mir Leid, ich-„
„Den Fluch, den eigentlich nur Wächter haben: Alles und jeden zu überleben."
Percival schluckte, dann wandte er sich schnell wieder dem Blatt zu. Sirlo klang gerade leicht genervt. „Also, ich habe das gröbste zusammen", murmelte er leise. Gerade als er Sirlo das Blatt geben wollte, fielen ihm seine Notizen wieder ein und er hielt Sirlo die Notizen hin.
Dieser riss sie ihm aus der Hand, las es durch und schnaubte. „Das habe ich schon vermutet. Also lag mein Gefühl richtig. Du hast es gesehen, also musst du es noch erleben, dass heißt es findet in naher Zukunft statt."
„Was heißt, noch erleben? Werde ich bald sterben?", fragte er entsetzt, er war doch erst um die zwanzig.
„Menschen sterben schnell.", erwiderte Sirlo knapp. „Je älter Wesen werden, desto höher ist die Zeitrechnung. Eure Menschenjahre sind die geringsten."
„Wer ist dein Vater?", fragte Percival, einfach um die entspannte Atmosphäre auszunutzen.
Kopfschütteln. „Du fragst sicher wegen meiner hellen Färbung. Das hat mit meinen Eltern nichts zutun. Ich bin ein Albino, hätte ich keine violetten Augen, wären es rote gewesen."
„Verstehe", er warf sich aufs Bett. „Noch eine Frage, dann lasse ich dich in Ruhe. Wie soll ich in den Personenmassen eine einzelne Person finden?"
„Mach dir darüber keine Sorgen, das wird sich mit der Zeit ergeben."
Verwirrt über die Aussage streckte er sich einfach nur und sah die Decke an. Es schien nicht so, als dass Sirlo die nächsten Tage wieder verschwinden würde. Vielleicht war das gut, vielleicht auch schlecht. Er konnte den Zeitreisenden einfach nicht einschätzen, und das bereitete ihm Sorge.

Elemantary Chroniken Buch 2 - PercivalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt