Laut seufzend ging Percival einfach los, jedes Mal wenn er geflogen wurde landete er im Nirgendswo. Von irgendwoher kamen Rauch und Motorgeräusche. Schnelle lief er ihnen entgegen, er war doch nicht mitten im Nirgendwo gelandet. Die Geräusche wurden durchgehend lauter, dennoch konnte er nichts sehen, als hätte er es sich bloß eingebildet. War er durch die Luft der Zwischenwelt auf Drogen? Muss ja sein, immerhin verstummten die Geräusche und vor ihm tauchte ein Berg mit hochlaufendem Wasserfall auf, mitten aus dem Nichts wohlgemerkt. Er berührte das Wasser, es floss von unten gegen seine Handfläche, bildete er es sich wirklich nur ein? Es wirkte so... real. Der Wasserfall floss jedenfalls nach oben, das heißt - er legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf - oben müsste er weiterfließen auf Fläche. Er musste dort hoch!
Entschlossen fing er an sich an den Steinen neben dem Wasserfall hochzuziehen. Manche waren mit Moos überzogen, andere glitschig oder locker. Stöhnend zog er sich hoch, auf jeden Fall hatten sie alle eines gemeinsam: Sie waren alle spitz. Noch dazu brachen sie unter ihm ab, wenn er versuchte sein Fuß abzusetzen. Er sah nach unten, Sprühregen befeuchtete sein Gesicht. Noch wenige Züge, dann war er endlich oben, entgegen seiner Erfahrung klatschte ihm nicht Massen Wasser zwischen die Finger und Steine. Stirnrunzelnd stützte er sich auf den oberen Felsen, legte sich hin und sah in den wolkenlosen Himmel. Theoretisch hätte er es sich einfach machen können immerhin lief das Wasser nach oben. Wäre ein guter Auftrieb gewesen. Nach einer kurzen Pause stand er wieder auf und lief am Fluss entlang. Er floss in dieselbe Richtung wie der Wasserfall, irgendwie faszinierend. Hätte er einen Zettel dabei gehabt hätte er es sich notiert. Vielleicht ein andermal. Vor ihm reflektierte sich etwas im Sonnenlicht, zunehmend wurde es kälter. Das Reflektierte wurde greller, mittlerweile musste er sich die Hand vor Augen halten um etwas zu sehen. Schnee... das vor ihm war Schnee. Aber... hier war es für Schnee viel zu warm. Egal, was die Natur plant zieht sie auch durch. Eine Ewigkeit ging er am Fluss entlang, bis auf die zunehmende Kälte änderte sich nichts. Erschöpft fiel er auf die Knie und legte sich hin, er konnte keinen weiteren Schritt mehr gehen. Müde drehte er den Kopf zur Seite und schloss die Augen während er die Hände auf den Bauch legte. Das war seine gewohnte Schlafposition, wenn er draußen schlief half sie ihm beim Entspannen.
Etwas schnaubte ihm ins Gesicht. Verschlafen öffnete er die Augen, er fühlte sich viel besser als gestern. Über ihm standen ein paar Pferde und schnaubten ihn an. Wildpferde? Die kamen ihm sehr gelegen. Sehr langsam setzte er sich auf, bloß keine schnellen oder ruckartigen Bewegungen sonst ist die Herde weg. Als er nach wie vor langsam aufstand wichen die Pferde zurück, mehr aber auch nicht. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor dem anderen, dabei streckte er unmerklich einen Arm aus und gab eine Art Vogelgezwitscher von sich in dem hoffen, dass es den Vogel hier gab. Anscheinend nicht, denn die Pferde wirkten verwirrt. Als er nah genug an einer Stute war, ließ er seinen Arm vorschellen, lief mit dem fliehenden Pferd mit bis er die Mähne zu fassen bekam und sich auf den Rücken der entgeisterten Stute schwang. Diese versuchte buckelnd ihn abzuwerfen, schaffte es aber nicht. Fest packte er sie an der Mähne und zog sie auf die Hinterhufe und beugte sich zu ihrem Ohr. „Ich werde dir nichts tun", flüsterte er leise, „ich möchte bloß in die nächste Siedlung, dann bist du wieder frei."
Sie stellte sich wieder auf alle viere, schüttelte den Hals und wiehert.
Percy lächelte, seine Stute war einverstanden. Er klopfte ihr sanft auf den Hals. „Na dann los." Die Stute wieherte abermals, dann galoppierte sie los. Noch immer noch nicht ganz wach legte er sich auf den Pferdehals und vergrub sein Gesicht in der verfilzten Mähne. Tief atmete er ein, die Mähne roch nach Schlamm, Gras, und Wasser, alles was ein Pferd ausmachte. Schon lange war er nichtmehr geritten, es gab Zuhause keine langen Strecken zu überwinden und Pferde sah er allgemein nicht mehr. Sie waren nur noch in friedlichen Gebieten zu finden. Die Stute wurde langsamer. Nur ungerne löste er sich von ihrer Mähne, aber sie schien ihr Ziel erreicht zu haben. Er schwang sich vom Pferderücken und landete im fußtiefen Schnee. Er stellte sich vor die Stute und legte seine Stirn an ihre, ihr warmer Atem blies ihm entgegen. „Danke Kleine", er küsste sie auf die warmen Nüstern und streichelte sie, „Lauf wieder zu deinen Freunden, die werden dich sicher schon vermissen."
Kurz blieb die Stute noch vor ihm stehen, dann ging sie von ihm weg und verschwand schließlich im Galopp.
Mit einem Lächeln winkte er ihr nach, vielleicht sah er sie bei seiner Rückkehr wieder. Jedenfalls – zitternd drehte er sich der Stadt zu, sein Atem bildete Wolken – musste er jetzt seine Aufgabe erfüllen. Schnellen Schrittes ging er über die Schneewiese auf die Vorhütten zu. Diese wirkten im Vergleich zur Stadt hinter ihnen veraltet. Ein starker Arm drehte ihn zu sich um.
Der Besitzer des Arms schien zu leuchten. Weiß – goldenes Haar mit jeder Menge eingeflochtener Blumen war um den Kopf gewickelt. Sehr helle Haut, die von innen heraus leuchtete und goldene Augen funkelten ihm entgegen. Wenn es wirklich die Engel gab, die ein Teil der Menschenkultur waren, dann wurde er gerade von einem festgehalten. „Ich kenne dich nicht! Was machst du hier?"
Pevrè zog den Kopf ein. Himmlisches Aussehen mit Engelsflügeln ja, Stimme sehr streng und bedrohlich? Auch. „Gegenfrage. Wer bist du?"
„Ich muss mich vor dir nicht rechtfertigen!", der Engel packte ihn an beiden Armen und flog senkrecht hoch. Der Gegenwind riss ihn nach unten. Sie stiegen immer höher, die Luft wurde immer dünner. Als der Engel sich endlich ausrichtete waren die Wolken sehr weit unter ihnen. „Also ich frage noch einmal. Was. Machst. Du. Hier?"
„Ich... ich wollte mich nur ausruhen."
„Ohne vorherige Anmeldung gibt es keinen Eintritt für Fremde. Wer schickt dich?"
Er schluckte, Tushar hatte ihn geschickt, aber er gehörte zu Nicolae und dieser wusste von alldem nichts. „Ich kann mich nicht erinnern.", log er.
„Lüg mich nicht an!"
„Wem sollte ich das überhaupt verraten?"
„Hm", die Augen des Engels wurden zu Schlitzen, „Ich bin Corelè, der Herrscher dieses Bezirks. Und ich mag keine Fremden."
Ach, das benannte Tushar einen wandelnden Blumenstrauß? Laterne hätte besser gepasst! „Und? Dein Aussehen ist komisch! Wächter? Geist? Elemantary? Gegen-„
„Picin wenn ich bitten darf. Also weder noch."
Picin? Noch nie gehört. Ist das jetzt eine neue Machtkategorie?
Corelè ging in den Sturzflug über und schlug ungebremst mit Percival in einen zugefrorenen See ein. Das eiskalte Wasser umschloss seinen Körper, seine Härchen stellten sich auf. Mit jedem Flügelschlag wurde er tiefer ins Wasser gezogen. Verzweifelt versuchte Percy sich aus Corelès eisernen Griff zu befreien. Er schlug auf die Arme ein, trat es in den Bauch, stach Corelè ein Messer in die Rippen. Nichts. Corelè zuckte nicht ansatzweise mit der Wimper. Langsam kroch ihm die Kälte in die Knochen, seine Muskeln verkrampften zunehmest. Corelè hatte es sich zum Ziel gemacht ihn zu töten. Noch hatte er genug Luft, aber wie lange noch?
Plötzlich löste Corelè den Griff, ließ ihn einfach weiter sinken. Offensichtlich gereizt sah sich Corelè in alle Richtungen um, von dessen Schulter stieg durchgehend eine dunkle Flüssigkeit auf. Jemand schien es heftig getroffen zu haben. „Wo bist du? Zeig dich du dreckige Missgeburt!" Corelè konnte Telepathie? Langsam wunderte ihn gar nichts mehr.
Percys Lunge fing an zu brennen, langsam wurde ihm schwarz vor Augen. Aus dem Nichts stürzte sich ein Phönix auf Corelè, hackte mit dem Schnabel die offene Schulter weiter auf und bohrte die Krallen tief in die weißen Flügel. Dann schlug er Corelè mit dem Schweif an Percy vorbei in die Tiefe.
Nach und nach spürte er, wie er zunehmend das Bewusstsein verlor und schloss die Augen. Etwas griff um seine Schulter und zog ihn über die Wasseroberfläche. Er atmete aus und hektisch weiter, bis die Luge nichtmehr brannte und das Gefühl der Ohnmacht verschwand. Sanft wurde er in den Schnee gelegt, sofort fing er wieder an zu zittern. Flocken schmolzen auf seinem Gesicht, das Wasser gefror daraufhin sofort. Woher kannte er den Vogel?
„Percival?"
Diese Stimme... er riss die Augen auf. Eine eisblaue Gestalt sah ihn aus violetten Augen an. „Sirlo?" Sein Herz raste, es war das erste Mal, dass er Sirlo ohne Sonnenbrille sah. Die einzige Person, die er kannte, die noch violette Augen besaß war Akarian.
„In Person."
„Was machst du hier?"
Verwundert zog Sirlo den Kopf nach hinten: „Das sind die Gletscher von Sirbin. Corelè besitzt einen kleinen Teil auf der Rückseite, also die Eiswüste, der Rest ist mein Revier." Stimmt ja, Sirlo war ein kompletter Einsiedler. „Mund auf!", Sirlo legte ihm etwas an die Lippen. Er schluckte, eine wunderbare Wärme breitete sich in seinem Körper aus. „Was machst du überhaupt hier? Nach Training sieht mir das nicht aus."
„Nein", er hauchte sich wärmend in die kalten Hände.
„Es dauert ein bisschen bis das Gebräu wirkt.", meinte Sirlo und legte ihm seinen Federumhang um. „Aber deine Kleidung ist wirklich sehr unpassend für diese Thermischen Umstände."
„Danke", Percy zog den Umhang über den ganzen Körper. „Ich muss bei Corelè einen Auftrag ausführen."
„Bei Corelè?", Sirlo rieb sich die Augen, „Ich schmuggle dich rein." Laut seufzend fügte er noch hinzu: „Wenn es Es nicht tut, wird Vater mich umbringen."
„Danke dir." Er sprang auf, sackte aber gleich wieder zusammen. Seine Beine wollten ihn nicht halten.
Sanft legte Sirlo seine Hand auf Percys Schulter. „Vorsicht, deine Muskeln sind noch sehr schwach."
„Wie schaffst du das eigentlich? Du lebst im kältesten Ort dieser Welt und bist nur barfuß, hast nur kurze Klamotten an und vielleicht den Federumhang."
Sirlo wich seinem fragenden Blick aus. „Das ist egal. Lass das mein Problem sein!" Er nahm ihn in den Arm und flog an den Fuß des Gletschers, von dem Rauch aufstieg. „Ich bringe dich erstmals zum Dort damit du dich aufwärmst. Die Einwohner sind ganz nett und hilfsbereit."
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Elemantary Chroniken Buch 2 - Percival
FantasyNachdem Scarlet ihre Welt wieder verlassen hatte, herrschte Friede. Bereits kurz danach wird Percival vom Elemantary Tushar für einen Auftrag abgeworben. Bereits nachdem er das Schloss betrat, bereute er die Entscheidung.