Kurzgeschichte: Halloween

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Die Kälte der Nacht umfasste mich, als ich langsam schleichend durch die Straße schlich. Ich musste leise sein, damit all die Kreaturen, die sich in der Dunkelheit tummelten. Ein Zombie stand an der Straßenecken, kaute und stieß widerliche, angsteinflößende Geräusche aus. Nur wenige Meter neben mir glitt ein Gespenst durch die Nacht, der grün-schimmernde Schein erhellte die Umgebung drumherum. Ein Schauer lief mir über den Rücken und mein Atem stockte, als ich schon das nächste Monster erblickte. Es lehnte an einer Ziegelsteinmauer gegenüber, in einer Pose, als würde es ein unschuldiges Wesen, dessen Kehle jede Luft entwichen war, zerfleischen. Im Gesicht des Werwolfs leuchteten glühende Augen, es hatte struppiges Fell und scharfe Krallen an den Pfoten, mit denen er bestimmt um einiges besser umgehen konnte als Köche mit den Messern im Restaurant. Und schärfer waren sie noch dazu. Ein grausamer Jäger, der bei seinen Opfern keine Gnade walten ließ. Noch war ich glücklicherweise unbeobachtet, ich fasste mein Ziel, das Ende dieser schrecklichen Straße, ins Auge und versuchte mich, ohne bemerkt zu werden, über den Bürgersteig zu bewegen. Ich blickte erneut rüber zu den Wesen, die diese Gegend bevölkerten und wusste instinktiv, wegrennen war ein einziger Lauf gegen die Zeit, es war unmöglich zu entkommen. Sie alle würden mich kriegen, so oder so.
Ein Blick zu meiner Linken offenbarte mir das gruselige Haus mit seiner bröckeligen Fassade, die mit Spinnennetzen und deren Bewohnern nur so voll vollgekleistert schien. Ein brüchiger Engel aus grauem Lehm versprach Schutz für das Haus, sein Gesicht sah aber aus, als wolle er Unheilvolles verkünden. Sein steiniger Blick wirkte düster und kalt. Kalt wie die Nachtluft, die alles umfasste, alles erstickte. Sie wandelte jeden Atemzug in die kleine nebelige Atemwolke um, die mir bisher fast nur in der Winterzeit bekannt waren. Unter dem Engel ruhten verwelkte Blumen, die sinnbildlich für die Ausgestorbenheit dieses Orts standen. Die Ausgestorbenheit, die sogar die Kreaturen hier betraf, ich blickte erneut zu dem Zombie, der planlos über die Straße zu laufen schien. Dann auf einmal zuckte ich und musste mich stark zusammenreißen nicht aus Reflex um mich zu treten. Ich spürte einen pulsierenden, haarigen Körper an meinem Bein, das Reiben erzeugte eine unvergessliche Gänsehaut. Zuerst dachte ich an eine der Spinnen, die neben mir ihr Unwesen trieben. Mein Herz verkrampfte sich und ich spürte ein Zittern wie niemals zuvor. Langsam, ganz langsam, ganz darauf bedacht mich bloß nicht zu viel zu bewegen, senkte ich meinen Blick auf das Ding, das mit seinem Körper weiter über mein Bein entlang glitt. Ich schaute hinab, und war erst erleichtert. Ich sah weder Spinnenaugen, noch -beine, sondern auf den Schwanz sowie die gelb funkelnden Augen einer Katze. Einer schwarzen Katze. Inständig hoffte ich, dass sie mich nicht verrät, doch, wie konnte es anders sein: Mit einem gewaltigen Sprung, der für Katzen ziemlich unwirklich erschien, hüpfte das Tier auf eine der umstehenden Mülltonnen, deren Deckel mit einem ohrenbetäubenden Scheppern nachgab. Für einen Moment herrschte eine unaufhaltbare Stille, bevor die verschiedenen Monster auf der Straßen sich dann doch zu mir bewegten. Beim Zombie war das kein Problem, er schlich beinahe, so langsam lief er nur. Doch der Werwolf, der von seiner Beute abgelassen hatte, sprang geschmeidig, schnell in meine Richtung, so schnell, dass mir kaum Reaktionszeit blieb: Erst blieb ich wie angewurzelt stehen, unfähig, die Lage zu erkennen, dann sprang ich zuseite, auch wenn ich mir keine großen Fluchtchancen ausrechnete. Der gewaltige Jagdhund, dessen Augen vor Gier und Aggressivität glühten, sprang gegen die angrenzender Mauer eines der Grundstücke, doch anstatt benommen liegen zu bleiben, wetzte er seine Krallen und kam direkt binnen Millisekunden wieder zu Bewusstsein. Einen ganz kurzen Augenblick standen wir, das Biest und ich, uns gegenüber, Auge in Auge. Darin spiegelte sich der pure Horror, kein Anblick hatte mich bisher so verängstigt. Ich sah auch mich selbst in seinen Augen und realisierte, dass ich ungeheuer kleine neben diesem wahrhaftigen Werwolf wirkte. Dann erst ließ das Schockzittern in meinen Beinen endlich nach und ich war wieder fähig einen Satz zu Seite zu wagen, bevor der nächste Angriff mich treffen konnte. Ich habe mich in meinem Leben immer gefragt, ob man in absoluter Angst, Todesangst, schneller rennen kann, ob man größere Kräfte entwickelt und Fähigkeiten an sich entdeckt, die man sich selbst nie zutraut. Jetzt, nach dieser Begegnung, kann ich diese Frage mit „Ja" beantworten: Ich rannte wie ich nie gerannt bin, keuchte wir ich nie gekeucht habe, immer den schwarzen Schatten im Rücken, der mich jeden Moment einholen und töten könnte. So schnell wie ich konnte passierte ich die nächste Ecke, wurde dabei von einer Kralle erwischt und dickflüssiges Blut quoll aus meinem linken Oberarm. Ich scherte mich nicht mehr im Geringsten darum, ob ich noch von irgendeiner anderen Kreatur entdeckt wurde, ich musste nur rennen, nur überleben. Mein Arm schmerzte und ich merkte, dass ich etwas langsamer wurde. Gleichzeitig sah ich aber auch das Ende der Straße, dieses fürchterlichen Orts. Ich nahm einen tiefen Atemzug und konzentrierte mich umso mehr darauf, dort hinzugelangen. Es gab keine Option, es galt nur: entweder du schaffst es, oder du wirst es nie mehr schaffen, du wirst sterben. Und DAS ist mehr als nur Motivation! Ich stolperte fast, so schnell eilte ich meinem Ziel entgegen. Nur noch wenige Meter, dann war ich da, nur wenige Zentimeter, dann war der grausame Wolf, der deutlich mehr Ausdauer als zu haben schien, bei mir. Ich blickte nach rechts und links, sah auf einer Seite die dunklen Hauswände an mir vorbeiziehen, auf der anderen Geister in allen möglichen Formen und Farben, die mir einen frischen, nebeligen Gegenwind bescherten. Während ich rannte, schossen mir tausende Gedanken durch den Kopf, was passieren würde, wenn ich das hier nicht überlebe, und vorallem, wie ich in diese Situation geraten war. Warum ausgerechnet ich? Statt in Selbstmitleid zu schwelgen musste ich jedoch weiter meine Schmerzen hinnehmen, konnte aber das Ziel schon deutlich vor mir sehen. Ich dachte gerade, ich hätte es geschafft, als ich einen ungeheuren Druck auf meinem Rücken spürte, der mich augenblicklich auf den Boden riss und mein Kinn hart auf den spröden Asphalt aufschlagen ließ. Alle Gedanken, verschwanden auf einmal, ich blickte nur hoch und sah, wie das Monster über mir seine Zähne bleckte. Es wollte zubeißen aber ich, der den Kampf lange nicht aufgab, schlug zu, ich weiß nicht, woher ich diese Kraft, geschweige denn diesen Mut nahm. Das Tier, wenn man es denn Tier nennen darf, jaulte auf wie ein getroffener Hund, tat mir für einen ganz kurzen Moment sogar Leid.... Aber sogar dem größten Tierfreund, so wie ich einer bin, ist es in diesem Moment egal, es zählt nur der Wille. Der Wille endlich zu fliehen. Mit größtem Kraftaufwand entwand ich mich aus den messerscharfen Krallen des Monstrums und machte mich stolpernd auf den Weg, das alles zu beenden. Die Linie, die diese furchteinflößende Straße vom Rest des Leben abtrennte, befand sich nun zum Greifen nahe auf dem Boden vor mir. Ich setzte an, zu einem Sprung, der mich endlich in Sicherheit brachte. Ich flog, die Sekunden in der Luft waren die langsamsten in meinem Leben, sie zogen sich wie Minuten, Stunden, doch dann landete ich endlich: Sogar weicher als erwartet. Ich blickte kurz zurück auf das Chaos in der Straße, dann stand ich von der weißen Matratze auf und drückte lachend auf den roten Knopf, der das Ende der Kameraaufnahme besiegelte. Ich nickte zufrieden und klatschte in die Hände, um das Ende der Szene zu verkünden. All die Monster, all die Häuser, Gärten und Spinnenweben, sie verrieten mir: Ich liebe das Halloween in unserer Straße!

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Huhu, ich hoffe euch hat diese kleine Kurzgeschichte gefallen. Ich hab sowas noch nie gemacht, als würde ich mich über ehrliche Rückmeldung sehr freuen! Ansonsten hoffe ich, ihr habt einen schönen, schaurigen Tag, Happy Halloween! 🎃

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