Mit reichlich Verspätung kam ich beim Stützpunkt von Medicopter 117 an. Hier standen bereits ein paar Autos und ein Motorrad. An diesem blieb mein Blick kurz hängen, denn ich bildete mir ein es würde mir bekannt vorkommen. Ich dachte sofort wieder an die Frau, die vorhin wegen mir von ihrer Maschine geworfen worden war.
Jedoch schüttelte ich diese Gedanken schnell ab, einen so großen Zufall konnte es nicht geben und es fuhren schließlich hunderte solcher Motorräder herum. Ich stellte den Motor meines Autos ab und verstaute meine Schlüssel in meiner Handtasche die auf dem Beifahrersitz lag. Anschließend nahm ich sie an mich, ebenso wie die Unterlagen die darunter gelegen hatten. Die brauchte ich für den Basisleiter, der sicher schon auf mich wartete.
Genau deshalb durfte ich jetzt nicht noch mehr Zeit verlieren. Ich wollte gerade aussteigen, als mein Handy erneut klingelte. Es hatte auf der Fahrt hierher noch mehrmals geklingelt, es stand eigentlich gar nicht mehr still seitdem ich fort gegangen war. Sprechen wollte ich aber noch immer mit niemandem, weshalb ich mein Handy aus meiner Tasche nahm und es ausschaltete. Ich entnahm zusätzlich den Akku und ließ die Einzelteile im Handschuhfach verschwinden. Ich durfte heute über nichts anderes nachdenken als über die Chance die ich hier bekam. Mein neuer Job hatte jetzt einfach Priorität. In der Vergangenheit hatte ich mir schon so oft etwas kaputt machen lassen und hatte fast die das tun dürfen was ich gewollt hatte, damit sollte jetzt endlich Schluss sein. Ich wollte endlich ein eigenständiges Leben.
Ich sah mich nochmal im Rückspiegel an, atmete tief durch und stieg dann aus. Der Haupteingang lag zum Glück so, dass er nicht zu übersehen war. Schon im Flur vernahm ich Gelächter. Ich folgte den Stimmen und stand nun vor einem Raum. Dort saßen drei Männer an einem Tisch und schieben sich über etwas sehr zu amüsieren. Alle trugen sie einen roten Overall.
Ich klopfte und sie wandten sich zu mir um. "Hallo.", sagte ich und versuchte mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen. "Hallo.", erwiderten die drei gleichzeitig. "Können sie mir vielleicht helfen? Ich suche das Büro von einem gewissen Herrn Ebelsieder, er soll der Basisleiter hier sein und ich bin verdammt spät dran.", erklärte ich. Die drei warfen sich Blicke zu. Sie waren alle drei still geworden, dann stand einer von ihnen auf.
Er war ziemlich groß, hatte braune Haare und blaue Augen. Die fielen mir als erstes auf, als er vor mir stand. Beinahe wäre er auf dem Weg zu mir gestolpert. "Wächter.. Thomas Wächter, ich bin einer der Piloten hier.", stellte er sich vor und hielt mir die Hand hin. "Helena Meyer.", erwiderte ich und wir gaben uns die Hand. "Ich weiß!", antwortete er und das überraschte mich ziemlich. Das schien Thomas wohl bemerkt zu haben und anscheinend war es ihm unfreiwillig raus gerutscht. "Also.. ich hab das zufällig mitbekommen, dass sie unsere neue Notärztin werden sollen. Das kriegt man hier eben so mit, wir sind ne kleine Truppe."
Es war offensichtlich, dass er sich heraus reden wollte und nach einer Ausrede gesucht hatte. Aus irgendeinem Grund wirkte er ziemlich nervös, trotzdem war er mir sofort sehr sympathisch. "Notärztin darf ich mich leider noch nicht offiziell nennen, vorerst bin ich Notarztschülerin.", berichtigte ich ihn. "Aber ich nehme an, auch das wussten sie bereits." Thomas nickte. "Wir sagen hier übrigens du zueinander, ist einfacher.", erklärte er mir nun.
"Wenn du wir sagst, von wie vielen ist dann die Rede? Hab gehört ihr sollt keine große Truppe sein." Ich sah, dass die zwei anderen Männer grinsten. "Also.. Im Moment sind hier zwei Crews stationiert mit je drei Personen. Die zwei dort gehören zu meiner, Doktor Michael Lüdwitz und Peter Berger.", erklärte Thomas mir.
"Hallo.", sagte ich nun noch einmal und sie nickten einfach nur ohne dass das Grinsen aus ihrem Gesicht wich. "Die anderen drei sind gerade im Einsatz, du wirst sie aber kennenlernen wenn sie zurück sind. Außerdem haben wir hier noch einen Basisleiter, dessen Namen du schon kennst, einen Mechaniker namens Max und einen Lawinensuchhund. Das sind alle."
Es waren wirklich wenige Mitarbeiter, verglichen mit denen in einer Klinik zumindest. "Im Gegensatz zu dem was ich gewohnt bin, seid ihr wirklich wenige. Allerdings muss ich jetzt wirklich zum Chef. Ich danke ihnen.. dir.. jedoch sehr für diese kurze Einführung, Thomas.", sagte ich und wir blickten uns in die Augen. "Gern geschehen, Helena.", erwiderte der Pilot und wir lächelten uns an. "Das Büro vom Chef ist gleich den Flur runter, du wirst es nicht verfehlen können.", meinte Thomas. "Dann bis gleich.", sagte ich noch und ging dann hinaus.
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Die Männer hatten sich erstmal ziemlich erschrocken, als die Neue plötzlich den Raum betreten hatte. Thomas hatte dann die Initiative ergriffen und hatte sich, sowie die anderen kurz vorgestellt. Michael und Peter hatten schweigend zu gesehen und sich die ganze Zeit das Lachen verkneifen müssen. Nachdem die junge Frau den Aufenthaltsraum wieder verlassen hatte, konnten die zwei Beobachter nicht mehr länger an sich halten. Sie brachen in Gelächter aus, während Thomas Helena noch hinterher sah.
"Sein Name ist Wächter.. Thomas Wächter!", wiederholte Michael die Worte seines Kumpels. "Das hast du jetzt nicht ernsthaft gesagt!" Michael und Peter bekamen sich vor lachen gar nicht mehr ein. Thomas realisierte erst jetzt wirklich, dass er sich wohl gerade vollkommen blamiert hatte. Vor seinen Kollegen und auch vor der Neuen. Aber das war ihm irgendwie total egal.
"Thomas, bist du noch anwesend?", wollte Michael wissen, da sein Freund keine Reaktion zeigte. "Was?", fragte Thomas. "Die Frau Doktor scheint dich ja vollkommen aus dem Konzept gebracht zu haben.", meinte Peter. "Ach Blödsinn!", leugnete Thomas das Offensichtliche und setzte sich wieder an den Tisch. "Aber sie ist doch eigentlich ganz nett.", meinte der Pilot.
"Und das konntest du jetzt innerhalb von zwei Minuten feststellen?", fragte Michael grinsend. "Der erste Eindruck zählt doch am meisten.", antwortete Thomas und zuckte mit den Schultern. "Wolltet ihr nicht eigentlich schon längst zu Hause sein?", fragte Thomas nun, um die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken. "Ob jetzt ein bisschen früher oder später ist inzwischen auch egal. Übrigens hätten wir so ein sehr interessantes Schauspiel verpasst."
Erneut lachten Michael und Peter drauf los. "Ihr wart auch einfach nur neugierig, das ist der einzige Grund warum ihr noch hier seid.", sagte Thomas und schenkte sich Kaffee nach.
Für einen Moment war es still, doch dann musste Thomas ebenfalls lachen und die anderen zwei stimmten wieder mit ein. Sie konnten sich einander nichts vormachen.
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Ich lief den Flur entlang und fand tatsächlich eine Tür mit der Aufschrift 'Büro'. Hier war ich wohl richtig, weshalb ich gleich klopfte. Als ich von innen die Aufforderung zum Eintreten bekam, öffnete ich die Tür. "Guten Tag, ich habe einen Termin bei ihnen.", meinte ich und der Mann hinter dem Schreibtisch nickte. "Frau Doktor Meyer, nehme ich an.", antwortete er und ich nickte. "Sie sind spät dran.", merkte er an. "Ich hatte auf dem Weg hierher ein paar Schwierigkeiten." Was genau behielt ich besser für mich.
"Jetzt sind sie ja hier.", meinte der Mann und stand auf. "Frank Ebelsieder, ich bin der Basisleiter hier.", stellte sich der Mann nun vor und wir gaben uns die Hand. "Setzen sie sich doch.", forderte Herr Ebelsieder mich auf und kurz darauf saßen wir uns gegenüber. "Haben sie die noch nötigen Unterlagen dabei?", fragte Herr Ebelsieder mich. "Ja, hier.", bestätigte ich und legte ihm das Verlangte vor. Er sah sich die Unterlagen gleich durch. "Sie haben alles mitgebracht, was wir noch brauchen. Sehr gut.", stellte der Basisleiter fest und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
"Sie wissen, dass sie für diesen Job eigentlich viel zu jung sind?", fragte er mich. "Das ist mir bewusst.", antwortete ich. "Das sollten sie auch immer im Hinterkopf behalten.", meinte Herr Ebelsieder. "Dennoch haben sie unserer Meinung nach das notwendige Potenzial, das man braucht um bei Medicopter zu arbeiten. Genau deshalb haben sie sich gegen die anderen Bewerber durchgesetzt und sie würden jetzt nicht hier sitzen, wenn wir nicht glauben würden das sie hierher passen.", sprach er weiter. "Dennoch können wir sie nicht einfach diese 50 Einsätze fliegen lassen und das war's dann. Andere sind vorher im bodengebundenen Rettungsdienst tätig, bevor sie zur Luftrettung wechseln dürfen. Wir müssen uns sicher sein, dass sie genügend Erfahrung sammeln, bevor sie als eigenständige Notärztin tätig sein dürfen." Erneut nickte ich. "Aus diesem Grund werden wir ihre Ausbildungsdauer von 50 Einsätze auf minimum 100 Einsätze verlängern. Das hört sich jetzt erstmal viel an, aber glauben sie mir das sie diese Zahl schnell zusammen haben werden. Je nachdem welchen Eindruck ihr Ausbilder hat, können es durchaus auch ein paar mehr werden." Das hatte ich alles schon vom höchsten Chef von Medicopter erfahren, trotzdem wurde mir jetzt erst richtig bewusst was hier geschah. Ich tat wirklich das was ich wollte.
"Ihre Ausbildung wird Frau Doktor Gabriele Kollmann übernehmen. Sie ist schon jahrelang Notärztin bei uns, hat diese Basis hier mit aufgebaut und nun ihren Ausbilderschein gemacht. Sie sind demnach ab sofort Mitglied unserer B-Crew und ihre Kollegen können ihnen alles weitere erklären, sobald sie von ihrem Einsatz zurück sind."Herr Ebelsieder öffnete dann eine Schublade und holte Dokumente hervor. "Nachdem wir alles besprochen haben, fehlt eigentlich nur noch eins.", meinte er und legte mir die Dokumente vor. "Der nervige Papierkram.", sagte er. "Das ist ihr Arbeitsvertrag. Vorerst befristet auf die Zeit ihrer Weiterbildung bei uns, danach sehen wir weiter." Er legte mir ebenfalls einen Kugelschreiber hin. "Es fehlt nur noch ihre Unterschrift, Frau Doktor."
Ich musste einfach lächeln. Schnell überflog ich die Dokumente und setzte dann meine Unterschrift darunter. Somit war es offiziell, ich war Notärztin in Ausbildung.
"Wie das mit dem Dienstplan aussieht, das wird ihnen Frau Doktor Kollmann noch erklären. Ich möchte nur, dass sie ab sofort pünktlich zum Dienstbeginn anwesend sind. So etwas fließt in die Bewertung mit ein.", stellte der Chef klar. "Ich werde ab sofort überpünktlich sein.", versicherte ich ihm. "Sehr schön, ich nehme sie beim Wort. Sie dürfen jetzt gehen." Ich bedankte mich und stand auf. Nachdem ich das Büro verlassen und die Tür geschlossen hatte, brauchte ich erstmal einen Moment bis ich glauben konnte das ich gerade tatsächlich einen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte. Und diesmal einen, der mir zu meinem Traum verhelfen würde. Es fühlte sich so verdammt richtig an, dass sich das schlechte Gewissen der letzten Wochen schlagartig verflüchtigte. Wie lange keine Ahnung, aber im Augenblick war ich einfach nur erleichtert es durchgezogen zu haben.
"Na, schon fertig?" Ich erschrak, denn ich hatte niemanden kommen hören. Thomas stand ein paar Meter weiter weg. "Alles erledigt.", bestätigte ich. "Wie wär's dann mit einem Kaffee?", fragte er mich nun. "Klingt gut.", erwiderte ich und folgte ihm in den Raum von vorhin.
Dort saß ich dann eine Weile mit meinen neuen Kollegen zusammen, die ich bereits kennengelernt hatte. Irgendwann vernahmen wir Rotorgeräusche, sogar ich ahnte das es der Helikopter dieser Basis sein musste. "Wird Zeit, dass du deine Crew kennenlernst.", meinte Thomas. "Wir gehen am besten in den Hangar hinter.", fügte er noch hinzu und ich folgte Thomas durch das Gebäude. Die anderen Beiden liefen uns hinterher. Wir liefen durch eine Tür ins Freie, der Helikopter war bereits in Sichtweite. Auffallend rot-gelb.
"Da ist unser Baby.", meinte Thomas. "Baby?", fragte ich verwirrt. "Ja, der Hubschrauber heißt bei uns so. Eine BK-117 B2, ein richtig tolles Teil!", schwärmte der Pilot. "Wird dir gefallen.", sagte er vollkommen überzeugt. "Das bezweifle ich nicht.", antwortete ich und lächelte beim Anblick des Helikopters. Er gefiel mir schon jetzt und ich konnte es kaum erwarten ihn aus der Nähe zu betrachten.
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Die B-Crew steuerte gerade wieder die Basis an. Sie hatten ihren Einsatz erfolgreich hinter sich gebracht und den Patienten gerettet, jedoch war während dem Transport eine Arterie geplatzt und dementsprechend sah der Helikopter nun aus. Gabriele und Ralf waren ebenfalls nicht verschont geblieben, an ihnen klebte ebenfalls das Blut ihres Patienten. Die Stimmung trübte das aber keinesfalls, schließlich hatten sie ein Leben gerettet. "Was ist denn da los? Ein Begrüßungskomitee und was für eins.", stellte Biggi fest, als sie zur Landung ansetzte.
"Wollten die Jungs nicht eigentlich Heim fahren?", fragte Gabi. "Die Neugier hat sie wohl davon abgehalten.", meinte Biggi und lachte. Ihre Kollegen daraufhin ebenso. "Sieht aus als wäre dein Schützling schon da.", teilte Biggi Gabriele mit und setzte mit den Kufen auf dem Boden auf. Langsam ließ sie die Rotoren herunter fahren und alle nahmen sie fast gleichzeitig ihre Helme ab. Ihre Kollegen kamen derzeit näher und Biggi erblickte zum ersten Mal ihre neue Kollegin. Jemand anderes konnte sie ja nicht sein. Jedoch traute Biggi ihren Augen nicht, weshalb sie ihre Sonnenbrille ab nahm, da sie glaubte die würde ihre Wahrnehmung irgendwie negativ beeinflussen. Dem war aber nicht so, denn Biggi identifizierte die Frau dennoch als diejenige mit der sie heute Morgen ein ziemlich unangenehmes Aufeinandertreffen gehabt hatte.
"Das is doch ein schlechter Scherz!", entfuhr es der Pilotin zornig und während ihre Kollegen ausstiegen, blieb sie noch im Cockpit sitzen und beobachtete was passierte. Wäre sie nämlich sofort ausgestiegen, hätte sie für nichts garantieren können. Sie war mit einem Mal wieder stinksauer.
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Wir warteten bis der Helikopter gelandet war, erst dann liefen zu ihm hinüber. Eine Frau und ein Mann waren als erstes ausgestiegen, nun kamen sie uns entgegen. Bereits aus einigen Metern Entfernung erkannten wir, dass sie voller Blut. Jedoch sah ich gleich wieder zurück zum Helikopter. Ich erinnerte mich daran, wie mich ein Notarzt damals in meinem praktischen Jahr des Studiums im Helikopter mitgenommen hatte. Wir hatten ein Organ für eine Transplantation abgeholt und seitdem wusste ich das ich nichts mehr anderes wollte als selber fliegende Notärztin zu sein. Jedoch hatte meine Mutter das verhindern wollen, was letztendlich aber nicht geklappt hatte. Denn nun stand ich hier, hatte kurz zuvor einen Vertrag unterschrieben und war weit weg von zu Hause.
Der Mann und die Frau waren inzwischen bei und angelangt. Auch sie trugen rote Overalls. Auf den Aufnähern konnte ich jetzt 'Staller' und 'Dr. Kollmann' lesen. "Wie seht ihr denn aus?!", fragte Michael. "Riskanter Einsatz inklusive Aortenruptur.", erklärte die Frau namens Kollmann. Sie war dann offenbar meine Ausbilderin, jedoch hatte ich ihren Vornamen bereits wieder vergessen. Es waren so viele neue Infos gewesen und ausgerechnet das hatte ich vergessen. Das sollte jedoch kein Problem sein, wie ich kurz darauf bemerkte.
"Das Baby sieht übrigens nicht anders aus, müssen wir dann gleich putzen.", meinte der Mann neben der blonden Frau. "Definitiv, sonst trocknet das ein. Aber vorher solltet ihr euch noch miteinander bekannt machen, das ist Helena Meyer. Deine Schülerin.", stellte Michael mich netterweise vor und die Frau fing sofort an zu lächeln. "Ich hab sie gleich erkannt.", sagte sie zu Michael. "Doktor Gabriele Kollmann, ich bin für dich zuständig.", stellte sich die Frau nun offiziell vor und wir gaben uns die Hand.
"Und du kannst ruhig Gabi zu mir sagen, tun hier alle.", meinte meine Ausbilderin. "Es freut mich dich kennenzulernen.", antwortete ich und hatte offenbar wirklich Glück gehabt. Gabi schien keineswegs ein Teufel zu sein, so wie manche Ausbilder die mir in meinem Leben schon begegnet waren. Es war mir auch nur wenige Male passiert, dass ich höher gestellte Personen beim Vornamen hatte nennen dürfen.
Gleich darauf stellte sich nun auch der Mann bei mir vor. "Ralf Staller, Sanitäter der B-Crew." Auch wir reichten uns die Hand zur Begrüßung. "Freut mich.", sagte ich. "Da hast du dir echt nen harten Job ausgesucht.", meinte Michael. "Er ist erfüllend, keine Frage. Aber verdammt hart." Und er sprach aus Erfahrung, daran hatte ich definitiv keine Zweifel. Daran, dass ich es schaffen konnte diesen Job auszuüben, jedoch auch nicht. Zumindest jetzt noch nicht.
"Biggi ist heute echt ziemlich langsam.", merkte nun Thomas an, der zum Helikopter sah. Ich bemerkte nun, dass eine Person noch fehlte. "Sie ist verletzt und ziemlich kaputt. Sie hat zwar kein einziges Mal gemeckert, aber Schmerzen hat sie hundertprozentig.", antwortete Gabi. "Zwangsläufig wenn man vom Motorrad fliegt.", erwiderte Thomas und mir stockte der Atem.
Das Motorrad auf dem Parkplatz, nun dieses Gerede von einem Unfall. Langsam glaubte ich wirklich das es diesen Zufall geben konnte, hoffte aber das es nicht so war.
Jedoch stieg nun noch eine Frau aus dem Helikopter. Sie war die ganze Zeit über im Cockpit geblieben und kam nun ebenfalls zu uns. Sie humpelte auffällig und es wunderte mich, dass sie so noch geflogen war. Ich erkannte die Frau sofort wieder. "Oh scheiße!", flüsterte ich und fuhr mir durch die Haare. "Kein Grund so zu fluchen, ihr geht's gut. Das ist Biggi, unsere Pilotin.", meinte Gabi, die offenbar dachte ich wäre so geschockt darüber das Biggi verletzt war. Das natürlich auch, aber ich wusste ja bereits welche Verletzungen sie hatte und woher sie kamen.
Und Biggi schien mich auch erkannt zu haben, da sie ziemlich sauer aussah. Wir hatten uns schließlich beide gewünscht, die jeweils andere nie wieder sehen zu müssen. "Is das die Neue?", wollte Biggi wissen, als sie bei uns angekommen war. "Die bin ich.", antwortete ich, obwohl die Frage an die anderen gerichtet gewesen war. "Wenn die so gut Patienten behandelt wie sie Auto fährt, dann dauert es nicht lange und wir sind bald nur noch als Killer-Drohne bekannt. Könnt ihr euch schon mal drauf einstellen!", meinte die Kurzhaarige spöttisch und ging davon. Die anderen waren sichtlich verwirrt, aber ich hatte diese Metapher genau verstanden.
"Killer-Drohne?!", wiederholte Thomas. "Hat die gerade ernsthaft Killer-Drohne gesagt?! Was läuft heute eigentlich mit der falsch?!" Wir alle sahen der Pilotin hinterher. "Weißt du, was sie damit gemeint hat?", fragte Gabi mich. "Kennt ihr euch?", fragte sie weiter. "Woher denn bitte?", fragte Ralf irritiert. "Man kann sagen, dass wir uns flüchtig kennen.", gab ich zu.
"Was heißt flüchtig?", wollte Michael wissen. "Wir haben uns nur ganz kurz gesehen, fünf Minuten vielleicht." Eigentlich wollte ich nicht, dass das jetzt raus kam. Aber eine andere Wahl als die Wahrheit zu sagen hatte ich nicht. "Wann?", fragte Peter nun weiter. "Heute Morgen.", antwortete ich. "Ich hab sie vom Motorrad geholt. Also.. nicht direkt.. aber fast. Es war halt eine blöde Situation und irgendwie scheint mich mein Schicksal zu hassen, da wir uns hier jetzt wieder begegnen.", erklärte ich meinen neuen Kollegen. "Seine zukünftige Kollegin vom Bike schmeißen? Das ist kein gutes Fundament für eine reibungslose Zusammenarbeit.", meinte Thomas. "Biggi ist deshalb schon die ganze Zeit unausstehlich.", fügte der Pilot hinzu. "Es war bestimmt keine Absicht!", stellte ich gleich klar. "Das glaubt hier auch keiner und vor allem ist Biggi nicht nur deshalb so mies drauf, es gibt auch Dinge die die verehrten Herren nicht wissen.", meinte Gabi bestimmt.
"Die kriegt sich schon wieder ein, Biggi ist eigentlich nicht so ein Biest. Gib ihr noch ein paar Tage und ihr zwei werdet euch super verstehen. Komm, ich geb dir erstmal deine Uniform." Gabi lief los und ich folgte ihr gleich.
"Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich bin mir sicher uns steht ein richtiger Zickenkrieg bevor.", hörte ich Thomas noch sagen. Was die anderen erwiderten bekam ich zwar nicht mehr mit, aber wahrscheinlich waren sie derselben Meinung. Ich wollte es jedoch auf keinen Fall so weit kommen lassen. Ich wollte mir hier nicht gleich von Anfang an Feinde machen und hoffte wirklich, dass Gabi mit ihrer Aussage recht behalten und die Vermutung von Thomas nicht eintreten würde.
Gabi ging mit mir in eine Umkleide. "Das ist deiner.", sagte sie und deutete auf einen der Schränke. "Hier sind die Schlüssel dazu. Dort drin findest du alles was du brauchst wie Overalls, Jacken und Einsatzschuhe. Falls etwas nicht passen sollte, dann gib mir einfach Bescheid.", meinte Gabi. "Danke.", antwortete ich. "Kein Problem, dafür bin ich da. Komm in den Aufenthaltsraum, wenn du fertig bist." Damit meinte sie wohl den großen Raum, in dem ich vorhin mit den anderen beisammen gesessen war. "Alles klar.", erwiderte ich und Gabi verließ die Umkleide.
Somit war ich erstmal allein. Ich schloss den Schrank auf und fand tatsächlich alles, was ich brauchte. Der Overall passte, die Stiefel ebenso und die Jacke auch. Diese zog ich jedoch nach meiner Anprobe wieder aus, da es damit hier drin eindeutig zu warm war. Ich sah mich dann erstmal im Spiegel an und musste feststellen, dass ich gar nicht so komisch aussah wie eigentlich erwartet. Ich nutzte die Gelegenheit und flechtete mir die Haare zu einem ordentlichen Zopf zusammen. Die würden mir ansonsten sicher nur ins Gesicht hängen und stören. Ich wollte gerade hinaus gehen, als sich im gleichen Moment die Tür öffnete und Biggi vor mir stand.
Ihr verachtender Blick sprach Bände und ich ging lieber ein paar Schritte zurück, damit sie rein kommen konnte. Sie ging zu einer Tür, der kleine Raum dahinter enttarnte sich als Putzkammer. Ich wollte schon hinaus gehen, als Biggi an eines der Regale stieß und ein paar Sachen auf den Boden fielen. Sie fluchte leise. "Kann ich dir vielleicht helfen?", fragte ich, erhielt aber keine Antwort. Die Pilotin begann gleich alles wieder auf zu heben und suchte sich dann ein paar Dinge zusammen, die sie in einem Putzeimer sammelte. So leicht wollte ich mich aber nicht geschlagen geben.
"Hör mal.. es tut mir wirklich leid was da heute Morgen passiert ist.", sagte ich und ging ein wenig näher zu ihr. Aber eine Antwort erhielt ich noch immer nicht. "Du bist Biggi, stimmt's?", stellte ich ihr erneut eine Frage, in der Hoffnung doch noch eine Unterhaltung beginnen zu können. Und tatsächlich blickte die junge Frau auf. "Ich kann mich nicht erinnern, ihnen das Du angeboten zu haben.", meinte die Pilotin bestimmt. "Oh.. Ähm, die anderen haben gesagt das wäre hier so üblich und deshalb.." Biggi unterbrach mich. "Das ist hier auch eigentlich so üblich, aber in dem Fall nicht.", stellte sie klar. "Wie das die anderen mit ihnen handhaben ist mir total egal. Mich nennen sie jedenfalls nicht beim Vornamen, verstanden?! Für sie bin ich Frau Schwerin und sonst niemand!" Es war definitiv eine blöde Idee gewesen sie anzusprechen, aber vielleicht ging sie doch noch auf meine Versöhnungsversuche ein.
"Okay, dann eben Frau Schwerin.", antwortete ich. "Ich bin Helena Meyer, aber für viele einfach nur Lena.", stellte ich mich ihr vor. "Ist bekannt.", antwortete Biggi unbeeindruckt.
"Auch gut. Ich bin ehrlich.. ich versuche hier nur ein Gespräch anzufangen, mehr nicht.", erklärte ich ihr. "Und ich bin nicht interessiert.", entgegnete Biggi forsch. "Ich werde ihnen nicht die Absolution erteilen, nur damit sie sich wieder besser fühlen. Ich hab ihnen ausdrücklich gesagt, dass ich ihnen nie wieder begegnen will. Jetzt arbeiten sie hier, das ist scheiße gelaufen, aber keiner kann mich zwingen mich mit ihnen zu unterhalten. Es reicht schon, dass ich sie ab sofort täglich sehen muss bis ihr Praktikum hier zu Ende ist!"
Sie hatte wirklich kein Interesse an einer Aussprache. "Das ist kein Praktikum, ich bin mehr als eine Praktikantin.", meinte ich ruhig, um sie nicht noch weiter zu provozieren. "Für mich sind sie das.", stellte die Pilotin klar und kam aus ihrer gebückten Haltung hoch. Sie verzog das Gesicht, es war offensichtlich das sie Schmerzen hatte.
"Brauchen sie wirklich keine Hilfe?", fragte ich besorgt nach. "Es wäre mir eine große Hilfe, wenn sie mich jetzt einfach in Ruhe..", setzte sie sauer an, doch schien sich plötzlich zu besinnen. "Obwohl.. wenn sie mich so fragen, könnten sie mir vielleicht doch helfen.", meinte Biggi plötzlich überheblich freundlich und ich wurde misstrauisch.
Dennoch folgte ich ihr ohne Widerrede, als sie mich aufforderte mit ihr zu kommen. Biggi ging mit mir durch den Hangar nach draußen zum Helikopter. Sie hatte den Putzeimer mit den Utensilien dabei, weshalb ich bereits ahnte was auf mich zukommen würde. Das schlechte Gewissen aber plagte mich und ich wagte nicht mich ihr zu widersetzen, so wie sie humpelte.
Wir blieben vor dem Hubschrauber stehen und ich sah zum ersten Mal dessen Innenraum. Überall klebte Blut. "Schon mal nen Helikopter geputzt?", fragte Biggi mich. "Nein, diese Ehre hatte ich bis jetzt noch nicht.", gab ich zu. "Ich hab aber regelmäßig Rettungswägen geputzt.", fügte ich hinzu und Biggi grinste. "Tolle Voraussetzungen.", meinte sie und hielt mir den Eimer hin.
"Ich soll das alleine weg putzen?", fragte ich angesichts der Tatsache, dass scheinbar jeder Millimeter mit Blut kontaminiert war. "Sie wollten doch unbedingt helfen.", antwortete Biggi. "Ist ne gute Gelegenheit den Heli kennenzulernen und außerdem ist es mit einfachem Putzen gewiss nicht getan. Danach dürfen sie noch alles fein säuberlich desinfizieren und alles an seinen Platz zurück räumen. Oder haben Angst, dass ihre zarten Chirurgenhände schaden nehmen könnten? Es könnte ja ein Nagel abbrechen oder so, gell?" Es war offensichtlich, dass sie sich über mich lustig machte und glaubte ich wäre ein verwöhntes Gör das solch eine Arbeit nicht kannte.
Ihr zu erzählen, dass ich früher mal Einsatzfahrzeuge geputzt hatte, war überflüssig gewesen. Sie wollte mich schikanieren, aber ich war zu stolz um diese Arbeit abzulehnen und nahm den Eimer an mich. "Mit größtem Vergnügen werde ich diese Sauerei beseitigen, Frau Schwerin.", sagte ich und das wie sie vorhin überheblich gut gelaunt. "Sehr schön.", antwortete sie. "Wenn sie fertig sind schaue ich mir das Ganze an und wehe ich finde noch ein Fleckchen Blut!" Sie drehte sich auf dem Absatz um und lief wieder zurück in den Hangar. "In einer halben Stunde ist der Heli wieder einsatzbereit!", rief sie mir noch zu und ich beäugte die Sauerei kritisch. Das würde ich wahrscheinlich in einer halben Stunde nicht sauber kriegen. "Helikopterfliegende Diktatorin!", motzte ich und blickte Biggi nach. Aber putzen musste ich so oder so, daran führte nichts vorbei.
Außerdem war es ja berechtigt, mehr oder weniger. Deshalb besorgte ich mir dann erstmal heißes Wasser und fing dann an zu putzen.
Das Blut war schon etwas angetrocknet, weshalb die Arbeit ziemlich mühselig war, aber ich sah diese Aufgabe keinesfalls als Strafe. Sie hätte schließlich auch anders, schlimmer, reagieren können. An eine harmonische kollegiale Beziehung glaubte ich trotzdem nicht mehr. Wahrscheinlich würde sie mich ab jetzt jede freie Minute mit putzen verbringen lassen, aber ich tat es hier und nicht in meiner alten Heimatstadt wo alles tausend Mal schlimmer gewesen war.
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Ich hab dich lieb bis zu den Sternen... und zurück!
FanfictionEine Fanfiktion mit ganz viel Action. Und noch mehr Liebe 🤗