Kapitel 7

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Wenigstens kam ich so an meinem zweiten Tag nicht wieder zu spät. Nach einer kurzen Übergabe gingen sich Michael, Peter und Thomas umziehen. Kurz darauf fuhren Michael und Peter weg, Thomas verzog sich in den Wohnheli.
Biggi ging den Helikopter durchchecken, Ralf kümmerte sich um frischen Kaffee und Gabi fing schon mal an die Taschen zu kontrollieren. Ich half ihr dabei, schließlich sollte ich das irgendwann mal selbst machen und jetzt hatte ich eine Mentorin die mir alles zeigen konnte. Auch wenn es hier weitaus schwierigere Aufgaben als das gab, schadete es nicht. Ich musste lernen mit meinen Arbeitsmitteln umzugehen, im Notfall auch blind wissen wo etwas war. Im Einsatz war keine Zeit um großartig lange überlegen zu können, was Gabi mir auch nochmal deutlich zu verstehen gab. Ich sollte jede freie Minute hier auf der Basis nutzen, um mich mit allem vertraut zu machen und das würde ich auch genauso umsetzen.
Biggi ging ich den ganzen Tag aus dem Weg, so gut es eben ging. Wenn sie in der Nähe war, vermied ich es zu reden. Es reichte, wenn wir uns bei Einsätzen ordentlich verhielten, wir mussten ansonsten ja nicht miteinander sprechen.
Wir flogen gerade von unserem zweiten Einsatz zurück zur Basis. Auch jetzt hörte ich nur den anderen bei ihren Unterhaltungen zu und selbst, als Biggi erzählte das sie ihr Motorrad gestern noch in die Werkstatt gebracht hatte und meinte die Reparatur der kleinen Mängel und die neue Lackierung würden ihr wahrscheinlich um die 1000 Euro kosten verkniff ich mir jede Aussage die mir in dem Moment in den Sinn kam.
Nach der Landung übernahm Max den Heli, da er ein Teil austauschen wollte. Für ungefähr eine Stunde meldeten wir uns deshalb bei der Rettungsleitstelle ab und jeder ging seinen eigenen Beschäftigungen nach. Gabi und Ralf gingen irgendwann mit Gonzo raus, somit waren nur noch Biggi und ich im Aufenthaltsraum. Ich beschloss duschen zu gehen, denn jetzt konnte ich von keinem Alarm unterbrochen werden, konnte später nach der Schicht gleich Heim fahren und konnte dieser angespannten Stimmung zwischen Biggi und mir entfliehen. Die war nämlich trotz des Schweigens vorhanden oder vielleicht gerade deshalb so stark spürbar.
Ich stand also vom Sofa auf und lief zur Tür. Allerdings hielt ich dann nochmal inne, denn Biggi saß am Tisch und schrieb offenbar Berichte. Jedoch standen dort noch die schmutzigen Tassen und noch mehr herum, sodass sie ziemlich wenig Platz hatte. Ich wollte guten Willen zeigen und ihr helfen, weshalb ich zurück lief und anfing den Tisch ab zu räumen. Inzwischen machte sich die kurze Nacht bemerkbar, ich war nicht mehr ganz bei der Sache und es kam leider wie es kommen musste.
Ich blieb an einer Tasse mit dem Ärmel hängen und sie kippte um. Natürlich landete der Kaffee genau auf Biggis Papieren und ich hielt die Luft an. Biggi ließ den Stift augenblicklich auf die Tischplatte fallen und blickte auf. "Ist das ihr Ernst jetzt?", fragte sie erstaunlich ruhig. Noch war sie das jedenfalls, die Ruhe vor dem Sturm war das sozusagen. "Es tut mir so leid!", sagte ich entsetzt. "Das war ein Versehen, ich bin hängen geblieben!" Biggi sah mich einfach nur an. Erst mir großen Augen, was sich jedoch nur Sekunden später änderte. Biggi kniff ihre Augen vor Wut zusammen, sie wirkten plötzlich viel dunkler und verdammt bedrohlich. Ich wich zurück.
Eine gute Entscheidung, denn Biggi stand gleich darauf auf. "Versehen?!", schrie sie. "Ein Versehen?! Ich saß da seit heute Morgen dran und sie haben alles unbrauchbar gemacht!" Auf einmal tauchten Peter und Michael in der Tür auf. Sie waren zu früh, aber ich erinnerte mich das sie zusammen mit Thomas noch vor ihrer Schicht klettern gehen wollten. Das hatte ich mitbekommen. Die zwei waren sichtlich irritiert.
"Ich bin hängen geblieben!", antwortete ich Biggi. "Ich muss jetzt trotzdem alles nochmal machen! Ebelsieder will das bis Schichtende auf dem Schreibtisch haben, so kann ich ihm das bestimmt nicht geben!" Auch die anderen kamen nun herein, vermutlich hatten sie den Streit gehört. "Was ist denn hier los?!", fragte Gabi. Doch keiner antwortete ihr.
"Ist der Kaffee da kalt?", wollte Biggi nun von mir wissen und deutete auf die Tasse in meiner Hand. "Ja, warum?", fragte ich verwirrt. Biggi nahm mir die Tasse ab. "Darum!", sagte sie und schüttete mir den Kaffee daraufhin schwungvoll ins Gesicht.
Es wurde plötzlich ganz leise im Zimmer. Ich hatte die Augen noch schnell zusammen kneifen können, bevor mich die Kaffeefontäne richtig erwischt hatte. Das Ziel hatte Biggi jedenfalls nicht verfehlt, die Flüssigkeit hatte sich auf meinem ganzen Gesicht verteilt und lief nun dort hinunter. Es klebte fürchterlich.
Vorsichtig öffnete ich die Augen wieder. Meine Kollegen schwiegen noch immer, bis Thomas plötzlich das Lachen an fing. Allerdings puffte Ralf ihm in die Seite und er hörte auf. Ich musste nun irgendeine Reaktion zeigen. Meine Mutter hatte mir beigebracht, dass niemand das Recht hatte mich zu erniedrigen und das stimmte auch. Jedoch wollte ich jetzt endlich anfangen eigene Entscheidungen zu treffen und ich hatte schon so viele Menschen mit meinen Worten oder Taten verletzt, damit sollte jetzt Schluss sein. Ich würde Biggi jetzt also nicht anschreien oder ihr eine Ohrfeige verpassen, weil das würde es nur noch weiter eskalieren lassen.
"Wenigstens mit Milch und Zucker.", meinte ich ging mir mit der Hand durchs Gesicht. "Klebt schön.", fügte ich hinzu und sah an mir hinunter. Mein weißes T-Shirt war nun nicht mehr weiß sondern vom Kaffee teilweise hellbraun gefärbt. "Aber Kaffee soll ja gut für die Haut sein, deshalb alles halb so wild."
Biggi hatte anscheinend mit einem völlig anderen Verhalten meinerseits gerechnet und meine anderen Kollegen ebenso, so wie sie schauten. Natürlich hätte ich Biggi dafür am liebsten eine Abreibung verpasst, unterdrückte aber diesen Drang jedoch weiterhin erfolgreich und lief zur Tür.
"Warte, du bleibst hier!", stellte Gabi klar. "Wir haben was zu klären!" Sie ließ mich erstmal nicht durch. "Ich werde jetzt nicht länger hier drin bleiben, ansonsten artet das hier vermutlich noch richtig aus.", meinte ich ruhig und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. "Wenn du mich jetzt also bitte durch lassen könntest, damit ich duschen gehen kann, denn ich habe Kaffee dort wo man Kaffee eigentlich nicht haben will. Zum Beispiel in den Haaren oder auch in der Nase. Nein, in der Nase will man Kaffee eigentlich definitiv nicht haben." Gabi nickte nur und ließ mich dann endlich hinaus gehen.
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Alle blickten sie Helena nach, die nun einfach den Aufenthaltsraum verließ. "Ihr Humor gefällt mir.", meinte Peter und Michael stimmte zu. "Ich weiß nicht, wie ihr daran jetzt was positives finden könnt!", mischte sich Gabi ein. "Der eine lacht, ihr findet sie hat nen super Humor und ich bin kurz davor hier jemandem die Ohren lang zu ziehen!"
Daraufhin sah die Blondine Biggi an. "Biggi, du benimmst dich unmöglich!", herrschte Gabi ihre Freundin an. "Ach und die sich nicht oder was?!", fragte Biggi vorwurfsvoll. "Die gehört hier einfach nicht hin, basta! Das Mädel ist unfähig, noch grün hinter den Ohren, aus der wird doch nie ne anständige Notärztin!"
Biggi und Gabi gerieten daraufhin in eine heftige Auseinandersetzung. Thomas seufzte und stellte sich zwischen die beiden Frauen. "Time out!", rief er und kurz verstummten die Zwei. Jedoch machten sie kurz darauf weiter. "Ey, Mädels!", bellte Thomas noch lauter. "Schluss jetzt, Klappe halten auf der Stelle!" Er hatte sie gerade wieder zum Schweigen gebracht, als sich  Ebelsieder zu Wort meldete. Er hatte den Krach bis in sein Büro gehört und beschlossen nun doch einmal nachzusehen.
"Was ist hier denn für ein Lärm?!", fragte er. Aber keiner wollte ihm zunächst antworten, deshalb übernahm Thomas das schließlich freiwillig. "Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei guten Freundinnen.", meinte er. "Aber Frau Schwerin und ich wollten sowieso jetzt mit dem Helikopter einen kurzen Checkflug machen, um sicherzustellen das wir später wieder vollkommen einsatzbereit sind. Du bist doch schon fertig, gell Max?" Der Mechaniker nickte.
"Sehr gut. Also komm, Biggi." Thomas ging schon voraus, doch Biggi widersprach ihm. "Wir wollten überhaupt keinen Checkflug.." Thomas redete einfach dazwischen. "Doch das wollten wir, deshalb kommst du jetzt mit. Fliegen ist lustig, fliegen macht Freude und du brauchst das jetzt ganz dringend. Du bist nämlich nicht du, wenn du nicht im Cockpit sitzt." Thomas ging zurück, schnappte Biggi am Arm und zog sie mit sich. "Und meine Berichte, Frau Schwerin?!", wollte Herr Ebelsieder wissen. "Die liegen pünktlich bei ihnen vor.", antwortete Thomas und verschwand mit Biggi aus dem Raum.
Die Anderen mussten Herrn Ebelsieder derweil versichern, dass alles in Ordnung war. Als er dann endlich wieder zurück in sein Büro ging, begannen sie den Aufenthaltsraum aufzuräumen. Jemand musste die Sauerei schließlich beseitigen. Letztendlich waren es Gabi und Ralf, da Max noch den Hangar sauber machen wollte und Peter und Michael gingen sich einfach schon mal umziehen. Aus dem Klettern würde sowieso nichts mehr werden und so hatten sie später beim Schichtwechsel keinen Stress.
Gabi regte sich weiterhin ziemlich über den Vorfall auf, selbst als sie fertig mit putzen waren. "Jetzt beruhig dich doch.", bat Ralf die Ärztin. "Ich will mich nicht beruhigen!", stellte Gabriele klar. "Was sollte das?! Wenn Biggi so weiter macht, vergrault sie Helena noch und ich kriege dann sicher niemanden mehr zum Ausbilden!", befürchtete die Blondine. "Ach was, Helena wird nicht gehen.", versuchte Ralf sie gleich zu besänftigen. Doch das er sich da irren sollte ahnte er noch nicht.
"Biggi und Helena hatten einfach einen blöden Start, aber auf Dauer wird ihnen das Gezicke selber auf die Nerven gehen. Wir wissen doch beide, dass Biggi eigentlich nicht so ist. Waren halt total doofe Umstände, aber die raufen sich zusammen."
Ralf nahm Gabi in den Arm. "Das hoffe ich doch.", meinte diese seufzend. "Ganz sicher.", antwortete der Sanitäter und gab Gabi einen Kuss auf die Stirn. Die zwei waren nämlich seit ein paar Monaten ein Paar, was jedoch noch keiner außer ihnen wusste. "Gehen wir runter zum Wasser, da haben wir erstmal unsere Ruhe.", schlug Ralf vor und Gabi erklärte sich einverstanden.

Ich hab dich lieb bis zu den Sternen... und zurück!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt