Kapitel 20

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Das geschah alles in sekundenschnelle. Ich hob die Taschenlampe, die ich fallen gelassen hatte auf und leuchtete die Fläche ab. Da lag tatsächlich jemand und ich erkannte die Person sofort. "Oh Scheiße!", entfuhr es mir und schnell legte ich dann erstmal die Schalter im Sicherungskasten um.
Die Lichter im ganzen Gebäude gingen wieder an, so auch die im Hangar und jetzt sah ich erst ganz genau, in welchem Schlamassel ich schon wieder steckte. Vor mir auf dem Boden lag Thomas Wächter, einer meiner neuen Kollegen. Er war bewusstlos, was wohl auf den Schlag mit diesem Werkzeug das ich immer noch in der Hand hielt, zurückzuführen war. Die Platzwunde an seiner Stirn deutet ebenfalls darauf hin und außerdem war alles um seine Augen rot und geschwollen vom Pfefferspray. Ich hatte ihn wohl voll erwischt.
Nachdem der erste Schock überwunden war, kniete ich mich sofort neben Thomas hin und versuchte ihn aufzuwecken. "Thomas?", sprach ich ihn an und klopfte ihm leicht auf die Wange. "Thomas, hey! Wach auf, komm schon!" Routiniert sah ich mir dann erstmal seine Verletzung an der Stirn an. Die Wunde war nicht tief, blutete aber dennoch ziemlich stark und ich fühlte mich schäbig. Jedoch hatte er sich einfach so an mich an geschlichen und sich nicht bemerkbar gemacht, da hatte ich ohne großartig zu überlegen gehandelt. Und das Thomas sowieso nicht gut auf mich zu sprechen war machte es noch schlimmer.
"Thomas, aufwachen!" Erneut tätschelte ich ihm die Wange und endlich wurde er wach. Ruckartig setzte er sich auf und hielt sich die Augen zu, die brennen mussten wie Feuer. Das hielt ihn aber nicht davon ab, sofort los zu schreien, nachdem er mich erkannt hatte. "Bist du eigentlich vollkommen bescheuert?!", rief er und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. "Es.. es tut mir leid, ich.. du hast mich erschreckt, verdammt nochmal!", erklärte ich. "Und deshalb sprühst du mir gleich irgendwas ins Gesicht?! Was war das fürn Zeug, ich seh kaum noch was und es brennt wie sonst was!"
Wenn Thomas etwas konnte, dann schreien. Bei jedem Wort aus seinem Mund zuckte ich erneut zusammen und ein bisschen Angst vor ihm hatte ich auch. Aber er schrie zurecht, schließlich hatte ich ihm eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und zusätzlich noch niedergeschlagen. Das er überhaupt in der Lage war zu schreien war demnach irgendwie auch ein gutes Zeichen, so rein aus medizinischer Sicht.
Aber trotzdem war es nicht gerade angenehm so angegangen zu werden. Ich fühlte mich hilflos und wusste nicht so recht, wie ich Thomas besänftigen konnte. Das war wahrscheinlich sowieso unmöglich.
"Soll ich einen Krankenwagen rufen?", fragte ich kleinlaut, während Thomas sich weiterhin die Augen rieb. "Nein!", motzte der Pilot und versuchte aufzustehen. "Soll ich dir vielleicht helfen?", fragte ich weiter, da es ihm offensichtlich sehr schwer fiel auf die Beine zu kommen. Ich selbst stand bereits wieder und wollte Thomas wirklich helfen, traute mich aber nicht ihn einfach anzufassen. "Wie wär's mal mit Klappe halten, geht das?!", erwiderte er aufgebracht und taumelte Richtung Tür, nachdem er es doch geschafft hatte aufzustehen. Da ich Angst hatte, dass er jeden Moment umfiel, folgte ich ihm einfach.
Er ging ins Bad der Männer und fing an, seine Augen auszuspülen. Er tat mir unsagbar leid und deshalb ging ich in den Aufenthaltsraum um etwas zu holen, was ihm besser helfen würde als normales Leitungswasser. Aus einer der Notfalltaschen nahm ich einen Infusionsbeutel mit Kochsalzlösung und diesen brachte ich zu Thomas, der sich gequält im Spiegel betrachtete.
"Was war das fürn Zeug?!", fragte er mich erneut. "Und mit was hast du mich bitte geschlagen, diese scheiß Wunde hört nicht auf zu bluten!" Vorsicht näherte ich mich. "Pfefferspray.", gab ich zu. "Und geschlagen hab ich dich mit irgendeinem Werkzeug, keine Ahnung was das genau war." Nachdem er die Wunde aber sehen konnte, nahm ich an, dass das schlimmste nun schon überstanden war.
"Hier, nimm am besten das zum Ausspülen. Das wird besser helfen als normales Leitungswasser." Ich legte den Beutel neben dem Waschbecken ab und trat wieder ein paar Schritte zurück. "Und das ist jetzt was genau?!", wollte Thomas wissen. "Isotonische Kochsalzlösung, also NaCl.", antwortete ich. "Ich könnte mir deine Augen und die Wunde übrigens mal ansehen, wenn du mich lässt.", meinte ich anschließend. "Du könntest mich aber auch einfach in Ruhe lassen, das würde mir am meisten helfen!", entgegnete Thomas bissig und widmete sich wieder seinen Augen.
Ich sagte daraufhin nichts mehr und ging hinaus, genau wie er es verlangt hatte. Ich ging zurück in den Aufenthaltsraum, um meine Arbeit dort zu beenden. Thomas brauchte lange und ich hörte ihn bis hierher fluchen, jedoch ging ich trotz schlechtem Gewissen nicht nachsehen. Ansonsten hätte er mich vermutlich noch wortwörtlich zum Teufel gejagt, obwohl auch er nicht ganz unschuldig an der Sache war.
Ich machte also mit dem Papierkram weiter und versuchte mich auch darauf zu konzentrieren, was aber nicht mehr wirklich funktionierte. Dennoch schaffte ich es irgendwie fertig zu werden und ich hoffte inständig, dass ich wenigstens das richtig gemacht hatte. Inzwischen lohnte es sich auch nicht mehr zu schlafen, weshalb ich duschte und mir dann gleich meinen Overall anzog. Meine Haare föhnte ich nicht extra, die würden einigermaßen getrocknet sein bis mein Dienst offiziell begann.
Kurz überlegte ich bei Thomas vorbei zu schauen, ließ es es dann doch bleiben. Ich deckte den Tisch fürs Frühstück und kochte gleich mal eine Kanne Kaffee. Danach begann ich, die Notfalltaschen zu kontrollieren und aufzufüllen. Mit diesen hatte ich mich auf den Boden gesetzt, da ich dort einfach genügend Platz hatte.
Gerade als ich die Tasche mit den Verbandsmaterial fast fertig aufgestockt hatte, kam Thomas herein. Seine Augen waren noch immer ziemlich gerötet und die Wunde an seiner Stirn blutete noch immer ein wenig. Wortlos kam er zu mir, beugte sich hinunter und schnappte sich ein bisschen von dem Verbandszeug. Damit wollte er gleich wieder verschwinden.
"Ich soll dir sicher nicht helfen?", fragte ich und erntete dafür einen bösen Blick von Thomas. Das war für mich Antwort genug. Er ging wieder hinaus und ich konnte die Materialien, die er sich genommen hatte, nochmal ersetzen. Ich seufzte. Gerade als ich gedacht hatte, ich würde hier einigermaßen zurecht kommen können, passierte gleich das nächste Unglück. Und das, weil ich auch hier noch mit meiner Angst zu kämpfen hatte. Nur wollte ich das vor meinen Kollegen nicht zugeben, ich kannte sie schließlich erst ein paar Tage.
Außerdem würde selbst die Tatsache, dass ich Thomas für meinen Ex oder allgemein für einen Einbrecher gehalten hatte, ihn kaum beschwichtigen können.

Ich hab dich lieb bis zu den Sternen... und zurück!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt